Spruch:
Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22. Jänner 1982, GZ 3 d E Vr 8.953/81-24, verletzt im Schuldspruch des Johann A das Gesetz in der Bestimmung des § 223 (Abs. 2) StGB Dieses Urteil sowie alle darauf beruhenden Verfügungen und Beschlüsse, insbesonders die Endverfügung ON 25, der Widerruf der bedingten Strafnachsicht ON 29 und der Beschluß vom 10. August 1982, ON 32, werden aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Gründe:
Aus den Akten AZ 3 d E Vr 8.953/81 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ergibt sich folgender Sachverhalt:
Nach einem Bericht der Zollwachabteilung Neuhaus am Inn wies sich der am 2. Oktober 1954 geborene Hilfsarbeiter Johann A am 13. Mai 1981 bei der Grenzkontrollstelle in Neuhaus am Inn mit einem von der Bundespolizeidirektion Wien ausgestellten Reisepaß aus, in dem ua das Paßbild keinen Stempel aufwies. Dieses Bild zeigte allerdings den Ausweisinhaber (S 7), der erklärte, er habe das ursprüngliche Bild aus dem Reisepaß entfernt, weil er es für einen Straßenbahnausweis benötigte, und am 11. Mai 1981, als er beruflich nach Deutschland reisen mußte, ein neues Bild in den Reisepaß geklebt (S 8).
Die Staatsanwaltschaft Ried i.I. stellte daraufhin gegen Johann A Strafantrag wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach dem § 224 (§ 223 Abs. 2) StGB (ON 3).
Nach Delegierung der Strafsache an das Landesgericht für Strafsachen Wien (ON 6) wurde der Beschuldigte mit Urteil des Einzelrichters dieses Gerichtshofes vom 22. Jänner 1982, ON 24, im Sinn des Strafantrages schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Erkenntnis wurde durch einen Protokolls- und Urteilsvermerk (§ 458 Abs. 2 StPO) beurkundet, wobei der Einzelrichter von der Ermächtigung des § 488 Z 7 StPO Gebrauch machte, die im § 260 Abs. 1 Z 1 StPO genannten Angaben durch Verweisung auf den Strafantrag zu ersetzen. Der damit zum Urteilsinhalt gewordene maßgebende Teil des Tenors des Strafantrages lautet:
'Johann A hat am 13.5.1981 in Schärding dadurch, daß er den Reisepaß Nr K 0339252, den er durch Einfügen eines anderen Lichtbildes verfälscht hatte, sohin eine verfälschte inländische öffentliche Urkunde, dadurch, daß er sie anläßlich seiner Ausreise am Grenzübergang Neuhaus zum Nachweis seiner Identität vorwies, im Rechtsverkehr gebraucht'.
Rechtliche Beurteilung
Dieses am 26. Jänner 1982 in Rechtskraft erwachsene Urteil (ON 25) steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Verfälscht im Sinn des § 223 StGB wird eine echte Urkunde, wenn der Täter ihren gedanklichen Inhalt unbefugt abändert und zugleich den Anschein erweckt, als stamme der jetzige Inhalt vom Aussteller (vgl Kienapfel, ZVR 1977, S 280 und darauf bezugnehmend SSt 50/6; neuerlich Kienapfel ZVR 1982, S 144; Wiener Kommentar, RZ 187 zu § 223; RZ 48
zu § 224 StGB; Steininger, Bezauer Tage, Strafrecht 1979, S 159). Maßgebend für die Verfälschung einer Urkunde ist daher im Regelfall die (tätergewollte) Änderung des gedanklichen Inhalts und die Verschleierung der Identität des Ausstellers durch die Inanspruchnahme des Ausstelleranscheins.
