Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, im Übrigen aufgehoben und die Strafsache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde der nigerianische Staatsangehörige Emmanuel Obinali C***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3, Abs 4 Z 2 und 3 SMG schuldig erkannt, weil er in Wien seit spätestens Sommer 1998 bis zum 20. Mai 1999 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtmittel in einer großen Menge gewerbsmäßig in Verkehr setzte, indem er zumindest 2,5 Kilogramm Heroin und Kokain von nicht mehr feststellbarem Wirkstoffgehalt, zumindest aber in durchschnittlicher Straßenqualität, an zahlreiche weitere unbekannte Organisationsmitglieder verkaufte, wobei er die Taten als Mitglied einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zur Begehung solcher strafbarer Handlungen und im Hinblick auf Suchtmittel beging, deren Gesamtmenge das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) ausmacht.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 3, 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Bereits dem in der Mängelrüge (Z 5) vorgebrachten Einwand gegen die Berücksichtigung von Beweisergebnissen, welche nicht Gegenstand der Hauptverhandlung waren, kommt Berechtigung zu. Denn das Schöffengericht stützt seine Feststellungen im Wesentlichen auf die in der Hauptverhandlung vom 20. Juni 2000 (S 181 ff/XIII) deponierten Aussagen der Zeugin Regina J*****, ließ hiebei aber unbeachtet, dass die der Urteilsfällung vorangehende Hauptverhandlung vom 8. Mai 2001 gemäß § 276a StPO neu durchgeführt wurde, in dieser Verhandlung aber die Aussagen J*****s vom 20. Juni 2000 nach dem berichtigten Hauptverhandlungsprotokoll (ON 246) nicht verlesen wurden. Zwar wurde J***** am 8. Mai 2001 neuerlich als Zeugin vernommen, doch wiederholte sie ihre Angaben vom 20. Juni 2000 mangels Erinnerung nicht und erklärte hiezu nur, "die Wahrheit gesagt zu haben" (S 415/XIII) und "dabei zu bleiben" (S 411, 415/XIII). Solcherart wurden jedoch ihre - belastenden - Angaben nicht in die - allein maßgebliche - Hauptverhandlung vom 8. Mai 2001 eingeführt und durften vom Schöffensenat daher zur Begründung des Schuldspruches nicht herangezogen werden.
Soweit Feststellungen auch auf Angaben des James M***** (alias James Y*****, früher "AZ 3000"; ON 147) gestützt werden, welche dieser am 30. Dezember 1999 im Rahmen einer im Vorverfahren durchgeführten kontradiktorischen Vernehmung zu Protokoll gegeben hatte, fanden Teile dieser Aussage (S 203 bis 205/XII), wonach der Zeuge praktisch bei jedem seiner Aufenthalte im Lokal "Willkommen" die Übergabe von Drogen durch den Beschwerdeführer an andere Schwarzafrikaner selbst beobachtet hat, durch Vorhalte (S 433 f/XIII) in die Hauptverhandlung Eingang. Diese Depositionen alleine vermögen indes den bekämpften Schuldspruch nicht zu tragen, weil ihnen keine Details zum Beobachtungs- und Tatzeitraum, zu Art, Menge oder Qualität der übergebenen Suchtmittel und keine hinreichenden Anhaltspunkte für die gewerbsmäßige Weitergabe übergroßer Suchtgiftmengen im Rahmen einer sogenannten "Großbande" zu entnehmen sind.
Mangels Verlesung wurde schließlich, wie dem Beschwerdeführer zuzugeben ist, auch der Inhalt der in den Entscheidungsgründen angeführten, im Zusammenhang mit der Aktion "Spring" stehenden Strafakten und die darin getroffenen, nicht näher bezeichneten, offenbar die Bandenmitgliedschaft betreffenden "grundlegenden Feststellungen zu den Vorgängen" (US 8) nicht zum Gegenstand der Hauptverhandlung. Dienstliches Wissen des Vorsitzenden über Inhalt und Ergebnisse anderer Verfahren darf das Schöffengericht jedoch nicht ohne Beweisaufnahme verwerten (Mayerhofer StPO4 § 258 E 167). Weil sich somit bereits die Mängelrüge als gerechtfertigt erweist, war das angefochtene Urteil in seinem Schuldspruch und damit auch im Strafausspruch schon in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO) und die Strafsache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen, ohne dass es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedurfte.
Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
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