Spruch:
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens des schweren Betruges gemäß Punkt I/1 des Urteilssatzes und wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt gemäß Punkt I/2 des Urteilssatzes sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO
1. im Umfang der Aufhebung des Punktes I/2 des Schuldspruches in der Sache selbst erkannt:
Gebhard S***** wird von der Anklage, er habe in der Zeit vom 27. bis zum 30.April 1990 in D***** als Vizeleutnant und dienstführender Unteroffizier, sohin als Beamter mit dem Vorsatz, den Wehrmann L***** und den Gefreiten S***** "an ihrem Recht auf Anzeigeerstattung sowie den Staat in einem konkreten Recht zu schädigen", seine Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, durch Unterlassung der Weiterleitung der mündlichen Anzeigen der Genannten wissentlich mißbraucht und hiedurch das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB begangen, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
2. im übrigen die Sache im Umfang der Aufhebung des Punktes I/1 des Schuldspruches und des Strafausspruches zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Kreisgerichtes Krems an der Donau verwiesen.
Der Angeklagte mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung sowie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung werden auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Vertragsbedienstete Gebhard S***** des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 StGB (Punkt I/1 des Urteilssatzes) und des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB (Punkt I/2 des Urteilssatzes) schuldig erkannt.
Von einem weiteren Anklagepunkt (Vergehen des militärischen Diebstahls gemäß dem § 31 Abs. 1 Z 3 MilStG) wurde er rechtskräftig freigesprochen.
Den Urteilsfeststellungen des Erstgerichtes zufolge nahm Gebhard S***** an dem auf einem Ersuchen der Vereinten Nationen beruhenden Auslandseinsatz einer Einheit des Österreichischen Bundesheeres in Syrien als Unteroffizier teil. Dort entwendete er in der Nacht zum 27.April 1990 heimlich dem österreichischen Soldaten Johann S***** drei Scheckformulare, die zur Verfügung über ein inländisches Bankkonto bestimmt waren. Am 27.April 1990 begab sich der Angeklagte in D***** zu dem Händler Faiez H***** ("Viktor"), stellt mit einem der Formulare einen Scheck über 400 US-Dollar aus und unterschrieb dabei mit dem flaschen Namen "Johann S*****". Diesen Scheck überließ er dem Händler, welcher ihm dafür Geld ausfolgte. Am nächsten Tag versuchte der Angeklagte, den Scheck zurückzubekommen, jedoch war die Urkunde nicht sogleich verfügbar. Der Händler gab später den Scheck einem anderen österreichischen Unteroffizier zur Aufbewahrung. Das Schriftstück gelangte schließlich zum Bataillonskommandanten der österreichischen Einheit. In der Folge wurde der Scheck nicht weiter im Zahlungsverkehr verwendet, sondern der Strafanzeige gegen den Angeklagten angeschlossen. Im Zuge von Bemühungen zur Aufklärung des Vorganges veranlaßte der Bataillonskommandant am 1. Mai 1990 eine Zusammenkunft zwischen Faiez H***** und dem Angeklagten, bei welcher der Kaufmann den Angeklagten als Übergeber des betreffenden Schecks bezeichnete. Noch vor dieser Konfrontation übergab der Angeklagte an Faiez H***** zunächst 400 US-Dollar, dann weitere 100 US-Dollar und bot schließlich sogar 1.000 US-Dollar an, um sein Schweigen zu erkaufen. Anläßlich der Gegenüberstellung händigte der Kaufmann dem Bataillonskommandanten die 500 US-Dollar aus, welcher sie in der irrigen Meinung annahm, es handle sich dabei nur um den die Schecksumme übersteigenden Betrag von 100 US-Dollar. Am nächsten Tag gab der Bataillonskommandant dem Faiez H***** den der Schecksumme entsprechenden Geldbetrag von 400 US-Dollar zurück.
Das Erstgericht ging davon aus, daß der Angeklagte bei der Begebung des Schecks am 27.April 1990 mit dem Willen handelte, entweder Faiez H***** oder Johann S***** am Vermögen zu schädigen, und daß mit der Erlangung einer Gegenleistung für den Scheck ein derartiger Schaden auch eintrat. In rechtlicher Hinsicht beurteilte es das festgestellte Verhalten des Angeklagten als einen unter Verwendung einer falschen Urkunde verübten schweren Betrug nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 StGB und fällte einen entsprechenden Schuldspruch.
Nach den weiteren Urteilsfeststellungen des Schöffengerichtes hatte der Soldat Johann S***** im Laufe des 27.April 1990 das Fehlen der drei Scheckformulare bemerkt und am 28.April 1990 dem Angeklagten gemeldet. Der Angeklagte war als dienstführender Unteroffizier für die Entgegennahme und Weiterleitung dieser Meldung zuständig; in dieser amtlichen Eigenschaft erhielt er ferner am 27. und am 28.April 1990 vom Soldaten Walter L***** die Meldung, daß in der militärischen Unterkunft Geld gestohlen worden sei (dieser Gelddiebstahl ist Gegenstand des in Rechtskraft erwachsenen Freispruchs laut Punkt II./ des Urteilssatzes). Der Angeklagte sagte den Soldaten Johann S***** und Walter L***** zu, die Vorfälle an den Kompaniekommdanten weiterzumelden. Er unterließ jedoch derartige Meldungen, wobei er nach Überzeugung des Erstgerichtes mit dem Wissen der hiedurch begangenen Pflichtverletzung und mit dem Willen handelte, die beiden Soldaten an ihrem Recht auf Anzeigeerstattung, sowie den Staat in dem konkreten Recht auf Strafverfolgung zu schädigen. Diese Unterlassung beurteilte es als Mißbrauch der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft die Schuldsprüche mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, welche teils offenbar unbegründet und teils nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt ist.
