European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0110OS00155.21K.0208.000
Spruch:
In der Strafsache AZ 29 U 79/20g des Bezirksgerichts Innsbruck verletzen die Vorgänge, dass der Bezirksrichter bei Vorliegen des Ausschließungsgrundes nach § 43 Abs 2 StPO
sich nicht der Durchführung der Hauptverhandlung und der Urteilsfällung am 3. Dezember 2020 enthielt, § 44 Abs 1 StPO sowie
es unterließ, den Ausschließungsgrund sogleich dem Vorsteher des genannten Gerichts anzuzeigen, § 44 Abs 2 StPO.
Das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 3. Dezember 2020 (ON 23 der U‑Akten) wird aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht verwiesen.
Gründe:
[1] Mit Abwesenheitsurteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 12. Juni 2020 (ON 15 der U-Akten) wurde * S* des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.
[2] Nachdem einem dagegen erhobenen Einspruch des Angeklagten (§ 478 Abs 1 StPO) mit Beschluss vom 3. Dezember 2020 stattgegeben worden war, wurde er – nach am selben Tag durchgeführter Hauptverhandlung (ON 22 der U‑Akten) – mit Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 3. Dezember 2020 neuerlich (richtig RIS‑Justiz RS0114927) des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt (ON 23 der U‑Akten).
[3] Dieses Urteil wurde von demselben Richter gefällt, der bereits am 12. Juni 2020 geurteilt hatte.
Rechtliche Beurteilung
[4] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, verletzen diese Vorgänge das Gesetz:
[5] Gemäß § 43 Abs 2 StPO ist ein Richter vom Hauptverfahren ausgeschlossen, wenn er in derselben Sache– soweit hier von Bedeutung – an einem Urteil mitgewirkt hat, das infolge eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs aufgehoben wurde. Dies trifft auch in Bezug auf Urteile zu, die aufgrund eines gegen die Verurteilung in Abwesenheit erhobenen Einspruchs (hier § 478 Abs 1 StPO) kassiert wurden (RIS‑Justiz RS0126802; Lässig, WK‑StPO § 43 Rz 25).
[6] Der Bezirksrichter, dem dieser ihn betreffende Ausschließungsgrund mit Stattgebung des Einspruchs des Angeklagten gegen das Abwesenheitsurteil vom 12. Juni 2020 bekannt wurde, hätte zum einen diesen Ausschließungsgrund sogleich gemäß § 44 Abs 2 StPO dem Vorsteher des Bezirksgerichts Innsbruck anzuzeigen gehabt. Zum anderen hätte er sich – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen – weiterer Handlungen im Verfahren, somit auch der Verhandlung und Urteilsfällung am 3. Dezember 2020, zu enthalten gehabt (§ 44 Abs 1 StPO).
[7] Da nicht auszuschließen ist, dass die aufgezeigte Gesetzesverletzung zum Nachteil des Angeklagten wirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, ihre Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).
[8] Die vom Angeklagten gegen das solcherart beseitigte Urteil vom 3. Dezember 2020 ergriffene Berufung – über die bislang nicht entschieden wurde – ist damit gegenstandslos.
[9] Gleichfalls hinfällig ist der zugleich mit dem aufgehobenen Urteil ergangene, von diesem rechtslogisch abhängige Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 2 StPO (RIS‑Justiz RS0100444; Ratz, WK‑StPO § 292 Rz 28).
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