Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Marco G***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 15. Dezember 2014 in K***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben und unter Verwendung einer Waffe eine fremde bewegliche Sache, nämlich Bargeld in unbekanntem Wert, mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, abzunötigen versucht, indem er eine Gaspistole gegen die Kellnerin des Cafe A***** Nicole E***** richtete und sie durch die Worte „Überfall, Geld her!“ aufforderte, ihm Bargeld zu geben, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil die Genannte laut zu schreien begann und G***** die Flucht ergriff.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) ‑ im Sinn mangelnder Eindeutigkeit ‑ liegt vor, wenn den Feststellungen des Urteils nicht klar zu entnehmen ist, welche entscheidenden Tatsachen das Gericht als erwiesen angenommen hat und aus welchen Gründen dies geschehen ist. Dazu ist stets die Gesamtheit der Entscheidungsgründe in den Blick zu nehmen (RIS-Justiz RS0089983, RS0117995).
Keine oder eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) liegt vor, wenn für den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache entweder überhaupt keine oder nur solche Gründe angegeben sind, aus denen sich nach den Grundsätzen folgerichtigen Denkens und der allgemeinen Lebenserfahrung ein Schluss auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen lässt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist (RIS‑Justiz RS0099413).
Aktenwidrig (Z 5 letzter Fall) sind die Entscheidungsgründe, wenn sie den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder einer Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergeben, mit anderen Worten: wenn sich im Urteil ein falsches Zitat aus den Akten findet (vgl RIS‑Justiz RS0099547). Die Richtigkeit von auf freier Beweiswürdigung beruhenden Schlüssen kann unter dem Gesichtspunkt der Aktenwidrigkeit hingegen nicht angefochten werden (RIS‑Justiz RS0099524).
Einen Begründungsmangel im aufgezeigten Sinn vermag der Beschwerdeführer nicht darzutun, indem er kritisiert, das Erstgericht habe im Zusammenhang mit den Annahmen zur Abstandnahme von der Tatvollendung wegen ‑ aufgrund der Flucht der Kellnerin in die Küche und der Anwesenheit eines weiteren Gastes (US 5, 8 f) ‑ erkannter Aussichtslosigkeit des Tatplans aus einem früheren Lokalbesuch des Angeklagten abgeleitet, er sei mit den Gepflogenheiten im Lokal (Fehlen einer Kassa; bloßes Mitführen einer Geldtasche durch die Kellnerin) vertraut gewesen (US 9). Mit dem Vorbringen, bei dieser Schlussfolgerung handle es sich um eine „unhaltbare Vermutung“, „substratlose Spekulation“ sowie eine „völlig lebensfremde“, „tendenziöse“, „willkürliche“, „haltlose“ und „offenbar unzureichende“ Begründung, wird vielmehr ‑ auf im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Weise ‑ die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer Schuldberufung angegriffen.
Ebensowenig stellt es eine „unstatthafte“ oder „willkürliche“ Vermutung zum Nachteil des Angeklagten oder eine „Scheinbegründung“ (Z 5 vierter Fall) dar, wenn die Tatrichter „ohne Zweifel“ davon ausgingen, dass der Angeklagte im Hinblick auf die Flucht der Kellnerin, das Fehlen einer Kassa im Lokal und die Anwesenheit eines weiteren Gastes die Unmöglichkeit der Tatvollendung erkannte, wobei sie auf einen früheren Besuch des Angeklagten im Lokal und auf die als glaubwürdig bewertete Aussage der Zeugin E***** verwiesen, der Angeklagte habe aufgrund seines Standorts einen guten Überblick über die örtlichen Gegebenheiten gehabt (US 8 f).
Indem der Beschwerdeführer diesen Erwägungen des Erstgerichts an mehreren Stellen des Rechtsmittels unter Berufung auf den bloß einmaligen Vorbesuch im Lokal, ein „Überwachungsvideo“, die Kürze des Tatgeschehens, seine langjährige Suchtmittelabhängigkeit und seine Beeinträchtigung zum Tatzeitpunkt (US 5: durch Alkohol und Benzodiazepine in einem die Zurechnungsfähigkeit nicht aufhebenden Ausmaß) eigene Überlegungen gegenüberstellt, versucht er abermals bloß (unzulässig) die Beweiswürdigung der Tatrichter anzugreifen, ohne einen Begründungsmangel im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO aufzuzeigen.
Dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat sich das Erstgericht mit der leugnenden Verantwortung des Angeklagten hinreichend auseinandergesetzt, er habe in einer „Kurzschlussreaktion“ gehandelt, sei zur Tatzeit unter dem Einfluss von Medikamenten und Alkohol gestanden, sei „weit von der Theke entfernt“ gewesen und habe hinter dieser eine Kassa wahrgenommen (US 7 ff). Mit der „Gefühlslage“ des Angeklagten vor und während der Tatausführung mussten sich die Tatrichter nicht auseinandersetzen.
