OGH 11Os173/81

OGH11Os173/8111.1.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Jänner 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Fabrizy als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef A wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengerichtes vom 5. August 1981, GZ 29 Vr 2.514/81-123, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, nach Verlesung der Rechtsmittelschrift des Angeklagten und nach Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen als unangefochten unberührt bleibt, in dem zu Pkt. B bezeichneten Schuldspruch und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Josef A wird für den verbleibenden Schuldspruch wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB (Pkt. A des erstgerichtlichen Urteilsspruches) nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 (achtzehn) Monaten verurteilt.

Gemäß dem § 43 Abs. 2 StGB wird diese Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der (nunmehrige) Angestellte Josef A wurde mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB und des (damit in Tateinheit verübten) Verbrechens des schweren Betruges nach den § 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 StGB schuldig erkannt.

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes war der Angeklagte in den Jahren 1972 bis 1974 Sachbearbeiter in der Lohnsteuer- und Beihilfenstelle des Finanzamtes Innsbruck. Nebenberuflich war er in den Jahren 1973 und 1974 im 'Werbeaußendienst' einer Versicherungsgesellschaft tätig. Um bei der Aquisition von Versicherungsverträgen, die für ihn Provisionen brachten, erfolgreicher zu sein, wies er anläßlich seiner Unterredungen über einen Versicherungsabschluß die angeworbenen Versicherungsnehmer auf steuerliche Vorteile eines Versicherungsvertrages hin und bot sich unter dem Hinweis auf seine Tätigkeit als Finanzbeamter an, entsprechende Anträge an das Finanzamt zu verfassen, die er meist blanko unterschreiben ließ oder zum Teil sogar selbst (mit dem Namen des jeweiligen Versicherungsnehmers) unterschrieb. In diesen Anträgen machte der Angeklagte (für den jeweiligen Versicherungsnehmer) neben rechtmäßig zustehenden Sonderausgabenbegünstigungen fälschlich entweder höhere Versicherungsbeiträge geltend als tatsächlich entrichtet wurden oder als auf Grund des Alters des Steuerpflichtigen zustanden, oder für Zeiträume, in denen solche Beitragsleistungen tatsächlich nicht erbracht worden waren; er machte in derartigen Anträgen auch Aufwendungen aus Anlaß von vorgeblichen Hausstandsgründungen geltend, die nicht oder nicht im betreffenden Kalenderjahr stattgefunden hatten, oder Aufwendungen für Heiratsausstattung, die nicht oder nicht in diesem Ausmaß entstanden waren, oder höhere Unterhaltsaufwendungen als tatsächlich geleistet wurden. Der Angeklagte bearbeitete sodann diese von ihm verfaßten Anträge als Beamter des Finanzamtes und verfertigte in den Akten falsche Amtsvermerke über von ihm angeblich vorgenommene Beweisaufnahmen (wie Einsicht in Meldezettel, Mietverträge, Rechnungen und dergl.), produzierte zum Teil falsche 'eidesstattliche Erklärungen' der Antragsteller und legte die Akten seinem Vorgesetzten zur Approbation vor, die durchwegs stattfand, weil es der Verwaltungsübung beim Finanzamt Innsbruck entsprach, daß vorgelegte Urkunden - nach Aufnahme eines Aktenvermerkes hierüber - den Antragstellern sogleich wieder ausgehändigt wurden (und auch kein Anlaß bestand, die zu den Akten gebrachten Anträge und Urkunden einer Prüfung auf ihre Echtheit zu unterziehen). Durch diese Vorgangsweise wurden für eine Reihe von Personen 'Steuervorteile' in der Gesamthöhe von 190.477 S (so der Urteilsspruch; in den Gründen wird der Betrag mit 194.609 S konstatiert) bewirkt. Dieser Betrag wurde dem Angeklagten im erstgerichtlichen Urteil als Betrugsschaden im Sinn des § 147 Abs. 3 StGB zugerechnet.

Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a und Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde lediglich gegen die Subsumtion seines amtsmißbräuchlichen Verhaltens auch als Betrug.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist im Recht.

Grundsätzlich trifft zwar die Ansicht des Erstgerichtes zu, daß eintätiges Zusammentreffen zwischen den Tatbildern des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB und des Verbrechens des schweren Betruges nach den § 146, 147 Abs. 3 StGB möglich ist, weil der Strafsatz des § 147 Abs. 3 StGB strenger ist als jener des § 302 Abs. 1 StGB und daher bei einer solchen Konstellation der Betrug nicht im Amtsmißbrauch aufgeht (EvBl 1978/136 = RZ 1978/63 = ÖJZ-LSK 1978/238

/verstärkter Senat/; RZ 1977/44; JBl 1980, 436; Leukauf-Steininger, Komm zum StGB2, RN 71 zu § 28, RN 41 zu § 302 StGB). Das Erstgericht beachtete indes nicht, daß die Tat des Angeklagten tateinheitlich überdies auch noch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 1 Abs. 2 lit. b, Abs. 3 lit. e FinStrG verwirklichte (siehe hiezu SSt 38/12 = EvBl 1968/150 = RZ 1967, 84). Es ist nämlich nicht erforderlich, daß der Täter des Finanzvergehens nach dem § 33 FinStrG zu eigenem Vorteil handelt (vgl Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, FinStrG, Anm 5 zu § 33).

Für das eintätige Zusammentreffen eines Finanzvergehens mit Betrug oder Täuschung bestimmt aber die durch die Finanzstrafgesetznovelle 1975, BGBl 1975/335, geschaffene Norm des § 22 Abs. 2 FinStrG, daß die Tat - unbeschadet der Beurteilung nach weiteren strafgesetzlichen Bestimmungen - ausschließlich als Finanzvergehen zu ahnden ist. Der Gesetzgeber rückte damit von der seinerzeitigen Regelung des § 32 Abs. 2 (alt) FinStrG 1958 ab, die neben der Verurteilung wegen des Finanzvergehens auch eine Verurteilung wegen bestimmter damit in Tateinheit verwirklichter qualifizierter Betrugsformen geboten hatte.

Nach der nunmehrigen Rechtslage können somit selbst Taten, die ohne die Vorschrift des § 22 Abs. 2 FinStrG als mit weit erheblicheren Freiheitsstrafen bedrohte Verbrechenstatbestände anzusehen wären, zB ein nach dem § 147 Abs. 3 StGB qualifizierter Betrug, - vom eintätigen Zusammentreffen mit weiteren Straftatbeständen abgesehen - bloß als (unter Umständen auch nur verwaltungsbehördlich zu ahndendes) Finanzvergehen beurteilt werden.

Diese durch den Gesetzgeber geschaffene Privilegierung des eintätig mit einem Finanzvergehen zusammentreffenden Betruges muß mangels einer Unterscheidung im Gesetz auch dann Platz greifen, wenn diese Tat überdies auch noch ein anderes Delikt verwirklicht, das als solches von dieser Privilegierung nicht erfaßt wird, wie hier das Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt. Eine Verurteilung wegen Betruges kommt daher nicht in Betracht.

Die Tatzeit im vorliegenden Fall lag zwar vor der Finanzstrafgesetznovelle 1975. Es ist jedoch die dargestellte durch die Finanzstrafgesetznovelle 1975 geschaffene Rechtslage beachtlich, weil nach Art. VII § 2 Abs. 1

dieser Novelle in einem solchen Fall ein Günstigkeitsvergleich anzustellen ist. Die neue Rechtslage (§ 22 Abs. 2 FinStrG) erweist sich gegenüber jener des früheren Rechtes (§ 32 Abs. 2 alt FinStrG 1958) als günstiger. Die neue Regelung ist, wie schon ihre Einordnung in den allgemeinen Teil des Finanzstrafgesetzes indiziert, materiellrechtlicher Natur und gilt kraft der ausdrücklichen Anordnung der § 3, 53

Abs. 7 (am Ende) FinStrG auch dann, wenn das auf betrügerische Weise oder durch Täuschung verübte Finanzvergehen nicht der gerichtlichen Zuständigkeit, sondern nur jener der Finanzstrafbehörden unterfällt, wie das hier im Hinblick auf einen 500.000 S nicht übersteigenden strafbestimmenden Wertbetrag der Fall ist (§ 53 Abs. 1 lit. b FinStrG).

Zu untersuchen bleibt allerdings ein weiterer Aspekt, nämlich die rechtliche Beurteilung der Produzierung falscher Urkunden durch den Angeklagten im Zug der Tatverübung.

Soweit es sich dabei um die falschen Beurkundungen in Aktenvermerken als Mittel der auch den Tatbestand des Amtsmißbrauches erfüllenden Tatbegehung handelt, kommt eine gesonderte Beurteilung schon im Hinblick auf die Subsidiaritätsklausel des § 311 StGB nicht in Betracht.

Die Herstellung und der Gebrauch falscher (Privat-) Urkunden als Mittel zur Verübung eines Finanzvergehens bleibt allerdings grundsätzlich nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers zur Finanzstrafgesetznovelle 1975 (Erl.

Bem. zur Regierungsvorlage, 1130 der Beilagen zu den sten Prot. des NR, XIII. GP, 55) als idealkonkurrierendes Delikt strafbar. Es kann somit bei dieser Konstellation das im Betrug steckende Urkundendelikt (§ 147 Abs. 1 Z 1 StGB) selbständige Bedeutung gewinnen (siehe hiezu auch EvBl 1979/74; EvBl 1978/187 = ÖJZ-LSK 1978/154).

