Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten Wolfgang J*** verhängte Strafe auf 4 (vier) Jahre und 3 (drei) Monate, die über den Angeklagten Erwin L*** verhängte auf 2 (zwei) Jahre und 10 (zehn) Monate und die über den Angeklagten Johann W*** verhängte Strafe auf 6 (sechs) Jahre und 6 (sechs) Monate herabgesetzt werden.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen den genannten Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 22.Oktober 1959 geborene Wolfgang J***, der am 19.November 1961 geborene Erwin L***, der am 5.Oktober 1946 geborene Helmut C*** und der am 1. Dezember 1954 geborene Johann W*** auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143, erster und zweiter Deliktsfall, StGB schuldig erkannt. Den Angeklagten liegt zur Last, in der Nacht zum 17.Dezember 1984 in Wien in Gesellschaft als Beteiligte dem Alfred M*** dadurch, daß sie ihn gegen eine Hauswand drückten, ihn von hinten an den Händen festhielten, Wolfgang J*** darüber hinaus ein Fixiermesser aufklappte und die Klinge drohend gegen ihn richtete, und sie sodann seine Brieftasche mit 3.500 S an sich nahmen, mit Gewalt gegen seine Person unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich oder Dritte durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Während der Schuldspruch des Angeklagten Helmut C*** in Rechtskraft erwuchs, bekämpfen die Angeklagten Wolfgang J***, Erwin L*** und Johann W*** das Urteil mit (getrennt ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden. Geltend gemacht werden vom Angeklagten Wolfgang J*** die Nichtigkeitsgründe der Z 9 und 12, vom Angeklagten Erwin L*** jene der Z 4, 5, 6, 7, 10, 11 und 13 und vom Angeklagten Johann W*** der Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Wolfgang J***:
Undeutlich, unvollständig und in sich widersprechend im Sinn des § 345 Abs. 1 Z 9 StPO ist nach Ansicht dieses Beschwerdeführers die Antwort der Geschwornen deshalb, weil in der Niederschrift die Annahme der Tatbegehung unter Verwendung einer Waffe (§ 143, zweiter Anwendungsfall, StGB) "mit den Geständnissen der Angeklagten J*** und L*** sowie der Zeugenaussage des Alfred M***"
begründet werde, obwohl in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden seien, welche diese Qualifikation fraglich erscheinen ließen.
Rechtliche Beurteilung
Die Erwägungen, von denen die Geschwornen sich leiten lassen, sind indes kein Bestandteil ihrer Antwort und können weder im Rahmen der Z 9 des § 345 Abs. 1 StPO noch unter dem Gesichtspunkt eines anderen Nichtigkeitsgrundes erörtert werden. Eine Undeutlichkeit, Unvollständigkeit oder ein innerer Widerspruch müßte vielmehr im Wahrspruch selbst liegen; der angerufene Nichtigkeitsgrund kann jedoch weder aus dem Inhalt der Niederschrift gemäß dem § 331 Abs. 3 StPO noch aus einem Vergleich des Wahrspruchs und der Niederschrift mit Ergebnissen des Beweisverfahrens abgeleitet werden (vgl Mayerhofer-Rieder, II/2, E Nr 11 und 12 zu § 331 StPO). Der Nichtigkeitsgrund der Z 12 des § 345 Abs. 1 StPO wieder setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ein Festhalten an den im Wahrspruch der Geschwornen angenommenen Tatsachen voraus; die Unrichtigkeit der Gesetzesanwendung muß sich also aus einem Vergleich der im Verdikt der Geschwornen festgestellten Tat mit dem darauf angewendeten Gesetz ergeben; die Richtigkeit der im Wahrspruch enthaltenen Konstatierungen ist einer Anfechtung entzogen. Mit der Behauptung, die Geschwornen hätten Beweisergebnisse unbeachtet gelassen, wonach die Drohung des Angeklagten J*** mit dem geöffneten Messer sich nicht gegen das Tatopfer, sondern gegen den Raubgenossen L*** gerichtet habe, der Raub mithin nicht unter Verwendung einer Waffe verübt worden sei, wird daher der angerufene Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Ausführung gebracht.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Erwin L***:
