Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden die österreichischen Staatsbürger Alfred Sch***** und Eman A***** des Vergehens des Quälens unmündiger und jüngerer Personen nach § 92 Abs 1 StGB sowie des Verbrechens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und 2 StGB schuldig erkannt.
Darnach haben Alfred Sch***** und Eman A***** in Wien
I./ ihrem minderjährigen Kind bzw Stiefkind Richard Sch*****, geboren 16. August 1982, somit einer Person, die ihrer Fürsorge bzw Obhut untersteht und das 18.Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, körperliche und seelische Qualen zugefügt, und zwar
1./ Alfred Sch***** am 29.Juni 1995 durch Versetzen von Schlägen mit den Fäusten sowie durch Fesseln der Hände mit einer Schnur und am 30. Juni 1995 durch Fesseln der Hände und Beine mit Gürteln;
2./ Eman A***** am 30.Juni 1995 durch Versetzen von Schlägen mit einem Ledergürtel und durch Fesseln der Hände und Beine mit Gürteln;
II./ am 30.Juni 1995 Richard Sch***** dadurch, daß sie ihn mit Gürteln an Händen und Beinen fesselten, Eman A***** ihn ca fünf Stunden und in der Folge Eman A***** und Alfred Sch***** gemeinsam ca 1 Stunde gefesselt ohne Nahrung und Wasser in der Wohnung einsperrten, widerrechtlich auf solche Weise die persönliche Freiheit entzogen, daß die Freiheitsentziehung dem Festgehaltenen besondere Qualen bereitete.
Rechtliche Beurteilung
Nur gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens der Freiheitsentziehung richten sich die gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten aus den Nichtigkeitsgründen der Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO; die Beschwerden sind jedoch nicht berechtigt.
In ihrer Subsumtionsrüge (Z 10) machen die Beschwerdeführer geltend, die Qualifikation nach § 99 Abs 2 StGB erfordere, daß durch die Freiheitsentziehung oder deren Aufrechterhaltung eine länger währende, erhebliche physische oder psychische Beeinträchtigung des Opfers bewirkt wird. Nach Lage des Falles habe aber die Freiheitsentziehung dem Opfer keine besonderen Qualen bereitet; auch läge keine länger währende Freiheitsentziehung vor.
Die Dauer einer Freiheitsentziehung ist zunächst für das Grunddelikt insofern relevant, als sie ein gewisses Ausmaß erreichen muß, um jedenfalls dem Opfer die Entziehung der Freiheit bewußt zu machen (Leukauf/Steininger Komm3 § 99 RN 8 und 9). Eine zumindest über einige Stunden (nach dem Beschwerdevorbringen mindestens 2 1/2 Stunden) währende Freiheitsbeschränkung wird diesem Erfordernis jedenfalls gerecht, weil je nach den Umständen des Falles bereits einige Minuten für die Herstellung des Tatbestandes genügen können (Leukauf/Steininger aaO RN 8 a).
Für die Qualifikation der Bereitung von besonderen Qualen ist die zeitliche Komponente nur insoweit von Bedeutung, als eine erhebliche Intensität der physischen und/oder psychischen Beeinträchtigung mit einer gewissen Dauer dieses Zustandes zusammentreffen muß, sodaß das Opfer dadurch insgesamt außergewöhnlich belastet ist (Burgstaller in WK § 84 Rz 53).
Nach den unbestrittenen Urteilsannahmen hat der Angeklagte Alfred Sch***** am 29.Juni 1995 seinen 13-jährigen Sohn Richard Sch***** durch Schläge mit den Fäusten am Körper verletzt. Eman A***** hat am 30. Juni 1995 ihrem Stiefkind durch Versetzen von Schlägen mit einem Ledergürtel Körperverletzungen zugefügt (Urteilsfakten I./1./ und 2./). Danach hat sie dem Kind durch Fesselung über mehrere Stunden die persönliche Freiheit entzogen. Der Angeklagte Alfred Sch***** hat sodann nach kurzer Aufhebung der Fesselung das Kind wiederum an Händen und Füßen gefesselt und es - gemeinsam mit seiner Ehegattin - in der Wohnung für ca. eine Stunde (allein) ohne Nahrung und Wasser eingesperrt, wodurch dem Kind neuerlich die Freiheit entzogen wurde. Durch die Schläge beider Angeklagten wurden Körperverletzungen verursacht, deren Grad bereits an sich schwer war und die zu einer Gesundheitsschädigung von mehr als 24 Tagen führten. Das angstauslösende Alleinlassen in einer Wohnung in gefesseltem und infolge der Verletzungen schmerzvollen Zustand über einen längeren Zeitraum, stellt aber eine Freiheitsentziehung auf solche Weise dar, die einem 13-jährigen Kind besondere Qualen bereitet.