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon, daß die Schuldsprüche jeweils mit einer in der Beschwerde nicht geltend gemachten, dem Angeklagten zum Nachteil gereichenden materiellrechtlichen Nichtigkeit behaftet sind, weshalb insoweit ein - mit dem Rechtsmittelziel übereinstimmendes - Vorgehen gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO erforderlich und deswegen auf die Beschwerdeausführungen nicht weiter einzugehen war.
Beim Schuldspruch wegen des Vergehens des schweren Betruges unterliefen dem Erstgericht Feststellungsmängel iS der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO, weil allein schon der im Urteil angenommene Sachverhalt auf das Erfordernis einer Klarstellung hinwies, welche Bewandtnis es mit der festgestellten Zahlung des Angeklagten an den Händler Faiez H***** (am 1.Mai 1990) hatte. Diese Geldübergabe fand statt, bevor eine zur Strafverfolgung berufene Behörde in dieser ihrer Eigenschaft oder ein zur Strafverfolgung berufenes öffentliches Sicherheitsorgan in dieser seiner Eigenschaft (§ 151 Abs. 3 StGB; Militärbehörden oder militärische Vorgesetzte sind von dieser gesetzlichen Umschreibung nicht erfaßt - Leukauf-Steininger, StGB2, RN 19 zu § 151 Abs. 3) von der angenommenen Betrugstat des Angeklagten erfahren hatte. Der Sachverhalt hätte daher zur weiteren Prüfung Anlaß geben müssen, inwieweit der Angeklagte rechtzeitig und ohne hiezu gezwungen zu sein, den ganzen aus dem angelasteten Scheckbetrug entstandenen Schaden gutgemacht hat. Bei Zutreffen dieser Voraussetzungen wäre nämlich die Strafbarkeit der vorgeworfenen Betrugstat durch tätige Reue (§ 167 StGB) aufgehoben und das angelastete Täterverhalten gegebenenfalls als Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs. 2 StGB zu beurteilen (SSt. 56/98).
Somit ist der Schuldspruch wegen des Vergehens des schweren Betruges von Feststellungsmängeln betroffen, die eine verläßliche rechtliche Sachverhaltsbeurteilung hindern und seine Aufhebung zwecks Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz erfordern. Unter den wiedergegebenen Umständen war die Sache an den sachlich kompetenten Einzelrichter zu verweisen (EvBl. 1980/133; 15 Os 151/89).
Der aus wissentlichen Verstößen gegen die amtliche Verpflichtung zur Weiterleitung mündlicher Anzeigen abgeleitete Schuldspruch des Angeklagten wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB ist im Sinn der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO rechtlich verfehlt, weil das Schöffengericht nicht festgestellt hat, daß die von den Soldaten Johann S***** und Walter L***** gemeldeten Sachwegnahmen von einem anderen Täter als dem Angeklagten verübt wurden. Nach einhelliger Judikatur mißbraucht ein zur Mitwirkung an der Strafverfolgung gerichtlich, verwaltungsbehördlich oder disziplinär zu ahndender Verhaltensweisen berufener Beamter seine Amtsgewalt, wenn er bei Vorliegen der entsprechenden subjektiven Tatseite die ihm obliegenden Maßnahmen zur Wahrung des staatlichen Verfolgungs- und Bestrafungsinteresses unterläßt. Ein solcher Mißbrauch kann auch durch pflichtwidriges Unterlassen einer Mitteilung an andere Beamte begangen werden. Der österreichischen Rechtsordnung ist allerdings eine hoheitsrechtliche Obliegenheit eines straffällig gewordenen Beamten fremd, sich selbst der Verfolgung auszuliefern oder an der Effektuierung des gegen ihn selbst gerichteten konkreten Strafverfolgungsrechtes mitzuwirken ("nemo tenetur se ipsum accusare", ÖJZ 1992, S 219 und die dort - wenngleich in anderem Zusammenhang - zitierte Literatur sowie JBl. 1986, 57). Die Erstattung einer allein den Interessen des Anzeigers und des Staates an der Strafverfolgung dienenden Meldung kann einem Beamten somit dann nicht abverlangt werden, wenn er selbst die strafbare Handlung verübt hat. Bei einer solchen Fallgestaltung kann daher auch im Unterlassen einer derartigen Mitteilung kein Befugnismißbrauch nach dem § 302 Abs. 1 StGB erblickt werden. Die demgemäß im vorliegenden Fall für einen Schuldspruch wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt vorauszusetzende Feststellung, daß eine Beteiligung des Angeklagten an den beiden von ihm nicht gemeldeten Vorfällen auszuschließen sei, kann nach der Aktenlage in einem zweiten Rechtsgang nicht getroffen werden, weshalb insoweit sogleich mit einem Freispruch vorzugehen war.
Aus all diesen Erwägungen war wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.
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