Spruch:
In der Strafsache AZ 4 U 1.135/86 des Bezirksgerichtes Vöcklabruck verletzt das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 20.Juli 1988, AZ 22 Bl 131/88, soweit Georg S*** wegen des Vergehens nach den §§ 12, dritter Fall, StGB, 16 Abs. 1, vierter und fünfter Fall, SuchtgiftG schuldig erkannt wurde, das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 17 Abs. 1, 19 SuchtgiftG. Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird daher in seinem schuldigsprechenden Teil aufgehoben und dem Bezirksgericht Vöcklabruck auch insofern die Fortsetzung des gesetzlichen Verfahrens aufgetragen.
Text
Gründe:
Im Strafverfahren AZ 4 U 1.135/86 des Bezirksgerichtes Vöcklabruck wurde mit Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 20.Juli 1988, AZ 22 Bl 131/88 (ON 22), (im zweiten Rechtsgang) der von der Staatsanwaltschaft erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 18.April 1988, GZ 4 U 1.135/86-19, Folge gegeben und dieses (freisprechende) Urteil, das in hier nicht interessierenden Punkten unberührt blieb, im übrigen aufgehoben und hinsichtlich der Aufhebung zu Punkt 3/ Georg S*** des Vergehens nach § 12, dritter Fall, StGB, § 16 Abs. 1, vierter und fünfter Fall, SuchtgiftG schuldig erkannt. Demzufolge übergab er an einem nicht mehr feststellbaren Tag im Juni 1986 dem gesondert verfolgten Thomas S*** 100 S zum Ankauf von Cannabisharz von Thomas B*** und trug dadurch zu dem von ihm (S***) begangenen Vergehen nach dem § 16 Abs. 1, vierter und fünfter Fall, SuchtgiftG bei (S 172). In den Urteilsgründen (S 179) wird Georg S*** aber auch der siebente Deliktsfall (Verschaffen des Suchtgifts für andere) angelastet, weshalb nach Meinung des Berufungsgerichtes insoweit nur eine vorläufige Einstellung nach dem Abs. 2 des § 17 SuchtgiftG in Frage gekommen wäre.
Das Berufungsgericht ging von den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes aus (S 176), wonach der Angeklagte und Thomas S*** Geld zusammenlegten, mit dem sich S*** dann zu dem ebenfalls gesondert verfolgten Thomas B*** begab und zwei Gramm Cannabisharz erwarb. Dieses Gift teilten S*** und der Angeklagte sodann (S 152, 177). Während aber das Erstgericht diesen Vorgang dahin interpretiert hatte, daß der Beschuldigte zwei Gramm Haschisch kaufte (daher erwarb) und dann die Hälfte davon S*** überließ, erblickte das Berufungsgericht in der Übergabe von 100 S zum Ankauf von Haschisch einen Tatbeitrag (§ 12, dritter Fall, StGB) zum Vergehen des Thomas S*** nach dem § 16 Abs. 1, vierter und fünfter Fall, SuchtgiftG; in der anschließenden Annahme eines Teiles des Suchtgiftes sah es eine straflose Nachtat.
Rechtliche Beurteilung
Diese Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist in mehrfacher Richtung verfehlt:
Die Tat des Verurteilten war auf den Erwerb von Suchtgift gerichtet; er stellte einen Teil des dafür notwendigen Bargeldes zur Verfügung und übertrug die Besorgung des Suchtgifts einem Freund. Selbst wenn man ihn wegen dieser Tatmodalität nicht als unmittelbaren Täter des Vergehens nach dem § 16 Abs. 1 SuchtgiftG betrachtet, so war doch der von ihm geleistete Tatbeitrag auf dasselbe Ziel gerichtet wie die Tat seines Freundes Thomas S*** und ist daher gleichfalls als Erwerb einer geringen Menge Suchtgift zum eigenen Gebrauch anzusehen. Dies wird noch deutlicher, wenn man von der Hypothese der Nichtbeteiligung des Verurteilten ausgeht: Thomas S*** hätte dann zwar nur das von ihm finanzierbare Suchtgiftquantum um 100 S erworben, den Tatbestand nach dem § 16 Abs. 1, vierter und fünfter Fall, SuchtgiftG jedoch in gleicher Weise verwirklicht. Bedenkt man den vom Gesetzgeber mit der Einführung der bedingten Einstellung nach dem § 17 (ursprünglich § 9 a) SuchtgiftG verfolgten Zweck, entwöhnungswilligen Süchtigen den Weg aus der Suchtgiftkriminalität zu öffnen ("Behandlung statt Strafe"), zeigt sich, daß die Rechtsanwendung des Berufungsgerichtes nicht nur dem Wortlaut, sondern auch dem Sinn des § 17 Abs. 1 SuchtgiftG widerspricht.
Das Vergehen nach dem § 16 Abs. 1, fünfter Fall, SuchtgiftG wird durch den Besitz von Suchtgift verwirklicht. Auch dieser Fall lag unbestreitbar vor. Zwar hat das Berufungsgericht zu Recht die Konstruktion der Staatsanwaltschaft, es liege insofern Bestimmung des Thomas S*** zum Überlassen von Suchtgift vor, abgelehnt; von einer Konsumtion des Suchtgiftbesitzes als straflose Nachtat zum Erwerb kann aber angesichts der Gleichwertigkeit beider Begehungsformen ebenfalls nicht gesprochen werden.
Das Berufungsgericht irrt aber, wenn es meint, daß darüber hinaus "eine dem § 16 Abs. 1, 7. Deliktsfall, SGG entsprechende Handlungweise" vorliege (S 179), weil die Begehungsform des "Verschaffens" von Suchtgift im Sinn der Vorgängerbestimmung des § 16 Abs. 1 Z 4 bis 6 SuchtgiftG aF auszulegen ist (vgl. hiezu Foregger-Litzka, Anm. II zu § 16 SuchtgiftG) und daher bei der gegebenen Sachverhaltskonstellation nicht zur Anwendung gelangen kann.
Georg S*** hat vielmehr nur das Vergehen nach dem § 16 Abs. 1, vierter und fünfter Fall, SuchtgiftG verwirklicht, sodaß gemäß dem § 19 SuchtgiftG die Voraussetzungen der Einstellung auf Probe nach dem § 17 Abs. 1 leg. cit. zu prüfen gewesen wären. Das Berufungsgericht hätte daher auch zu Faktum 3/ dem Erstgericht die Prüfung nach dem § 19 SuchtgiftG auftragen müssen.
Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, daß der Teil des Berufungserkenntnisses, mit dem neben einem Schuldspruch wegen eines Suchtgiftdelikts wegen weiterer Suchtgiftfakten dem Erstgericht die Prüfung nach den §§ 19, 17 SuchtgiftG aufgetragen wurde, eine weitere Verletzung des § 17 Abs. 1 SuchtgiftG darstellt, welche Bestimmung bloß anwendbar ist, wenn der Täter nur (verbo "ausschließlich") wegen des Erwerbes oder Besitzes einer geringen Menge Suchtgift zum eigenen Gebrauch angezeigt wurde. Diese sich im Ergebnis nicht zum Nachteil auswirkende Gesetzesverletzung hat aber auf sich zu beruhen.
Der von der Generalprokuratur nach dem § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher spruchgemäß stattzugeben.
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