OGH 11Os153/11a

OGH11Os153/11a15.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. März 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Perovic als Schriftführer, in der Strafsache gegen Michael W***** wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 und 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 29. September 2011, GZ 13 Hv 108/11z-12, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael W***** des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 2 Z 1 und 2 StGB (I./) und des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in D***** und V***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Sonja K***** (zusammengefasst)

I./ von Sommer 2009 bis Ende 2010 in einer Vielzahl von Angriffen durch gefährliche Drohung, nämlich durch die Ankündigung, gegen ihren Vater Johann K***** Anzeige wegen des Verbrechens der Vergewaltigung und des Vergehens der Körperverletzung zu erstatten, wenn sie seinen Bargeldforderungen nicht nachkomme, zur Übergabe von insgesamt 9.300 Euro, sohin zu Handlungen genötigt, die diese am Vermögen schädigten, wobei er die Erpressungen gegen dieselbe Person längere Zeit hindurch fortsetzte sowie die Taten in der Absicht beging, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen;

II./ durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese in einem 3.000 Euro nicht übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, und zwar

a) im Jänner 2011, indem er vorgab, er werde für die Unkosten aufkommen, zum Abschluss eines Vertrags mit einem Telekommunikationsanbieter und zur Übergabe eines iPhones und

b) am 6. April 2011 durch die Vorgabe, das iPhone auszufolgen, zur Übergabe von 180 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus Z 5a (der Sache nach auch aus Z 5 zweiter Fall) des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) dient dazu, unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) zu verhindern (RIS-Justiz RS0118780 [T11]).

Demgegenüber gelingt es dem Beschwerdeführer mit seiner Begründungsmängel behauptenden Kritik nicht, eine Unvollständigkeit (iSd Z 5 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO) oder die geforderten erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen (iSd Z 5a des § 281 Abs 1 StPO) zu erwecken.

Die von der Beschwerde mehrfach angegriffene Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit Sonja K*****s ist kein Gegenstand der Tatsachenrüge (RIS-Justiz RS0099419).

Die Aufklärungsrüge (Z 5a) behauptet zunächst ohne bestimmte Bezeichnung zu Unrecht unterlassener Beweisaufnahmen einen Verstoß gegen die Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung und entzieht sich bereits dadurch einer meritorischen Erwiderung. Wodurch der Angeklagte darüber hinaus an der Ausübung seines Rechts, die vermisste Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert war, legt die Beschwerde entgegen der Verfahrensordnung nicht dar (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).

Dem gegen die Überzeugungskraft der Aussage der Sonja K***** gerichteten Vorwurf der Unvollständigkeit (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) zuwider blieben die unterschiedlichen und vom Erstgericht mit einem Zahlensturz und Nervosität erklärten Angaben des Tatopfers zum Schadensbetrag nicht unberücksichtigt (US 11). Dies wird vom Beschwerdeführer selbst zugestanden (BS 6).

Entgegen der Begründungskritik setzten sich die Tatrichter auch mit der Löschung von SMS und auch damit auseinander, dass die einzig als Beweismittel zur Verfügung stehenden SMS keine expliziten Geldforderungen enthielten (US 9 f).

Der Umstand, dass Sonja K***** den nach dem Strafgesetz gewichtigeren Vorwurf erst später erhob, bedurfte dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider schon deshalb keiner gesonderten Erörterung, weil er den Urteilsannahmen nicht entgegensteht.

Indem sich die Tatsachenrüge auf die allgemeine Lebenserfahrung stützt, den von Sonja K***** deponierten Umstand der Löschung der den Angeklagten belastenden SMS sowie deren Angaben zur Kreditaufnahme eigenständig bewertet und aus den Verfahrensergebnissen für den Angeklagten günstigere Schlüsse als das Erstgericht zieht (vgl US 9 f), wendet sie sich nach Art einer in kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Gleichermaßen gilt dies für das Erpressungen bestreitende Vorbringen, das sich auf die von den Tatrichtern als widerlegt erachtete Verantwortung des Angeklagten stützt (vgl US 7 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Mit Blick auf die vom Schöffengericht vorgenommene Wertung der diversionellen Erledigung eines Strafverfahrens als erschwerend (US 17) zeigt sich aber, wie auch von der Generalprokuratur zutreffend angemerkt, dass dem Sanktionsausspruch der nicht geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO anhaftet. Die Behebung der dadurch entstandenen Benachteiligung des Angeklagten wird dem Berufungsgericht überlassen (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 29; RIS-Justiz RS0109969).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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