Dem Schöffengericht ist daher kein Fehler in der rechtlichen Beurteilung unterlaufen.
Unter den angeführten rechtlichen Prämissen erweisen sich auch die Ausführungen der Beschwerdeführer in ihrer Mängelrüge (Z 5) als unbegründet. Zwar ist ihnen zuzugestehen, daß dem Erstgericht in der genauen zeitlichen Einordnung (allenfalls auch aufgrund von Schreibfehlern) ein Irrtum unterlaufen ist, zumal nach den übereinstimmenden Angaben der Angeklagten die Fesselung des Richard Sch***** am 30.Juni 1995 zunächst um ca 14.00 Uhr für rund eine Stunde aufgehoben wurde und die Polizei bereits kurz nach 16.00 Uhr zur Befreiung des Kindes einschritt, doch stellt die zeitmäßig genaue Festlegung keine für die Schuldfrage oder den anzuwendenden Strafsatz entscheidende Tatsache dar. Denn nach den auf die Geständnisse der Angeklagten gestützten Urteilsannahmen steht fest, daß Richard Sch***** am 30.Juni 1995 nach seiner Rückkehr von der Schule um ca
8.30 Uhr von Eman A***** geschlagen und dann über einige Stunden gefesselt im Kinderzimmer festgehalten wurde. Nach einer Unterbrechung um 14.00 Uhr wurde er schließlich neuerlich zumindest über eine Stunde bis zum Eintreffen von Polizei und Feuerwehr seiner persönlichen Freiheit beraubt. Allein diese mehrere Stunden andauernde Freiheitsbeschränkung ist für die rechtliche Qualifikation maßgeblich, nicht aber der genaue jeweilige Zeitpunkt des Tatablaufes.
Wenn die Beschwerdeführer unter demselben Nichtigkeitsgrund (Z 5) weiter vorbringen, es läge keine Begründung für den Vorsatz der Angeklagten in Richtung § 99 Abs 2 StGB vor, so ist ihnen zu erwidern, daß die Tatrichter durchaus denkrichtig und im Einklang mit der allgemeinen und insbesondere der forensischen Erfahrung stehend sowie aufgrund der geständigen Verantwortung beider Angeklagten aus den objektiven Tathandlungen den Vorsatz auf Freiheitsentziehung unter Herbeiführung besonderer Qualen abgeleitet haben.
Eine von den Beschwerdeführern desgleichen bemängelte Urteilskonstatierung dahin, daß die zweite Fesselung vom 30.Juni 1995 durch beide Angeklagten erfolgte, hat das Erstgericht nicht getroffen. Vielmehr geht der Schöffensenat insoweit beschwerdekonform davon aus, daß die Fesselung der Erstangeklagte vornahm, daß aber beide Angeklagten in der Folge das gefesselte Opfer in der versperrten Wohnung allein ließen (US 8).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen.
Aber auch den Berufungen kommt keine Berechtigung zu.
Das Schöffengericht wertete bei der Strafbemessung bei beiden Angeklagten das Zusammentreffen eines Vergehes mit einem Verbrechen und die Tatwiederholung, als mildernd das reumütige Geständnis und den bisherigen ordentlichen Lebenswandel. Ausgehend davon hielt es eine Freiheitsstrafe in der Dauer von je 18 Monaten für tatschuldangemessen und lehnte aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen die Gewährung bedingter oder teilbedingter Strafnachsicht ab.
Auf der Basis der Urteilsfeststellungen bleibt für die Annahme, die Angeklagte Emam A***** habe sich lediglich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zur Tat hinreißen lassen (§ 34 Z 8 StGB) kein Raum. Dieser von der Berufung reklamierte zusätzliche Milderungsgrund kommt ihr daher nicht zugute. Die zwar zu Unrecht als erschwerend gewertete Wiederholung ändert nichts daran, daß der gesamte Unrechtsgehalt der Tat vom erkennenden Gericht zutreffend beurteilt und auf der Basis der im übrigen zutreffenden Strafbemessungsumstände auch eine täterschuldadäquate Strafe ausgemittelt wurde, so daß der von der Berufung begehrten Strafreduktion nicht näher getreten werden konnte. Der Oberste Gerichtshof schließt sich aber auch zur Frage der Gewährung bedingter oder teilbedingter Strafnachsicht den Erwägungen des Erstgerichtes an, weil gerade bei den urteilsgegenständlichen Delikten dem Gedanken der positiven Generalprävention besondere Bedeutung zukommt, es aber auch aus spezialpräventiver Sicht zur Erreichung der Strafzwecke erforderlich erscheint, die gesamte Freiheitsstrafe zu vollziehen (Leukauf/Steininger aaO § 43 RN 7-10).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.
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