Ob die inhaltliche Änderung wesentlich ist oder nicht oder ob damit entgegen einem unrichtigen (oder unrichtig gewordenen) Urkundeninhalt Wahres beurkundet werden soll, bleibt unerheblich. Geht man von diesem Begriffsinhalt aus, dann erweist sich, daß das angefochtene Urteil einer für die Bejahung des Tatbestandsmerkmals 'verfälscht' ausreichenden Sachverhaltsdarstellung bzw Beschreibung der Tatumstände (§ 260 Abs. 1 Z 1 StPO) entbehrt.
Der Schutzzweck der § 223, 224 StGB betrifft die Richtigkeit des gedanklichen Inhalts einer im Rechtsverkehr zu gebrauchenden öffentlichen Urkunde. Somit genügt es nicht, das als Verfälschung qualifizierte strafbare Verhalten im bloßen 'Einfügen eines anderen Lichtbildes' in den Reisepaß zu erblicken, wie es das Erstgericht tat. Es hätte vielmehr zunächst schon in objektiver Hinsicht der Feststellung bedurft, daß zwischen dem vom Urkundenberechtigten nachträglich eingeklebten und dem ursprünglich von der ausstellenden Behörde im Reisepaß angebrachten (den Angeklagten zum damaligen Zeitpunkt darstellenden) Lichtbild keine inhaltliche Identität bestehe. Denn erst dann ist das vom Gesetzgeber geschützte Vertrauen in die Wahrheit bzw Zuverlässigkeit der Urkunde - bezogen auf ihre Gesamtaussage im Zeitpunkt der Errichtung -, anders als beim unbefugten Anbringen desselben Bildes bzw eines Bildes aus derselben Paßbildserie, aus der auch die der Behörde überlassenen Fotografien stammen, nicht mehr im uneingeschränkten, von der Behörde gewollten ('gedanklichen') Umfang gewährleistet. Der weitergehenden (insbesonders auf Kienapfel in ZVR 1982, S 144 gestützten) Auffassung der Generalprokuratur, unabhängig von dem der Behörde bekannten (bzw leicht rekonstruierbaren) ursprünglichen Originalzustand der (aus Text und Lichtbild zusammengesetzten) Urkunde auch in der unbefugten späteren Einfügung eines der Ausstellungsbehörde nicht bekannten, vom dort amtlich verwahrten Zweitbild - unter Umständen erheblich - abweichenden (und allenfalls zu Identifizierungsschwierigkeiten führenden) Lichtbildes schon objektiv keine Verfälschungshandlung zu erblicken, sofern dieses Bild den Urkundenberechtigten darstelle, kann nicht gefolgt werden. Da die sich in der Verweisung auf den Strafantrag erschöpfende Sachverhaltsdarstellung im vorzitierten Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien darüberhinaus nicht erkennen läßt, ob das 'andere' Lichtbild in den Reisepaß auf eine Art (nachträglich) eingefügt wurde, die den Anschein erweckte, die Einfügung sei von der (zuständigen) Behörde vorgenommen worden, und ob - zutreffendenfalls -
auch diese Umstände vom Vorsatz des Täters umfaßt waren, ist das Urteil wegen der aufgezeigten inhaltlichen Mängel der Tatbeschreibung in der Frage des Tatbestandsmerkmals des 'Vefälschens' mit Nichtigkeit im Sinn der Z 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO behaftet und verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 223 (Abs. 2) StGB Diese Gesetzesverletzung war daher festzustellen, das Urteil insoweit - einschließlich der darauf beruhenden Verfügungen und Beschlüsse - in Stattgebung der gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Beschwerde der Generalprokuratur aufzuheben und die Erneuerung des mit den angeführten Mängeln behafteten Verfahrens anzuordnen.
In die von der Generalprokuratur angeregte sofortige Sachentscheidung konnte nicht eingetreten werden, weil der Oberste Gerichtshof die dargelegten, nach seiner Auffassung für eine abschließende rechtliche Beurteilung der Sache erforderlichen (Tatsachen-)Feststellungen nicht nachholen kann.
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