Der unter Hinweis auf ein - im Übrigen nicht durch Angabe der Fundstelle in den Akten (RIS‑Justiz RS0124172) konkret bezeichnetes - „Video der Überwachungskamera“ erhobene Einwand von Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) geht schon im Ansatz fehl. Denn das Urteil bezieht sich an keiner Stelle auf solche Aufnahmen, weshalb insoweit auch kein „Fehlzitat“ vorliegen kann (RIS‑Justiz RS0099547). Die Angaben des Angeklagten in Bezug auf seinen Standort im Lokal („weit von der Theke entfernt“) wiederum wurden im Urteil ohnehin aktenkonform wiedergegeben (US 8).
Ebenso unberechtigt ist das weitere Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter und letzter Fall) in Bezug auf die Erwägungen der Tatrichter zur leugnenden Verantwortung des Angeklagten und dessen Behauptung in der Hauptverhandlung, er habe überhaupt keine „Geldsorgen“ gehabt. Mit der Aussage seiner Mutter, er sei mit seinem Einkommen und ihren finanziellen Zuwendungen gut ausgekommen, haben sich die Tatrichter nämlich hinreichend auseinandergesetzt, dieser jedoch im Hinblick auf die Schuldenlast des Angeklagten von 14.000 Euro und seine Depositionen gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen in Bezug auf Geldmangel zur Tatzeit (ON 8 S 23) erkennbar keine entlastende Bedeutung zugemessen (US 7). Die in diesem Kontext vorgenommene schlussfolgernde Bewertung der Zuwendungen der Eltern als „geringer“ als vom („Geldsorgen“ gänzlich bestreitenden) Angeklagten vorgegeben (US 7) stellt auch keine aktenwidrige Wiedergabe der Aussage dessen Mutter dar, sie habe ihrem Sohn im Monat ein paar hundert Euro zugeschossen.
Die Behauptung von Feststellungsmängeln kann prozessordnungsmäßig nur unter Zugrundelegung aller tatsächlichen Urteilsannahmen erfolgen und erfordert die Darlegung, dass eben diese Urteilsannahmen nicht ausreichen, um eine umfassende und verlässliche rechtliche Beurteilung vornehmen zu können, oder dass Verfahrensergebnisse auf bestimmte für diese Subsumtion rechtlich erheblicher Umstände hingewiesen haben und dessen ungeachtet eine entsprechende klärende Feststellung unterlassen wurde. Demgemäß ist eine Rechtsrüge, die einen
Feststellungsmangel behauptet, aber dabei eine im Urteil festgestellte Tatsache verschweigt oder bestreitet, nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt (RIS‑Justiz RS0099730).
Den dargestellten Anforderungen wird die auf einen freiwilligen Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) reklamierende Rechtsrüge (Z 9 lit b) nicht gerecht, indem sie die Unterlassung einer Feststellung kritisiert, dass dem Angeklagten eine Verfolgung der Kellnerin in die Küche „jederzeit möglich war“, dabei aber übergeht, dass der Angeklagte nach der Gesamtheit der Urteilsannahmen nicht nur aufgrund des Fehlens von Wertgegenständen im Lokal (Gastraum) und der Flucht der Kellnerin in die Küche, sondern auch aufgrund der Anwesenheit eines weiteren Gastes erkannte, dass ihm eine Tatvollendung nicht mehr möglich war und er deshalb die Flucht ergriff (US 5, 8 f).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufung und die gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO erhobene Beschwerde (ON 24 S 18) gegen den zugleich ‑ verfehlt (§ 494a Abs 4 StPO) in Urteilsform (US 2) ‑ ergangenen Beschluss auf Widerruf zweier bedingter Strafnachsichten und einer bedingten Entlassung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Bleibt im Hinblick auf die seit 1. Jänner 2016 geänderte Rechtslage (§ 143 Abs 1 StGB idF BGBl I 2015/112 mit einer Strafdrohung von einem bis zu fünfzehn Jahren) mangels einer besonderen Übergangsbestimmung (vgl Art 12 leg cit) für das Berufungsverfahren anzumerken, dass der rechtmäßig zustande gekommene und rechtskräftige Schuldspruch nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB aF Grundlage für alle den Strafausspruch betreffenden Ermessensentscheidungen ist. Eine Mischung von Schuldspruch nach altem und Strafausspruch nach neuem Recht ist demnach unzulässig (11 Os 95/02 [verstärkter Senat] = SSt 2003/45; RIS-Justiz RS0117810).
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