European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:E33649
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Urteil wurde der am 25. Mai 1963 geborene Robert S* des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach den §§ 15, 201 Abs 1 und Abs 3, erster Fall, StGB schuldig erkannt.
Darnach liegt ihm zur Last, am 27. Jänner 1993 in L* Gabriele B* mit schwerer, gegen sie gerichteter Gewalt, nämlich durch Würgen bis zur Benommenheit und Versetzen von Faustschlägen gegen Gesicht und Körper, sowie gegen sie gerichteter Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib und Leben, nämlich durch die Äußerung, er werde sie umbringen, zur Vornahme des Beischlafs zu nötigen versucht zu haben, wobei die Tat eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung sowie eine an sich schwere Körperverletzung, nämlich Verletzungen an Ober- und Unterlippe, verbunden mit einer Läsion zweier Zähne (Wurzelfraktur, Zahnabsplitterung), Hämatome an der rechten Brust und den Kniegelenken, eine Schädelprellung und Prellungen in der Schlüsselbeingegend sowie Hautabschürfungen und Schwellungen im Gesicht, zur Folge hatte. In dem diesem Schuldspruch zugrundeliegenden Wahrspruch hatten die Geschwornen (jeweils stimmeneinhellig) die Hauptfrage (nach dem Verbrechen der versuchten Vergewaltigung) bejaht und die dazu gestellte Zusatzfrage in Richtung Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) verneint. Folgerichtig entfiel die Beantwortung der Eventualfrage (nach dem Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung).
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Gründe der Z 6, 8, 10a, 11 lit. a und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Einen Verstoß gegen eine Vorschrift über die Fragestellung, nämlich gegen § 313 StPO, erblickt der Beschwerdeführer im Rahmen der Ausführungen zur Z 6 in der Unterlassung einer Zusatzfrage nach dem Strafaufhebungsgrund des (freiwilligen) Rücktritts vom Versuch (§ 16 StGB). Dies jedoch aus folgenden Erwägungen zu Unrecht:
Eine Zusatzfrage nach einem Strafaufhebungsgrund ist gemäß § 313 StPO nur dann zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht wurden, die - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die Aufhebung der Strafbarkeit zur Folge hätten. Anhaltspunkte hiefür sind der Niederschrift über die Hauptverhandlung nicht zu entnehmen. Nach dem Inhalt des darüber aufgenommenen Protokolls bekannte sich der Angeklagte schuldig, verwies auf seine früheren - keineswegs eine freiwillige Aufgabe des Tatentschlusses indizierenden - Angaben (231) und verweigerte weitere Einlassungen zum Tathergang (241); weiters gelangten die vom Angeklagten global als richtig zugestandenen (241) Angaben des Tatopfers Gabriele B* zur Verlesung, wonach der Angeklagte bei Eintreffen der Polizei von ihr abließ und davonrannte (244 iVm - insbesondere - 16 oben, 26 und 56 oben sowie der damit im Einklang stehende in der Hauptverhandlung gleichfalls verlesene [244, 265] mit diesen Angaben übereinstimmende Inhalt der polizeilichen Meldung [15] und der Aussage der Zeugin Ingrid W* [54]). Die nach Ansicht des Beschwerdeführers Indizien für seine freiwillige Abstandnahme von der weiteren Tatausführung enthaltenden Zeugenaussagen der Polizeibeamten Rev.Insp. Thomas P* und Rev.Insp. Friedrich E* (249 f bzw. 251 f) lassen zwar die Annahme zu, daß der Angeklagte und sein Opfer bei Eintreffen der Polizei nicht mehr auf dem Boden gelegen, sondern schon gestanden sein könnten (250 zweiter Absatz, 252 Mitte), sind aber nicht einmal andeutungsweise dahin zu interpretieren, daß der Angeklagte seine auf Erzwingung des Beischlafs abzielenden Gewalttätigkeiten bereits von sich aus - und nicht erst als Reaktion auf die Polizeiintervention - eingestellt hätte (vgl. dazu insbesondere auch die Aussagen des Zeugen RevInsp. Thomas P*, derzufolge bei seinem Eintreffen der Angeklagte und die Zeugin B* "gerauft" hätten, wobei sich letztere gewehrt habe). Nach diesem als Ergebnis der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung vorliegendem Sachverhaltssubstrat war die Stellung der vom Beschwerdeführer vermißten Zusatzfrage nicht indiziert, ihre Unterlassung vermochte den Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 6 StPO daher nicht zu verwirklichen.
Konsequenterweise unterblieb auch jegliche Rechtsbelehrung über die Voraussetzungen der Strafaufhebung zufolge Rücktritts vom Versuch. Die insoweit vom Beschwerdeführer erhobene Instruktionsrüge (Z 8) ist daher schon deswegen nicht berechtigt, weil gemäß § 321 Abs 2 StPO die Rechtsbelehrung nur zu tatsächlich gestellten Fragen zu erteilen und nur in diesem Umfang auch anfechtbar ist (Mayerhofer‑Rieder, StPO3 E 20 f zu § 345 Abs 1 Z 8).