Auch der gemäß dem Art. VII § 2 Abs. 1 FinStrGNovelle 1975 angesichts der Tatzeit anzustellende Günstigkeitsvergleich könnte zu keiner anderen Beurteilung führen:

Nach dem zur Tatzeit geltenden Recht war die Fälschung von Privaturkunden der Bestimmung des § 201 lit. a StG 1945 zu unterstellen, die im Verein mit der im vorliegenden Fall ebenfalls erfüllten Bestimmung des § 200 StG 1945

eine Verurteilung (auch) wegen qualifizierten Betruges - hier nach den § 197, 200, 201 lit. a, 203 StG 1945 -

nach sich gezogen hätte, somit nach einer strengeren Strafdrohung als jener des § 223 StGB Die bei einem betrügerisch begangenen Finanzvergehen somit grundsätzlich weiterhin gebotene gesonderte (gerichtliche) Verurteilung des im Betrug steckenden Urkundendeliktes wird aber bei der vorliegenden Fallgestaltung wieder durch den Schuldspruch wegen des Amtsmißbrauches aufgesogen, der nach ständiger Rechtsprechung in Tateinheit verübte allgemein strafbare Handlungen so weit verdrängt, als das allgemeine Delikt in seiner Gesamtauswirkung nicht strenger strafbedroht ist als das Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB (vgl erneut Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB2, RN 71 zu § 28, RN 40 zu § 302). Dies ist angesichts der Strafdrohung des § 223 StGB der Fall.

Es zeigt sich sohin, daß vorliegend allein ein Schuldspruch wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB stattfinden kann.

Der den Schuldspruch auch wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach den § 146, 147 Abs. 1 Z 1, Abs. 3

StGB bekämpfenden Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt daher Berechtigung zu.

Die Generalprokuratur vermeint in ihrer Stellungnahme, der Angeklagte wäre von dem von der Anklage inhaltlich erfaßten Vorwurf, durch sein Verhalten das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 1

FinStrG begangen zu haben, gemäß dem § 214 FinStrG wegen Unzuständigkeit der Gerichte freizusprechen.

Der Oberste Gerichtshof vermag dieser Ansicht nicht zu folgen. Wohl trifft die Behauptung der Nichtigkeitsbeschwerde nicht zu, daß der Angeklagte wegen des (auch) in seinem Tatverhalten liegenden Finanzvergehens von der Finanzstrafbehörde bereits rechtskräftig verurteilt wurde. Das (im übrigen erst nach dem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck ergangene) Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Innsbruck wurde nämlich in der am 10. September 1981 vor diesem Spruchsenat abgeführten mündlichen Verhandlung verkündet. Der Angeklagte (dort: Beschuldigte) verzichtete wohl auf Rechtsmittel, nicht aber der Amtsbeauftragte.

Das Erkenntnis des Spruchsenates wurde nach dem Inhalt der bezüglichen Akten (StrafLNr 54/1976 des Finanzamtes Innsbruck) bisher noch nicht ausgefertigt und zugestellt, so daß die Rechtsmittelfrist für den Amtsbeauftragten offen ist (§ 150 Abs. 2, 151 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 Fin-StrG).

Vorliegend stand aber von vornherein angesichts des strafbestimmenden Wertbetrages nicht in Frage, daß die Kompetenz zur Entscheidung über das Finanzvergehen der Finanzstrafbehörde erster Instanz zukommt; es wurden in dieser Richtung im gerichtlichen Strafverfahren auch keinerlei Verfolgungsschritte unternommen, sondern allein von der Finanzstrafbehörde (mit einer Einleitungsverfügung des Finanzamtes Innsbruck vom 29. März 1976, StrafLNr 54/76), sodaß für den in Erwägung gezogenen (Formal-) Freispruch kein Anlaß besteht. Aber auch ein Ausspruch nach dem § 259 Z 3 StPO (wegen des Betrugsdeliktes) hatte zu unterbleiben. Denn es steht nicht nur die idealkonkurrierende Verwirklichung eines gerichtlich strafbaren Tatbestands mit einem gerichtlich nicht in Verfolgung gezogenen und auch nicht verfolgbaren Finanzvergehen zur Beurteilung (in welchem Fall allerdings die Bestimmung des § 259 Z 3 StPO zum Tragen käme), sondern die Beurteilung des Tatverhaltens als die tateinheitliche Verwirklichung zusätzlicher, der gerichtlichen Kompetenz unterfallender strafbarer Handlungen, in welchem Fall ein (Teil-) Freispruch nicht in Frage kommt (SSt 48/89; RZ 1977/100;

EvBl 1976/27; EvBl 1974/76;

SSt 38/20 ua).

Bei der Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die Fortsetzung der strafbaren Handlung durch längere Zeit, als mildernd den ordentlichen Lebenswandel vor der Tat, die vom Angeklagten im Rahmen der von der Republik Österreich gegen ihn geltend gemachten Forderung vorgenommene volle Schadensgutmachung, den Umstand, daß die Tat schon vor längerer Zeit begangen wurde und sich der Angeklagte seither wohlverhielt sowie seinen Beitrag zur Wahrheitsfindung. Bei diesen Strafbemessungsgründen fand der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten als dem Verschulden des Täters und dem Schuldgehalt der Tat angemessen. Eine bedingte Strafnachsicht war schon deshalb zu gewähren, weil sie bereits in dem nur vom Angeklagten angefochtenen erstgerichtlichen Urteil ausgesprochen worden war.

Die Kostenentscheidung ist in der im Spruch genannten Gesetzesstelle verankert.

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