OGH 11Os15/89

OGH11Os15/8921.3.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.März 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Iby als Schriftführer in der Strafsache gegen Gisela A*** wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach dem § 169 Abs. 2 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 28.Oktober 1988, GZ 10 Vr 395/88-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 24.Juli 1948 geborene Gastwirtin Gisela A*** des Verbrechens der Brandstiftung nach dem § 169 Abs. 2 erster Fall StGB und des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach den §§ 15, 146, 147 Abs. 3 StGB schuldig erkannt. Ihr liegt zur Last, am 29.Februar 1988 in Oberwaltersdorf (I/) an einer eigenen Sache eine Feuersbrunst verursacht und dadurch eine Gefahr für Leib oder Leben oder für das Eigentum eines Dritten in großem Ausmaß herbeigeführt zu haben, indem sie in mehreren Räumen ihres Hauses ca. 10 Liter Heizöl verschüttete und anzündete, und (II/) mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, versucht zu haben, Angestellte der Versicherungsanstalten "DER A***, Allgemeine Versicherungs-AG" und "W*** S*** Wechselseitige Versicherungs-AG" durch Täuschung über Tatsachen, indem sie fernmündlich den Brand meldete, zur Erbringung von Versicherungsleistungen, mithin zu Handlungen zu verleiten, die diese Versicherungsgesellschaften um ca. 834.000 S am Vermögen schädigen sollten.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen betrieb die Angeklagte seit Juli 1987 im Erdgeschoß des (im dicht verbauten Ortsgebiet gelegenen) Hauses Oberwaltersdorf, Fabriksstraße 35, ein Cafe und erwirtschaftete damit bis Beginn des Jahres 1988 einen Schuldenstand von ca. 2 Mill S. Das (im Obergeschoß als Wohntrakt ausgestaltete) Haus war bei der Versicherung "DER A***" aus dem Titel der Haushaltsversicherung ursprünglich bis zur Höhe von 300.000 S (im Februar 1988 erwirkte die Angeklagte eine Erhöhung der Versicherungssumme auf 400.000 S) und bei der "W*** S*** Wechselseitigen Versicherungs-AG" gegen Brand bis zu 2,644.000 S versichert. In Anbahnung ihres betrügerischen Vorhabens, ihre finanziellen Schwierigkeiten im Wege einer Brandlegung durch entsprechende Versicherungsleistungen zu überwinden, fingierte sie im Februar 1988 einen Einbruch bzw. (wiederholt) Gasgebrechen in ihrem Haus und übernachtete unter dem Vorwand eines (auf Grund von Gasdefekten) aktuellen Unfallsrisikos ab 15.Februar 1988 überwiegend (teils mit ihrem Sohn Rainer A***, teils mit ihrem damaligen Lebensgefährten Alois B***) in einer Pension in Traiskirchen. In der Nacht zum 29.Februar 1988 verschüttete sie (unter erneuter Fingierung eines Einbruchs) im Obergeschoß des Hauses ca. 10 Liter Heizöl, stellte als Zündquellen brennende Kerzenstummel auf den Boden (die auf diese Weise bewirkte "Zeitzündung" sollte ihr die Fahrt zu ihrem Quartier in Traiskirchen ermöglichen) und entfachte solcherart einen Brand, der nur infolge eines raschen Feuerwehreinsatzes nicht auf weitere Objekte übergriff und einen Sachschaden von ca. 834.000 S herbeiführte. Gisela A*** erstattete noch am selben Tag bei beiden Versicherungsunternehmen fernmündlich Schadensmeldung. Nach anfänglichem Leugnen legte die Angeklagte am 3. März 1988 vor Beamten der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich ein umfassendes Geständnis (im Sinn des angefochtenen Schuldspruchs) ab, das sie in der Hauptverhandlung jedoch (unter Hinweis auf "beharrliche" Vernehmungsmethoden und einen nervlichen Erschöpfungszustand) widerrief. Die leugnende Verantwortung der Angeklagten, zur Tatzeit in ihrem Quartier in Traiskirchen gewesen zu sein, und ihre (erst) in der Hauptverhandlung vorgebrachte Vermutung, daß infolge "eigenartiger Äußerungen" ihr damaliger Lebensgefährte Alois B*** als Täter in Betracht komme, lehnte das Erstgericht im wesentlichen mit der Begründung als unglaubwürdige Schutzbehauptung ab, daß die angebliche Druckausübung durch Vernehmungsbeamte nach deren Angaben auszuschließen sei und die Angeklagte als einzige Person in Betracht komme, die nach Lage des Falles Interesse am Ausbruch des (nach der Begutachtung durch die kriminaltechnische Zentralstelle der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit eindeutig gelegten) Brandes haben konnte.

