OGH 11Os152/84

OGH11Os152/8421.11.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.November 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lengauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann A wegen des Vergehens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1

und 2, erster Deliktsfall, StGB und eines anderen Deliktes über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengerichtes vom 18. April 1984, GZ 10 Vr 24/83-39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Landwirt Johann A des Vergehens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1 und Abs. 3, erster Deliktsfall, StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes) und des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 und Abs. 3 StGB (Punkt 2) schuldig erkannt.

Ihm liegt zur Last, er habe in Leibnitz 1. sich am 23.12.1980 ein ihm anvertrautes Gut in einem 5.000 S übersteigenden Wert mit Bereicherungsvorsatz zugeeignet, indem er einen Bargeldbetrag von 80.000 S, der als Abfindung der Ansprüche der Irmgard B aus einem von ihr am 6.Mai 1980 erlittenen Verkehrsunfall dienen sollte, in Empfang nahm, nicht an die Berechtigte weitergab, sondern selbst verbrauchte und 2. am 18.2.1982 mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, (den Notarsubstituten) Dr.Kurt C durch Verschweigung des Geisteszustandes der schwachsinnigen Irmgard B zur Errichtung eines Notariatsaktes, inhaltlich dessen Irmgard B ihm ihre Liegenschaft (EZ 529 der KG Wörth) schenkte, somit durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung verleitet, die Irmgard B an ihrem Vermögen in nicht näher bekannter, jedoch 100.000 S übersteigender Höhe schädigte. Die Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4 und 5, im Faktum 2 auch mit einer auf die Z 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Die den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund verwirklichende Verletzung von Verteidigungsrechten erblickt er zu Recht in der Abweisung seines Antrages auf Einholung eines ergänzenden medizinischen Sachverständigengutachtens. Der Antragstellung selbst (S 283) ist zwar - zumindest nach dem Wortlaut des Hauptverhandlungsprotokolls - kein Beweisthema zu entnehmen, jedoch ergibt sich aus dem Zusammenhang und dem Inhalt des abweisenden Erkenntnisses des Schöffensenates (S 284) eindeutig, daß der Beweisantrag auf Durchführung einer Glaubwürdigkeitsuntersuchung der Zeugin Irmgard B abzielte. Da Irmgard B nach dem bereits vorliegenden Gutachten (ON 8) des Sachverständigen Dr. Richard D 'über ihren Geisteszustand im Dezember 1980 bzw am 18.Februar 1982 sowie dessen Erkennbarkeit' einen 'erheblichen Schwachsinn' aufweist, ferner Aufmerksamkeit, Beobachtungsschärfe und Realitätskontrolle erheblich vermindert sind, eine 'fast gesetzmäßig erhöhte Beeinflußbarkeit' besteht (vgl S 90 f) und bei ihren Aussagen auch 'eine gewisse Beschönigung des eigenen Verhaltens' eine Rolle gespielt haben kann (vgl S 89), sind unter Bedachtnahme auf die gesamte Beweislage besondere Gründe gegeben, die es notwendig erscheinen lassen, die Aussagefähigkeit und Aussageehrlichkeit dieser wesentlichen Belastungszeugin von einem psychiatrischen Sachverständigen beurteilen zu lassen. Durch die Abweisung des auf eine derartige Maßnahme abzielenden Beweisantrages wurde der Angeklagte sohin in seinen Verteidigungsrechten verletzt, wenngleich nach der derzeitigen Aktenlage offen ist, ob Irmgard B im Zuge des weiteren Verfahrens ihrer diesbezüglichen Untersuchung zustimmen wird (vgl SSt 49/55 ua).

Neben diesem beide Schuldspruchfakten betreffenden Verfahrensmangel macht der Angeklagte im Betrugsfaktum zu Recht auch einen formalen Begründungsmangel geltend.

Das Erstgericht geht nämlich einerseits auf Grund der Angabe der Zeugin Irmgard B davon aus, daß sie keinen Anlaß hatte, die ihr gehörige Liegenschaft (EZ 529 der KG Wörth) dem Angeklagten zu schenken und daß sie dies dem Notarsubstituten Dr.Kurt C anläßlich der Errichtung des Vertrages wiederholt erklärt habe (S 300), anderseits bezeichnete das Schöffengericht die Aussage des Zeugen Dr.C als nicht widerlegbar, wonach er bei der Vertragserrichtung keine Beeinträchtigung des Geisteszustandes der Irmgard B habe feststellen können und es nach den Erfahrungen des täglichen Lebens durchaus möglich sei, daß Irmgard B die Frage (des Zeugen Dr.C), ob es ihr ausdrücklicher Wille sei, daß die ihr gehörige Liegenschaft in das Eigentum des Angeklagten übergehe, mit 'ja' beantwortete (S 301). Diese beiden Urteilsannahmen stehen miteinander in einem aufklärungsbedürftigen inneren Widerspruch, zumal Irmgard B den Schenkungsvertrag schließlich nur im Hinblick auf den ersichtlichen Zorn des Angeklagten (roter Kopf, geballte Fäuste) unterfertigt haben will.