Soweit dieser Beschwerdeführer, der Sache nach mit Berufung auf Z 10 des § 345 Abs. 1 StPO rügt, daß vom Schwurgerichtshof die Verbesserung des Wahrspruchs angeordnet worden sei, nachdem die Geschwornen die Hauptfrage 2 (IV) mit vier Ja- und vier Nein-Stimmen beantwortet (und demgemäß die zugehörige Zusatzfrage 2 [V] unbeantwortet gelassen) hatten, fehlen ihm für eine erfolgreiche Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes schon die formellen Voraussetzungen, weil er und sein Verteidiger dem Verbesserungsauftrag gemäß dem § 332 Abs. 4 StPO nicht widersprachen (vgl Band II, S 149 - siehe RZ 1975/60). Dem Urteil war darum jener (mängelfreie) Wahrspruch zugrundezulegen, mit dem die Geschwornen jeweils mit 6 : 2 Stimmen die Hauptfrage 2 (IV) in der geänderten Fassung bejahten und die Zusatzfrage 2 (V) verneinten. Unzutreffend ist ferner der Beschwerdeeinwand, den Geschwornen hätten Eventualfragen nach einfachem Raub und Diebstahl gestellt werden müssen. Zwar hat - worauf in der schriftlichen Rechtsbelehrung auch ausdrücklich hingewiesen wurde (vgl S 11 der Beil B/ zum Hauptverhandlungsprotokoll) - ein Tatbeteiligter die Qualifikation des § 143, zweiter Anwendungsfall, StGB nur dann zu verantworten, wenn er bei der Tat von der Existenz und der (tatsächlichen oder beabsichtigten) Verwendung der Waffe Kenntnis hatte. Diese Voraussetzung erachteten die Geschwornen aber (auch) beim Angeklagten L*** durch die uneingeschränkte Bejahung der Hauptfrage 2 als gegeben. Über die im § 330 Abs. 2 StPO vorgesehene Möglichkeit, Fragen nur teilweise zu bejahen und durch Beifügung von Beschränkungen einzelne in der Frage enthaltene Umstände auszuschalten, wurden die Geschwornen ausdrücklich belehrt (vgl S 1 und 2 der Beil B/ zum Hauptverhandlungsprotokoll). Nicht verpflichtet war der Schwurgerichtshof jedoch, die Qualifikation der Begehung des Raubes unter Verwendung einer Waffe zum Gegenstand einer gesonderten (Zusatz-)Frage zu machen (vgl Mayerhofer-Rieder, II/2, E Nr 8 zu § 316 StPO) oder gar im Fall der Aufnahme dieses strafsatzändernden Umstandes in die Hauptfrage eine Eventualfrage nach dem Grundtatbestand zu stellen.
Eine Eventualfrage nach Diebstahl wäre nur dann geboten gewesen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden wären, welche die Annahme einer solchen von der Anklage abweichenden rechtlichen Gestaltung der Tat hätten begründen können. Tatumstände, nach denen die dem Angeklagten L*** angelastete Tat nicht unter den Tatbestand des Raubes, sondern bloß unter jenen des Diebstahls gefallen wären, waren aber durch keine konkreten Verfahrensergebnisse, insbesondere auch nicht durch die eigene Verantwortung dieses Angeklagten, indiziert. Gab der Beschwerdeführer doch in der Hauptverhandlung zu, daß die Mitangeklagten C*** und W*** den stark alkoholisierten Alfred M*** gehalten (vgl Band II, S 54, 55 und 57 d.A), also physische Kraft zur Verhinderung eines von Seiten des Tatopfers zu erwartenden Widerstandes angewendet und ihm selbst solcherart die Wegnahme der Brieftasche ermöglicht hatten. Im Vorverfahren hatte er zwar eine Tatbeteiligung in Abrede gestellt, jedoch keineswegs behauptet, daß die Sachwegnahme ohne Anwendung von Gewalt (im Sinn des § 142 Abs. 1 StGB) stattgefunden hätte (vgl Band I, S 65, 95 a d.A). Ob bei der Tatausführung darüber hinaus der Angeklagte J*** ein aufgeklapptes Fixiermesser als Mittel der Drohung verwendet und der Angeklagte L*** dies auch erkannt hatte, ist für die Frage, ob die Tat rechtlich als Raub oder als Diebstahl zu beurteilen ist, ohne Bedeutung.
