OGH 11Os170/95

OGH11Os170/959.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Jänner 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Brunner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dietmar V***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14.September 1995, GZ 1 b Vr 5182/95-17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dietmar V***** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 (erster Deliktsfall) StGB (Punkt A) und des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 (dritter Deliktsfall) StGB (B) schuldig erkannt, weil er zwischen Sommer 1992 und 27.März 1995 in wiederholten Angriffen, zumindest einmal wöchentlich, dadurch, daß er seine am 7.November 1982 geborene Stieftochter Pamela V***** an der Scheide streichelte, sie zu Masturbationshandlungen an seinem Penis anleitete und auch einmal einen Mundverkehr vornehmen ließ, eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zu Unzucht mißbrauchte.

Rechtliche Beurteilung

Seiner gegen diesen Schuldspruch erhobenen, auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Dem Vorbringen in der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Ablehnung der in der Hauptverhandlung beantragten Einvernahme des Zeugen Helmut L***** zum Beweis dafür, daß er "beim Vorfall Faktum I./Donauinsel" "anwesend war und derartige Vorfälle nicht beobachten konnte" (90), sowie des Antrages auf "Beiziehung eines Sachverständigen zum Beweis dafür, daß möglicherweise die Zeugin Pamela V***** aufgrund ihrer problematischen Reife nicht entsprechend aussagte" (91), Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers nicht beeinträchtigt. Denn die Tatrichter gelangten, den Angaben des Mädchens und deren gleichfalls als Zeugin vernommenen Mutter Eva-Susanne V***** (79, 90) folgend, unter Ablehnung der Verantwortung des Angeklagten, er sei nur ein einziges Mal mit Pamela V*****, und zwar im Beisein des L***** zum Fischen auf der Donauinsel gewesen (90), zur Überzeugung, daß der Angeklagte mit dem Mädchen mehrere derartige Ausflüge unternommen hat (US 103). Versagt aber das Gericht mit unbedenklicher Begründung einem Angeklagten den Glauben an die Richtigkeit einer bestimmten von ihm aufgestellten Behauptung, so ist es nicht gehalten, Beweise aufzunehmen, für deren Erheblichkeit die Richtigkeit dieser als unglaubwürdig abgelehnten Behauptung Voraussetzung wäre und die nur unter der Voraussetzung der Richtigkeit dieser Behauptung Sinn und Zweck haben könnten (Mayerhofer/Rieder, StPO3 § 281 Z 4, ENr 67).

Das Gutachten eines Psychiaters oder Jugendpsychologen, worauf der Beschwerdeführer offenbar mit seinem Antrag auf Beiziehung eines Sachverständigen abzielt, ist nur in besonders gelagerten Fällen, so etwa bei festgestellter abwegiger Veranlagung in psychischer und charakterlicher Hinsicht, bei Entwicklungsstörungen oder sonstigen Defekten von Jugendlichen, für die Würdigung von Zeugenaussagen, die gemäß § 258 Abs 2 StPO ausschließlich dem Gerichtshof zukommt, geboten. Die bloße Tatsache, daß der Angeklagte die Angaben einer Belastungszeugin für unwahr und unglaubwürdig erklärt, rechtfertigt, wenn dieser Behauptung unterstützende Momente fehlen, den erwähnten Beweisantrag nicht (Mayerhofer/Rieder aaO § 150 ENr 41, 44, 47, § 281 Z 4 ENr 113, 117). Solche Umstände wurden im Beweisantrag nicht konkret behauptet und sind auch nicht aktenkundig, sodaß seine Ablehnung durch den Schöffensenat zu Recht erfolgte.

Die Mängelrüge (Z 5) erblickt eine Undeutlichkeit der Urteilsbegründung darin, daß das Erstgericht "nur sehr unvollständig" ausgeführt habe, worin die Unzuchtshandlungen bestanden hätten, ferner aus welchen Gründen es solche angenommen habe, und meint - ohne konkret die vermißten Erörterungen anzuführen -, daß es das Erstgericht in wesentlichen Punkten unterlassen habe, sich mit den Ergebnissen des Beweisverfahrens und der Verantwortung des Angeklagten auseinanderzusetzen. Demzuwider ergeben sich aus Urteilsspruch und Gründen, die eine Einheit darstellen (vgl Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 5 ENr 46), eindeutig die dem Angeklagten vorgeworfenen und im Urteil beschriebenen Unzuchtshandlungen, die nach den Konstatierungen vom Angeklagten gegenüber seinem Stiefkind im Tatzeitraum zumindest einmal wöchentlich, wenngleich - für einen Beschwerdeerfolg unerheblich - nicht jedesmal in sämtlichen im urteilstenor aufgezählten Varianten, vorgenommen wurden. Daß in den Gründen nur einzelne der inkriminierten Vorfälle näher geschildert werden, tut der (formal) ausreichenden Begründung keinen Abbruch.

Im übrigen hat das Schöffengericht formal mängelfrei ohnehin zum Ausdruck gebracht, warum es (US 5: aufgrund der inhaltlich deckungsgleichen wiederholten, schlüssigen und ohne "Rachegefühle" gemachten Angaben des Mädchens) den Aussagen der Zeugin Pamela V***** Glauben schenkte und die leugnende Verantwortung des Angeklagten für widerlegt erachtete. Angesichts der gesetzlichen Forderung nach einer gedrängten Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) war die Erörterung des vollständigen Inhalts sämtlicher Aussagen nicht erforderlich. Dies gilt gleichermaßen für den auf die Behauptung einer fehlenden "substantiellen Auseinandersetzung" mit den Widersprüchen zwischen der Einlassung des Angeklagten zum Vorfall auf der Donauinsel und den Angaben der Zeugen Eva-Susanne V***** und Pamela V***** gestützten Beschwerdeeinwand einer offenbar unzureichenden Begründung.

Bezüglich der in der Mängelrüge vermißten Urteilsbegründung zur festgestellten Absicht des Angeklagten, sich geschlechtlich zu erregen und zu befriedigen, genügt der Hinweis, daß der hier aktuelle erste (wie übrigens auch der zweite) Deliktsfall des § 207 Abs 1 StGB - anders als der dort enthaltene dritte Deliktsfall - keine auf Befriedigung der Lüste gerichtete Absicht des Täters voraussetzt (Leukauf/Steininger Komm3 § 207 RN 12).

Die Einwände der Rechtsrüge (Z 9 lit a) entbehren der prozeßordnungsgemäßen Ausführung, weil die behauptete materiellrechtliche Nichtigkeit nur aus einer Gegenüberstellung des festgestellten gesamten wesentlichen Urteilssachverhaltes mit dem gesetzlichen Tatbestand abgeleitet werden kann, wogegen die Urteilskonstatierungen an einem Handeln des Angeklagten mit dem Vorsatz, seine unmündige Stieftochter zur Unzucht zu mißbrauchen, keinen Zweifel lassen.

Die teils nicht gesetzmäßig ausgeführte, teils unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufung wird der hiefür gemäß § 285 i StPO zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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