Soweit der Angeklagte in der Tatsachenrüge (Z 10 a) auf seinen auf der (vermeintlichen) Grundlage der Zeugenaussagen der Polizeibeamten P* und E* reklamierten freiwilligen Rücktritt vom Versuch der Vergewaltigung hinweist, bringt er den genannten Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Ausführung, weil darnach nur erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschwornen festgestellten entscheidenden Tatsachen aufgezeigt werden können. Zufolge des - nach den voranstehenden Ausführungen zur behaupteten Urteilsnichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 6 StPO durchaus prozeßordnungsgemäßen - Unterbleibens einer auf den Strafaufhebungsgrund nach § 16 StGB bezugnehmenden Zusatzfrage konnte es zu einer derartigen Tatsachenfeststellung seitens der Geschwornen überhaupt nicht kommen. Die ebenfalls unter diesem Gesichtspunkt (Z 10 a) behauptete Unvereinbarkeit der nach dem gerichtsärztlichen Sachverständigengutachten (255) nur drei Tage währenden Berufsunfähigkeit mit einer über 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung liegt angesichts der unterschiedlichen Voraussetzungen für die Verwirklichung der Qualifikationen nach § 84 Abs 1 nicht vor. Berufsunfähigkeit bedeutet nämlich, daß der Betroffene überhaupt oder doch nicht ohne unzumutbare Erschwernisse in der Lage ist, die mit der Ausübung seines Berufes verbundenen wesentlichen Tätigkeiten zu verrichten. Für die Dauer der Gesundheitsschädigung kommt es hingegen weder auf die Dauer der Berufsunfähigkeit noch (allein) auf die Heilungsdauer, sondern auf den Fortbestand einer pathologischen Veränderung des Körpers an (siehe dazu insbesondere Leukauf‑Steininger Komm3 § 84 RN 5 und 6 iVm § 83 RN 9 und 10 zu § 83). Eine allenfalls nur dreitägige Berufsunfähigkeit des Tatopfers vermag daher Bedenken gegen die im Wahrspruch in Ansehung der Dauer der Gesundheitsschädigung getroffene Annahme nicht zu begründen. Davon abgesehen ist die damit aufgeworfene Frage weder für die rechtliche Unterstellung der Tat, noch für die Anwendung eines bestehenden Strafsatzes entscheidend, weil sich die Qualifikation nach § 201 Abs 3, erster Fall, StGB schon aus der Annahme einer an sich schweren Verletzung ergibt.
Mit der Behauptung, der verfahrensgegenständliche Schuldspruch beruhe auf einem Wahrspruch, der keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite enthalte, ist der Beschwerdeführer darauf zu verweisen, daß nach herrschender Rechtsprechung die kraft Gesetzes (§ 7 Abs 1 StGB) unterstellte innere Tatseite - wenn der Tatbestand nicht eine besondere Vorsatzform (§ 5 Abs 2 oder Abs 3 StGB) verlangt, nicht in die Fragestellung aufgenommen und daher auch nicht (ausdrücklich) im Wahrspruch der Geschwornen festgestellt werden muß (siehe dazu Mayerhofer‑Rieder aaO E 21, 22 zu § 312). Dies gilt natürlich auch für das Verbrechen der Vergewaltigung und umsomehr, als ein fahrlässiges Pendant zu diesem Vorsatzdelikt nicht vertypt und eine nicht vorsätzliche Sachverhaltsverwirklichung für den juristischen Laien auch nicht vorstellbar ist. Vorliegend wurde zudem am Ende der Rechtsbelehrung zur Hauptfrage (331 unten) darauf hingewiesen, daß an Hand der im Rahmen der Rechtsbelehrung erläuterten Kriterien für die Strafbarkeit des Versuchs zu beurteilen sei, ob der Versuch einer Vergewaltigung vorliege. In den betreffenden Erläuterungen (315 iVm 305 ff) wurde überdies ausdrücklich auf das Vorsatzerfordernis eingegangen. Es waren sohin weder die Fragestellung noch die Rechtsbelehrung in concreto oder auch nur in abstracto geeignet, die Geschwornen über die subjektive Tatseite der dem Angeklagten vorgeworfenen strafbaren Handlung in Irrtum zu führen. Vielmehr haben die Geschwornen durch Bejahung der Hauptfrage auch ihre Annahme eines auf tatbestandsmäßige Sachverhaltsverwirklichung gerichteten Wollens des Angeklagten eindeutig zum Ausdruck gebracht haben. Damit haftet dem Schuldspruch aber auch dieser behauptete materiell‑rechtliche Nichtigkeitsgrund nicht an.