Mit der Behauptung, für ihn sei nicht erkennbar gewesen, daß ein Raub geplant und in Gesellschaft mehrerer Beteiligter unter Verwendung einer Waffe ausgeführt worden sei, bestreitet der Angeklagte L*** die Richtigkeit des Wahrspruchs. Im geschwornengerichtlichen Verfahren ist jedoch die Lösung der Schuldfrage ausschließlich Sache der Geschwornen; an die in ihrem Wahrspruch enthaltenen tatsächlichen Feststellungen ist sowohl der Schwurgerichtshof als auch der Oberste Gerichtshof gebunden. Soweit der Beschwerdeführer aufzuzeigen sucht, daß die Beweisergebnisse unrichtig gewürdigt und die Tatfragen unrichtig gelöst worden seien, bringt er daher keinen der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe zur gesetzmäßigen Darstellung.
Da im § 345 StPO eine dem § 281 Abs. 1 Z 9 lit b StPO analoge Bestimmung fehlt, können Schuldausschließungsgründe im geschwornengerichtlichen Verfahren nicht aus einem materiellen Nichtigkeitsgrund releviert werden. Die Verneinung der Zusatzfrage 2 (V) nach Tatbegehung durch den Angeklagten L*** im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) unterliegt insoweit keiner Anfechtung. Sohin erübrigt sich auch ein Eingehen auf die Beschwerdeausführungen zur Frage der Schuldfähigkeit dieses Angeklagten.
Voraussetzung des Nichtigkeitsgrundes der Z 13 des § 345 Abs. 1 StPO ist eine gesetzwidrige Ausmessung der Strafe. Mit dem Hinweis auf mildernde Umstände - die während der Hauptverhandlung geleistete volle Schadensgutmachung und die schwere Erkrankung des Angeklagten L*** - wird dieser Nichtigkeitsgrund nicht in gesetzmäßiger Weise geltend gemacht.
Was alle übrigen angerufenen Nichtigkeitsgründe betrifft, so beschränkt sich die Beschwerde auf eine ziffernmäßige Anführung, was dem gesetzlichen Erfordernis einer deutlichen und bestimmten Bezeichnung der Beschwerdepunkte nicht entspricht.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten
Johann W***:
Als fehlerhaft im Sinn der Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO rügt der Angeklagte W*** die den Geschwornen erteilte Rechtsbelehrung, weil nicht schon im Rahmen der Belehrung zur Hauptfrage auf die für eine Beurteilung der Tat nach dem § 164 StGB (vgl Eventualfrage 5 [XIII]) wesentlichen Merkmale der Mittäterschaft eingegangen und den Geschwornen auf diese Weise die Möglichkeit genommen worden sei, zwischen den Tatbeständen des Raubes und der Hehlerei zu unterscheiden. Zudem seien die Ausführungen zur Frage der Mittäterschaft insofern unvollständig, als ein Hinweis auf das Erfordernis einer Mitwirkung des am Tatort oder in dessen unmittelbarer Nähe anwesenden Raubgenossen auf Grund gemeinschaftlichen Tatentschlusses mit mindestens einer anderen Person fehle.
