OGH 11Os153/84

OGH11Os153/8421.11.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.November 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Lengauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mario A u.a. wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach den § 83 Abs 1, 84 Abs 1, 85 Z 1 StGB und anderer Delikte über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Franz B sowie die Berufung des Angeklagten Mario A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7.Mai 1984, GZ 6 d Vr 7.325/82-174, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Ersten Generalanwaltes Dr. Nurscher, des Privatbeteiligtenvertreters Dr. Kleisinger, des Angeklagten Mario A und der Verteidiger Dr. Siebenaller und Dr. Bernhauser, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Franz B zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß dem § 290 Abs 1 StPO wird das Urteil im Ausspruch nach dem § 38 StPO dahin ergänzt, daß Christian C auch die Vorhaftzeiten vom 1. Juli 1982, 21 Uhr, bis zum 2.Juli 1982, 15.30 Uhr, sowie vom 22. März 1984, 23 Uhr, bis zum 23.März 1984, 1.10 Uhr, auf die Strafe angerechnet werden.

Der Berufung des Angeklagten B wird, soweit sie sich gegen das Strafausmaß richtet, nicht Folge gegeben. Soweit sie den Privatbeteiligtenanspruch betrifft, wird ihr Folge gegeben, das angefochtene Adhäsionserkenntnis aufgehoben und ausgesprochen, daß die Privatbeteiligte Anita D gemäß dem § 366 Abs 2 StPO mit ihrem Entschädigungsbegehren auf den Zivilrechtsweg verwiesen wird. Der Berufung des Angeklagten A wird nicht Folge gegeben. Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten B und A auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 1.Juni 1943 geborene Schankgehilfe Franz B des Vergehens der schweren Körperverletzung als Beteiligter nach den § 12, zweite Begehungsform, 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er im Juni 1982 in Wien den Mario A dazu anstiftete, Anita D und Gabriele E niederzuschlagen und ihm dafür einen Geldbetrag versprach (Punkt II 2 des Schuldspruches). (Mario A führte diesen Auftrag durch und fügte hiebei Anita D eine schwere Schädigung des Sehvermögens, der Gabriele E Prellungen am Oberkörper zu.

Er wurde demgemäß des Verbrechens der schweren Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen !§ 83 Abs 1, 84 Abs 1, 85 Z 1 StGB und des Vergehens der Körperverletzung !§ 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt.) Franz B bekämpft den ihn betreffenden Teil des Schuldspruches mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Überdies fechten die genannten Angeklagten das Urteil jeweils mit Berufung an. Nicht aktengetreu ist die Behauptung des Beschwerdeführers B, das Schöffengericht begnüge sich zur Begründung der Annahme, auch er habe mit Verletzungsvorsatz gehandelt, mit einer allgemeinen Floskel. Das Erstgericht sprach aus, daß ein Handeln mit zumindest bedingtem Verletzungsvorsatz auch in Ansehung des Angeklagten B erwiesen sei (S 211/III) und stützte diese Feststellung ersichtlich auf Inhalt und Form des dem Mitangeklagten A erteilten Auftrages und den Umstand, daß dieser Auftrag auch nach Kenntnisnahme der Art seiner teilweisen Ausführung aufrechterhalten wurde.

Rechtliche Beurteilung

Zur gerügten überlegung des Erstgerichtes im Rahmen der Beweiswürdigung, das Niederschlagen von Prostituierten, die unter dem Schutz eines Syndikates stünden, setze zur Sicherheit des Täters geradezu voraus, daß hinter ihm auch eine Organisation stehe, ist zu bemerken, daß der Beschwerdeführer selbst diese Schlußfolgerung für möglich hält (S 223/III). Daß sie nicht zwingend ist, vermag die Urteilsrichtigkeit nicht zu begründen (vgl. Mayerhofer-Rieder, ENr. 145 zu § 281 Z 5 StPO).

Wohl befaßte sich das Erstgericht mit der Behauptung des A, er sei im Sicherheitsbüro aufgefordert worden, den vorbestraften Angeklagten B 'hineinzudrehen', dann könne er, A, nach Hause gehen (S 180/III), der es allerdings insgesamt erkennbar den Glauben versagte, nicht ausdrücklich. Dies ist einerseits damit begründet, daß nach der Vorschrift des § 270 Abs 2 Z 5 StPO die Urteilsgründe nur in gedrängter Darstellung abzufassen sind. Zum übrigen legte das Erstgericht ohnehin dar, warum es den späteren, von den Mitangeklagten unternommenen Versuchen, den Angeklagten B zu entlasten, nicht glaubte, und es wurden diese überlegungen auch mit dem Hinweis darauf gestützt, daß die beiden Mitangeklagten zunächst noch vor dem Untersuchungsrichter ihre den Beschwerdeführer belastenden Angaben aufrechterhielten (S 207 bis 209/III). Damit wurde aber der Begründungspflicht hinlänglich entsprochen.

Die geltend gemachten Begründungsmängel haften daher dem Urteil nicht an.

Bei der Ausführung seiner Rechtsrüge übergeht der Beschwerdeführer, wenn er die erforderlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite vermißt, die Annahme des Schöffengerichtes, er habe bei Erteilung des inkriminierten Auftrages den Eintritt der festgestellten (zum Teil schweren) Verletzungen der Tatopfer ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden (S 211/III).

Insoweit entbehrt daher die Nichtigkeitsbeschwerde einer prozeßordnungsgemäßen Ausführung (vgl. Mayerhofer-Rieder, ENr. 26 zu § 281 StPO).