Der weiteren Rechtsrüge (Z 12), derzufolge die bei Gabriele B* eingetretenen Tatfolgen zu Unrecht als an sich schwere Körperverletzung qualifiziert worden seien, könnte überhaupt nur dann Erfolg beschieden sein, wenn sich der reklamierte Rechtsirrtum schon aus dem Inhalt des Wahrspruchs selbst, also den darin getroffenen Feststellungen über Umfang und Grad der Verletzungen, ergäbe. Dies trifft jedoch nicht zu. Die Geschwornen haben nämlich als Tatfolgen bei Gabriele B* eine Vielzahl von erheblichen und umfangreichen Verletzungen festgestellt, gegen deren Beurteilung - in ihrer Gesamtheit als an sich schwer keine rechtlichen Bedenken bestehen (255).
Der gleichfalls unter dem Gesichspunkt der Z 12 des § 345 Abs 1 StPO behauptete Mangel an Feststellungen im Wahrspruch darüber, worin die länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung gelegen sei, vermag weder einen formellen noch einen materiellen Nichtigkeitsgrund zu begründen. Die Art der von Gabriele B* erlittenen Gesundheitsschädigungen ergibt sich aus der ausführlichen Beschreibung ihrer Körperverletzungen; einer Begründung der hiezu getroffenen Feststellung einer mehr als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung - also der Fortdauer wenigstens eines Teiles dieser pathologischen Veränderungen über den genannten Zeitraum hinaus - bedurfte es deswegen nicht, weil Gegenstand des Wahrspruchs nicht die Angabe von Gründen für eine darin getroffene - für die rechtsrichtige Beurteilung ausreichende - Annahme ist. Daß schon aus dem - bei Prüfung der Subsumtion im Nichtigkeitsverfahren allein zu berücksichtigenden (neuerlich Mayerhofer‑Rieder aaO E 7 zu § 345 Abs 1 Z 11 lit. a) - Inhalt des Wahrspruchs ein materiell‑rechtlicher Fehler hervorgeht, hat der Beschwerdeführer aber nicht darzutun vermocht.
Die nur teilweise gesetzmäßig ausgeführte, insoweit jedoch inhaltlich nicht berechtigte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war sohin zu verwerfen.
Bei der Strafbemessung hat das Geschwornengericht als erschwerend angenommen, daß der Angeklagte bereits mehrfach einschlägig vorbestraft ist und daß er bei der Tat als Nötigungsmittel sowohl schwere Gewalt als auch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben eingesetzt hat. Als mildernd hingegen wurde sein umfassendes und reumütiges Geständnis sowie der Umstand berücksichtigt, daß es beim Versuch der Tat geblieben ist. Ausgehend davon hielt es eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren für tatschuldangemessen.
Diesen Strafausspruch bekämpfen sowohl der Angeklagte als auch - zu dessen Nachteil - die Staatsanwaltschaft jeweils mit Berufung. Keinem dieser Rechtsmittel kommt jedoch Berechtigung zu.
Entgegen dem Vorbringen des Angeklagten läßt sein zielgerichtetes Vorgehen die Tat nicht als unbesonnen im Sinne der Z 7 des § 34 StGB erscheinen; zu Unrecht beschwert erachtet sich der Angeklagte aber auch durch die Urteilserwägung, wonach ihm auf Grund seines bisherigen Gesamtverhaltens der Genuß des berauschenden Mittels den Umständen nach in einem Maße vorgeworfen werden muß, das die dadurch bedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit gemäß § 35 StGB aufwiegt und damit nicht mildernd wirkt. Auch die Annahme des Erschwerungsumstandes der mehrfachen Qualifikation (die der Sache nach unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 13 des § 345 Abs 1 StPO zu rügen wäre), entspricht der ständigen Judikatur (siehe dazu Leukauf‑Steininger Komm3 § 33 RN 14a) und stellt daher weder einen nichtigen noch einen unrichtigen Strafbemessungsvorgang dar. Schließlich stellt die bloße Bereitschaft zur Schadensgutmachung ebenso wenig wie das bloße Anerkenntnis eines Schadens einen Milderungsgrund dar (Leukauf‑Steininger aaO § 34 RN 23). Da sohin die Voraussetzungen für die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 Abs 1 StGB nicht vorliegen, haben die Ausführungen zur Frage der - nach dem Gesetz bei der hier aktuellen Strafdauer vorweg nicht in Betracht kommenden - bedingten Nachsicht eines Strafteiles auf sich zu beruhen.
Insgesamt zeigt sich, daß das Geschwornengericht die Strafbemessungsgründe richtig und vollständig dargestellt und richtig gewichtet hat. Dabei wurden der Sache nach auch die Argumente der Berufung der Staatsanwaltschaft, nämlich die Vordelinquenz des Angeklagten, seine Neigung zum Alkoholabusus sowie spezial- und generalpräventive Erwägungen berücksichtigt, weswegen die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe keiner der angestrebten Korrekturen zugänglich war.
Die Kostenentscheidung ist in der genannten Gesetzesstelle begründet.
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