Der Beschwerdeeinwand versagt: Die Rechtsbelehrung ist von den Geschwornen als Ganzes zur Kenntnis zu nehmen und stellt eine Einheit dar; sie kann daher für jede Frage gesondert erteilt werden. In ihrer Gesamtheit betrachtet, konnte die Rechtsbelehrung aber auch zu keinen Mißverständnissen über die Voraussetzungen für die Begehung eines Raubes in Gesellschaft eines oder mehrerer Raubgenossen Anlaß geben. Wird darin doch ausdrücklich dargelegt, daß mehrere unmittelbare Täter, die in vorsätzlichem Zusammenwirken handeln, als Mittäter bezeichnet werden (vgl S 7 f der Beil B/ zum Hauptverhandlungsprotokoll). Im Zusammenhang mit den weiteren Ausführungen, wonach für den Tatbestand des Raubes vorsätzliches Handeln erforderlich ist, war auch für einen Laien klar erkennbar, daß Raubgenossenschaft ein bewußtes, auf denselben Deliktserfolg gerichtetes Tätigwerden mehrerer Personen am Tatort oder in dessen unmittelbarer Nähe voraussetzt. Ein gemeinschaftlicher Tatentschluß der Beteiligten im Sinn einer vorherigen Verabredung ist - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - nicht erforderlich; das Einverständnis über die Verübung eines Raubes kann vielmehr auch spontan bei der Tatbegehung zustandegekommen sein
(vgl Leukauf-Steininger, Komm zum StGB 2 , RN 74 zu § 127 in Verbindung mit RN 7 zu § 143 und die dort zitierte Judikatur). So gesehen erweist sich die den Geschwornen erteilte Rechtsbelehrung als fehlerfrei.
Sämtliche Nichtigkeitsbeschwerden waren somit zu verwerfen. Das Geschwornengericht verhängte über die Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB Freiheitsstrafen, und zwar über Wolfgang J*** - unter Bedachtnahme gemäß den §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14.März 1985, AZ 5 d Vr 8.679/84 (§§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1, 297 Abs. 1 StGB; fünfzehn Monate Freiheitsstrafe) - in der Dauer von fünf Jahren, über Erwin L*** - unter Bedachtnahme gemäß den §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23.5.1985, AZ 5 a e Vr 4.187/85 (§ 127 Abs. 1 StGB; zwei Monate Freiheitsstrafe) - in der Dauer von dreieinhalb Jahren und über Johann W*** in der Dauer von acht Jahren.
Bei der Strafbemessung wertete es bei allen genannten Angeklagten die einschlägigen Vorstrafen (die in den Fällen J*** und W*** auch die Voraussetzungen des § 39 StGB erfüllen) und die zweifache Qualifikation zum Raub, bei Johann W*** überdies den raschen Rückfall als erschwerend. Als mildernd berücksichtigte es demgegenüber bei allen Rechtsmittelwerbern die überwiegende objektive Schadensgutmachung, bei Wolfgang J*** auch sein Geständnis und den Umstand, daß er sich selbst stellte, bei Erwin L*** sein Geständnis sowie seine Verstandesschwäche.
Mit ihren Berufungen streben Wolfgang J***, Erwin L*** und Johann W*** die Herabsetzung der über sie verhängten Freiheitsstrafen an.
Die Berufungen sind begründet.
Das Erstgericht stellte die gegebenen Strafzumessungsgründe zwar im wesentlichen richtig fest, fand jedoch Strafmaße, die nach Lage des Falles bei den drei genannten Angeklagten, auch wenn man auf das Gewicht des Tatunrechts gebührend Bedacht nimmt, als überhöht angesehen werden müssen. Zieht man das jeweilige Vorleben und den Umstand in Betracht, daß bei J*** und L*** auch auf die angeführten Vorstrafen Bedacht zu nehmen war, so zeigt sich, daß die Strafen der Berufungswerber im festgesetzten Ausmaß herabzusetzen waren.
Es war daher spruchgemäß zu erkennen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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