Prellungen, wie sie Gabriele E durch die Schläge mit dem Gummiknüppel erlitt, rechtfertigen aber die Beurteilung als leichte Verletzungen, die ihnen das Schöffengericht zuteil werden ließ (S 210/III; Leukauf-Steininger 2 , Nr. 4 zu § 83 StGB, Kienapfel, BT I RN 281). Eine eingehendere Befassung mit der Frage ihrer Erheblichkeit war nach den Verfahrensergebnissen nicht indiziert (vgl. S 187/III).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Franz B konnte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugen, daß das Urteil hinsichtlich des (Mit-) Angeklagten Christian C an einem Fehler leidet, der Nichtigkeit nach dem § 281 Abs 1 Z 11 StPO bedeutet, sich zum Nachteil dieses Angeklagten auswirkt, von ihm jedoch nicht geltend gemacht wurde und deshalb Anlaß zu einer Maßnahme nach dem § 290 Abs 1 StPO gibt.

Aus den Akten ist ersichtlich, daß Christian C im vorliegenden Verfahren vom 1.Juli 1982, 21 Uhr, bis zum 2.Juli 1982, 15.30 Uhr (ONr. 2 S 5/6) und vom 22.März 1984, 23 Uhr, bis zum 23.März 1984, 1.10 Uhr (ONr. 171, S 161), in polizeilicher Verwahrungshaft war. Entgegen der zwingenden Vorschrift des § 38 Abs 1 Z 1 StGB wurde ihm diese Haft auf die Strafe nicht angerechnet; es ist den Akten auch nicht zu entnehmen, daß dies in einem anderen Verfahren geschehen wäre. Gemäß dem § 290 Abs 1 StPO war sohin das Urteil dahin zu ergänzen, daß dem Christian C gemäß dem § 38 Abs 1 Z 1 StGB auch die genannten Zeiträume auf die verhängte Strafe angerechnet werden.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten Mario A unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem § 85 StGB und über den Angeklagten Franz B nach dem § 84 Abs 1 StGB je eine Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten und sprach der Privatbeteiligten Anita D gemäß dem § 366 Abs 2 StPO (§ 369 StPO) einen Betrag von 100.000 S zu. Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend bei beiden Angeklagten die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstrafen und die Tatwiederholung, bei B überdies seine Urheberschaft an den Straftaten, als mildernd bei A das Geständnis sowie die Tatbegehung unter Einwirkung eines Dritten, bei B keinen Umstand. Zur Begründung des Zuspruches an die Privatbeteiligte beschränkte sich das Schöffengericht, auf die 'angezogene Gesetzesstelle' zu verweisen (Bd. III S 212 d A).

Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten A und B jeweils eine Strafermäßigung, A auch die Gewährung bedingter Strafnachsicht an. Der Angeklagte B bekämpft mit seiner Berufung überdies das Adhäsionserkenntnis.

Soweit sich die Berufung des Angeklagten B gegen den Strafausspruch richtet, kommt ihr ebenso wie jener des Angeklagten A keine Berechtigung zu.

Die vorangeführten Milderungsgründe bedürfen insoweit einer Ergänzung, als dem Angeklagten A auch noch das Alter unter 21 Jahren zur Tatzeit und dem Angeklagten B sein durch äußere Umstände bescheinigtes Vorhaben, sich selbst zu stellen (§ 34 Z 16 StGB), zugutezuhalten sind.

Im übrigen wurden aber die Strafzumessungsgründe in erster Instanz richtig festgestellt.

Das Schöffengericht gelangte auch im Ergebnis zu Sanktionen, die dem Unrechtsgehalt der Taten und der Schwere der Schuld des jweiligen Täters gerecht werden.

Eine Herabsetzung des Strafausmaßes kommt daher bei keinem der Berufungswerber in Betracht.

Angesichts des getrübten Vorlebens kann aber auch der vom Angeklagten A gewünschten bedingten Strafnachsicht schon aus spezialpräventiven Gründen nicht nähergetreten werden. Insoweit erweisen sich somit die Berufungsanträge als nicht zielführend.

Dagegen war der Berufung des Angeklagten B gegen den Privatbeteiligtenzuspruch Folge zu geben.

Abgesehen davon, daß dem Hauptverhandlungsprotokoll nicht entnommen werden kann, ob die Vorschrift des § 365 Abs 2 StPO, wonach der Beschuldigte über die Privatbeteiligtenansprüche zu vernehmen ist, beachtet wurde (SSt. 40/62, 43/24 ua), blieb der bekämpfte Ausspruch im Urteil gänzlich unbegründet (zumal sich zur Höhe des der Privatbeteiligten zustehenden Ersatzanspruches auch aus den zum Schuldspruch getroffenen Feststellungen nichts Näheres ergibt), sodaß eine Nachprüfung der Erwägungen, von denen sich das Erstgericht in diesem Zusammenhang leiten ließ, nicht möglich ist (vgl. ÖJZ-LSK 1980/67).

Vor allem aber bringt die Formulierung: 'Gemäß dem § 366 Abs 2 StPO wird der Privatbeteiligten Anita D ein Betrag von 100.000 S zugesprochen' nicht zum Ausdruck, wer zur Zahlung des Betrages verpflichtet sein soll (siehe RiZ 1966, 50 ua). Es ist somit aus dem Urteil nicht erkennbar, ob sämtliche (drei) Angeklagten (zur geteilten oder ungeteilten Hand) oder nur einzelne von ihnen damit zur (teilweisen) Schadenersatzleistung verhalten werden sollten. Das nimmt aber diesem Erkenntnis die Eigenschaft eines tauglichen Exekutionstitels (§ 7 Abs 1 EO).

Mithin war der Berufung des Angeklagten B in diesem Umfang zu entsprechen und nach Aufhebung des angefochtenen Adhäsionserkenntnisses die Privatbeteiligte mit ihrem Entschädigungsbegehren auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

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