Schon diese sowohl zum Urteilsfaktum 1 als auch zum Urteilsfaktum 2 geltend gemachten, nach dem § 281 Abs. 1 Z 4 und 5 StPO Nichtigkeit bewirkenden Mängel nötigen zur Aufhebung beider Schuldsprüche sowie demgemäß auch des Strafausspruches und zur Zurückverweisung der Strafsache an die erste Instanz zu neuer Verhandlung und Entscheidung.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher - nach Anhörung der Generalprokuratur - gemäß dem § 285 e StPO in nichtöffentlicher Sitzung wie im Spruch zu erkennen, ohne daß es an sich noch des Eingehens auf den weiter geltend gemachten Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO bedürfte.

Zu der nur den Schuldspruch im Betrugsfaktum betreffenden Rechtsrüge muß allerdings bemerkt werden, daß das Schöffengericht lediglich von einer Tatbegehung durch Unterlassung, nämlich durch Verschweigung des Geisteszustandes der schwachsinnigen Irmgard B gegenüber dem den Schenkungsvertrag beurkundenden Notariatssubstituten Dr.C ausgeht, hiebei jedoch nur eine Phase der als betrügerisch organisiert angelasteten Vertragserrichtung herausgreift, aber unberücksichtigt läßt, daß ein wesentlicher Teil des dem Angeklagten laut Anklageschrift zum Vorwurf gemachten Tatverhaltens in einem Tun besteht. Der gegen den Angeklagten gerichtete Betrugsvorwurf könnte der Sache nach ua auch darin gelegen sein, daß Johann A die Irmgard B, falls sie tatsächlich ein Schenkungsvorhaben ernstlich bekundet haben sollte, zur Abgabe einer solchen Schenkungserklärung vor dem von ihm um die Amtshandlung ersuchten Notarsubstituten Dr.C veranlaßte, obgleich Irmgard B auf Grund ihres damaligen Geisteszustandes die Tragweite und die Folgen einer solchen Schenkungserklärung gar nicht erkannte (siehe § 865 ABGB, MGA 31 , E 1 ff) und dies dem Angeklagten auch bewußt war.

In dieser Richtung läßt jedoch das erstgerichtliche Urteil jegliche für eine abschließende rechtliche Beurteilung notwendige Tatsachenkonstatierung vermissen. Dieser vom Beschwerdeführer - wenn auch nur im Zusammenhang mit der erstgerichtlichen Urteilsannahme einer Tatbegehung durch Unterlassung - an sich im Ergebnis zu Recht gerügte Feststellungsmangel macht das angefochtene Urteil gleichfalls, und zwar nach der Z 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO nichtig.

Im übrigen kommt für den Fall eines neuerlichen Schuldspruches im Faktum 2

allenfalls nur das Verbrechen des versuchten Betruges nach den §§ 15, 146, 147 Abs. 3 StGB in Betracht. Bei der Prüfung des für die Abgrenzung des vollendeten vom versuchten Betrug entscheidenden Eintritts des Vermögensschadens, worunter der effektive Verlust an Vermögenssubstanz verstanden wird (vgl Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB 2 RN 33 und 46 zu § 146 StGB sowie die dort zitierte Judikatur) ist aus strafrechtlicher Sicht eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten. Von einem wirtschaftlichen Vermögensbegriff ausgehend (vgl auch Kienapfel BT II, RN 119 f zu § 146), liegt aber bei einem betrügerischen Grundstückserwerb der wirtschaftliche Schaden für den übergeber der Liegenschaft nicht schon in der Vertragserrichtung, die nur eine anfechtbare Vorstufe zum Eigentumserwerb darstellt, sondern in dem mit der tatsächlichen übergabe des unbeweglichen Gutes verbundenen Besitzverlust; erlangt doch der übernehmer erst mit der tatsächlichen Inbesitznahme der Liegenschaft durch die ihm ab diesem Zeitpunkt eingeräumte unbeschränkte Nutzung gleich einem Eigentümer alle damit verbundenen faktischen Gebrauchsvorteile (Kienapfel aaO RN 139 zu § 146 StGB). Im vorliegenden Fall dürfte aber der Angeklagte, entgegen dem Wortlaut des notariellen Schenkungsvertrages vom 18.2.1982 (S 135/137) die vertragsgegenständliche, an Franz E verpachtete Liegenschaft (vgl S 165, 171, 216 des Aktes; ferner S 87 verso des angeschlossenen Aktes der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter in Graz betreffend Irmgard B) ersichtlich nicht mit der Vertragserrichtung in Besitz bzw in seine ausschließliche Nutzung genommen haben.

Da die im Betrugsfaktum ua in der Frage der Geschäftsfähigkeit der Irmgard B im Zeitpunkt des verfahrensgegenständlichen Vertragsabschlusses vorliegenden Feststellungsmängel eine Aufklärung des Geisteszustandes der Zeugin erfordern, erschien es im gegebenen Zusammenhang, ua auch für den Fall, daß Irmgard B ihrer gerichtsärztlichen Untersuchung nicht zustimmen sollte und der vom Beschwerdeführer unter der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO gerügte Verfahrensmangel im zweiten Rechtsgang daher nicht behebbar wäre, tunlich, den Schuldspruch des Angeklagten wegen Veruntreuung im Hinblick auf den in der Frage des Geisteszustandes der Zeugin B offenkundig bestehenden Konnex beider Fakten (subsidiär) auch aus dem Grund des § 289 StPO zu kassieren.

Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

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