OGH 11Os171/94

OGH11Os171/9417.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Jänner 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Haubenwallner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hermine H***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 20. Oktober 1994, GZ 20 Vr 1781/94-70, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, der Wahrspruch der Geschworenen und das darauf beruhende Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Maria H***** auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil sie am 16.Juni 1994 in Schwaz ihren Ehemann Helmuth H***** durch Stiche mit einem 26,5 cm langen Fleischmesser in die linke Brustseite, den linken Oberarm und die linke Rückenseite vorsätzlich tötete.

Die Geschworenen hatten die (anklagekonform) auf das Verbrechen des Mordes lautende Hauptfrage im Stimmenverhältnis 5 : 3 bejaht; die Eventualfragen (nach Totschlag, absichtlicher schwerer Körperverletzung mit Todesfolge, schwerer Körperverletzung mit tödlichem Ausgang und Begehung der angeführten mit Strafe bedrohten Handlungen im Zustand voller Berauschung) blieben demgemäß unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf § 345 Abs 1 Z 6, 8 und 10 a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch überdies mit Berufung.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt schon Berechtigung zu, soweit sie aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund die Unterlassung der Fragestellung nach Notwehr, Putativnotwehr oder deren Überschreitung rügt.

Die Angeklagte, die nach den vorliegenden Verfahrensergebnissen schon des öfteren von ihrem Ehemann geschlagen und nicht unerheblich verletzt worden war, verantwortete sich von Anfang an im wesentlichen dahingehend, daß es in der Nacht zum 16.Juni 1994 nach ihrer Weigerung, einen Geschlechtsverkehr zu dulden, zwischen Helmuth H***** und ihr zu einer Auseinandersetzung gekommen sei, in deren Verlauf er ihr zumindest einen Faustschlag ins Gesicht versetzte, der eine Blutung aus der Nase nach sich gezogen habe. Beim Versuch, telefonisch die Gendarmerie zu verständigen, habe ihr Ehemann das Telefonkabel aus der Wand gerissen und sei ihr - entgegen seiner sonstigen Gewohnheit - in die Küche gefolgt, um sie dort erneut zu schlagen, weshalb sie zugestochen habe (21 f, 27 f/I; ON 5; 345 ff/I; 258 ff/II). Sie habe dies aus Angst ("Wenn du drei Wochen lang nur geschlagen wirst, dann ... hat man Angst, ...", "Vielleicht habe ich so Angst gehabt, daß er mich wieder schlagt. Er hat mich doch die letzten drei Wochen nur geschlagen") getan und damit erreichen wollen, "daß er mir nichts tut, daß er mich nicht schlagt, daß er schlafen geht", sie habe ihren Mann mit dem Messer einschüchtern wollen, damit er sie in Ruhe lasse - 27, 99 a, 357/I; 247/II). Die Zeugin Johanna S***** bekundete hiezu vor dem Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung, die Angeklagte habe unmittelbar nach der Tat geäußert, sie lasse sich nicht erschlagen (46, 267/II).

Bei dieser Sachkonstellation indizierten - wie die Beschwerde zutreffend ausführt - die von der Angeklagten angegebenen Modalitäten der Annäherung des Helmuth H***** ("Er hat die Hände aufgehoben. Er wollte mich wieder schlagen" - 259/II) im Hinblick auf dessen nicht nur unmittelbar vorangegangenes aggressives Verhalten in Verbindung mit der Behauptung, die Angeklagte habe sich mit Initiativen zur Fortsetzung exzessiver körperlicher Attacken konfrontiert gesehen, eine Fragestellung in Richtung rechtfertigender Notwehr, Putativnotwehr und Notwehrexzeß (siehe hiezu betreffend das Fragenschema insb. EvBl 1984/45 = SSt 54/19).

Im Hinblick auf die schon deshalb unvermeidliche Verfahrenserneuerung ist auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht mehr einzugehen.

Im zweiten Rechtsgang wird bei einer (durch ein entsprechendes Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung indizierten) Fragestellung in Richtung voller Berauschung nach dem Dreifragenschema (Haupt/Eventualfrage - Zusatzfrage nach § 11 StGB - Eventualfrage in Richtung § 287 StGB) vorzugehen sein (SSt 51/59; Mayerhofer-Rieder StPO3 § 314 ENr 73, 76).

Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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