OGH 11Os163/02

OGH11Os163/0211.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Februar 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Trauner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Daniel B***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG und des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 15. April 2002, GZ 20 Vr 665/99-37, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiss, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Daniel B***** wegen §§ 28 Abs 2 und 27 Abs 1 SMG, AZ 20 Vr 665/99 des Landesgerichtes Feldkirch, wurde das Gesetz verletzt

1) dadurch, dass der Beschluss auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht vom 15. April 2002, ON 37, vom Vorsitzenden des Schöffengerichtes statt dem funktionell zuständigen Drei-Richter-Senat gefasst wurde, in der Bestimmung des § 495 Abs 1 StPO iVm § 13 Abs 3 StPO, und

2) durch die Unterlassung der Anhörung des Verurteilten vor Fassung dieses Beschlusses, in der Bestimmung des § 495 Abs 3 StPO. Der zu 1) bezeichnete Beschluss wird aufgehoben und dem Landesgericht Feldkirch aufgetragen, in Ansehung des Widerrufsantrages der Staatsanwaltschaft gesetzmäßig vorzugehen.

Der Verurteilte wird mit seiner Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Jugendschöffengericht vom 20. August 1999, GZ 20 Vr 665/99-14, wurde der am 28. Juni 1980 geborene Angeklagte Daniel B*****, wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG und des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten sowie zu einer Geldstrafe verurteilt (§ 43a Abs 2 StGB). Zugleich erteilte das Gericht dem Angeklagten gemäß §§ 50 und 51 StGB die Weisung, sich einer Suchtberatung bei einer anerkannten Einrichtung zu unterziehen und dem Gericht regelmäßig darüber zu berichten.

Nachdem Daniel B***** trotz förmlicher Mahnung iSd § 53 Abs 3 StGB (ON 31) die ihm aufgetragenen Betreuungstermine ab Juli 2001 nur noch unregelmäßig und ab Jahresanfang 2002 überhaupt nicht mehr wahrgenommen hatte, verfügte das Landesgericht Feldkirch durch den Vorsitzenden des Schöffengerichtes über Antrag der Staatsanwaltschaft (AS 204) ohne vorherige Anhörung des Verurteilten mit Beschluss vom 15. April 2002, GZ 20 Vr 665/99-37, den Widerruf der Daniel B***** (in Ansehung der dreimonatigen Freiheitsstrafe) gewährten bedingten Strafnachsicht.

Gegen diesen, ihm am 22. April 2002 durch Hinterlegung zugestellten Beschluss erhob Daniel B***** erst am 16. Mai 2002, sohin nach Ablauf der 14-tägigen Rechtsmittelfrist des § 498 Abs 2 zweiter Satz StPO, Beschwerde (vgl AS 212, 213), über die bisher nicht entschieden wurde.

Rechtliche Beurteilung

Die zum Widerrufsbeschluss vom 15. April 2002 führenden Vorgänge verletzen, wie der Generalprokurator in seiner deswegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, in zweifacher Hinsicht zum Nachteil des Verurteilten (§ 292 letzter Satz StPO) das Gesetz.

Zur Entscheidung über den Widerruf einer in einem schöffengerichtlichen Verfahren gewährten bedingten Strafnachsicht ist, sofern sie nicht gemäß § 494a StPO erfolgte, sondern vom seinerzeit erkennenden Gericht getroffen wird (§ 495 Abs 1 StPO), gemäß § 13 Abs 3 StPO der Drei-Richter-Senat berufen. Vorliegendenfalls wurde dagegen der Widerrufsbeschluss vom Vorsitzenden des Schöffengerichtes allein, somit von einem funktionell unzuständigen Richter gefasst.

Zudem unterblieb (abgesehen von der verabsäumten Einholung einer neuen Strafregisterauskunft) die nach § 495 Abs 3 StPO vorgesehene Anhörung des Verurteilten zum Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft, welcher Verpflichtung schon durch dessen bloße Vorladung zur Anhörung entsprochen gewesen wäre (NRsp 1992/277). Anhaltspunkte dafür, dass von der Anhörung des Verurteilten lediglich deshalb abgesehen wurde, weil sie ohne unverhältnismäßigem Aufwand nicht durchführbar gewesen wäre (§ 495 Abs 3 zweiter Satz StPO), sind nicht ersichtlich. Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher Folge zu geben und, weil sich die aufgezeigten Gesetzesverletzungen zum Nachteil des Verurteilten auswirkten, der Widerrufsbeschluss aufzuheben und dem Landesgericht Feldkirch aufzutragen, in Ansehung des Antrags der Staatsanwaltschaft Feldkirch gesetzmäßig vorzugehen (wobei insbesondere der im Hinblick auf § 49 zweiter Satz StGB noch zu überprüfende Ablauf der Widerrufsfrist des § 56 StGB zu beachten wäre).

Der Verurteilte war mit seiner Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss auf diese Entscheidung zu verweisen.

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