Dieses Urteil bekämpft die Angeklagte im Schuldspruch mit einer auf die Z 4, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch - ebenso wie (zum Nachteil der Angeklagten) die Staatsanwaltschaft - mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt schon Berechtigung zu, soweit sie in der Nichterörterung der Aussage des Zeugen Rainer A***, die Angeklagte sei "die ganze Zeit bei ihm" gewesen und in der Tatnacht erst nach der Verständigung vom Brandausbruch nach Oberwaltersdorf gefahren (S 317), eine Unvollständigkeit des angefochtenen Urteils erblickt. Erstreckt sich doch die gerichtliche Begründungspflicht ungeachtet ihrer gesetzlichen Beschränkung auf eine bloß gedrängte Darstellung (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) auf eine Abwägung sämtlicher für die Lösung der Schuldfrage ausschlaggebenden Verfahrensergebnisse. Daß sie dementsprechend die Würdigung einer inhaltlich einer Alibibestätigung gleichkommenden Zeugenaussage, welcher Beweiswert dieser Aussage im Kontext mit den übrigen Verfahrensergebnissen auch immer zukommen mag, mitumfaßt, versteht sich von selbst. Damit erweist sich aber das angefochtene Urteil infolge des zutreffend gerügten formellen Begründungsmangels als nichtig.

Wenngleich sich mit Rücksicht auf die schon aus den dargelegten Erwägungen gebotene Urteilsaufhebung ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen erübrigt, bleibt vollständigkeitshalber beizufügen, daß die Abweisung des in der (letzten) Hauptverhandlung gestellten (S 336) Antrags auf "Beischaffung des Obduktionsberichtes des Zeugen Otto (richtig:) B*** zum Beweis dafür, daß dieser durch Brandlegung ums Leben gekommen ist", im Sinn der Verfahrensrüge (Z 4) nach Lage des Falles eine entscheidungswesentliche Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten bedeutete. Der erstgerichtlichen Begründung für die Ablehnung der beantragten Beweisaufnahme zuwider trifft es nämlich bei der gegebenen Fallkonstellation nicht zu, daß den Modalitäten des Ablebens des (kurz vor der letzten Hauptverhandlung verstorbenen) ehemaligen Lebensgefährten der Angeklagten für die Lösung der Schuldfrage vorweg keine denkbare Bedeutung zukommen konnte. Die dem bezüglichen Beweisantrag innewohnende Behauptung, daß Otto B*** nach den Begleitumständen seines Todes (angeblicher Selbstmord durch Verbrennen) eine spezifische Anfälligkeit für Brandlegung aufgewiesen hätte, berührt vielmehr einen tatessentiellen Sachzusammenhang, dessen Abwägung in die Würdigung der von der Angeklagten geäußerten Verdächtigung miteinzubeziehen gewesen wäre.

Da sich sohin zeigt, daß das angefochtene Urteil schon nach Maßgabe des erörterten Beschwerdevorbringens mit (formeller) Nichtigkeit behaftet und die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst jedoch noch nicht einzutreten hat, war über die Nichtigkeitsbeschwerde in nichtöffentlicher Sitzung spruchgemäß zu erkennen.

Mit ihren zufolge Kassierung auch des Strafausspruches gegenstandslos gewordenen Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und die Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte