Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß gemäß dem § 13 JGG der Ausspruch der über Alice S*** zu verhängenden Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren vorläufig aufgeschoben wird.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 9.September 1971 geborene Alice S*** (zu A III) des Vergehens des Diebstahles nach dem § 127 StGB, (zu B 2 und C) des Vergehens des teils versuchten, teils vollendeten unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach den §§ 136 Abs. 1 und 2 sowie 15 StGB und (zu D 2) des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Demnach hat sie am 11.Dezember 1987 in Gesellschaft des Goran L*** und der Zlatica R*** sowie der Strafunmündigen Manuela K*** in Wien und Niederösterreich, nachdem zwei gleichartige Angriffe beim Versuch geblieben waren (C 1 und 2), den PKW Marke Citroen der Grete P***-H*** ohne deren Einwilligung in Gebrauch genommen, wobei sie sich die Gewalt über das Fahrzeug durch eine der im § 129 StGB geschilderten Handlungen verschaffte (B 2), in der Folge zweimal Benzin im Gesamtwert von rund 350 S Tankstellenbesitzern ohne deren Einwilligung mit Bereicherungsvorsatz weggenommen (A III) und schließlich Urkunden, nämlich die Kraftfahrzeug-Kennzeichentafeln des PKWs der Grete P***-H*** durch Wegwerfen, jene der Firma B*** GesmbH durch Abmontieren und Anbringen auf dem erstgenannten Fahrzeug unterdrückt (D 2 a und b).
Diesen Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit einer auf den § 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit a, lit b und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Die Mängelrüge vermag keine Begründungsmängel im Sinn des behaupteten Nichtigkeitsgrundes darzutun, sondern begnügt sich im wesentlichen mit einer Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung. Im einzelnen ist den Beschwerdeausführungen entgegenzuhalten, daß das angebliche Fehlen einer Begründung für die Beteiligung der Beschwerdeführerin am "Diebstahl" (gemeint: an dem teils versuchten, teils vollendeten unbefugten Gebrauch) mehrerer Fahrzeuge nicht zutrifft. Auch wenn der Vorsatz sämtlicher Beteiligter unbestrittenermaßen nur dahin ging, mit einem PKW fortzufahren, spricht dies doch in keiner Weise gegen die Verwirklichung dieses Vorsatzes durch zweimalige erfolglose Versuche der Öffnung eines Fahrzeuges und anschließend den tatsächlichen Gebrauch eines dritten Fahrzeuges. Die Beteiligung der Angeklagten an diesen Taten wurde von ihr selbst übereinstimmend mit den Angaben der übrigen Täter eingestanden (S 492/I d.A), wobei das (bloße) "Schmierestehen" (somit eine die Tatbegehung fördernde Anwesenheit am Tatort) als Beteiligung iS des § 12, dritter Fall, StGB zu werten ist. Daß diese Täterschaftsform im Urteilsspruch nicht besonders zum Ausdruck gebracht wurde, verschlägt angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit aller Arten der Tatbeteiligung iS des § 12 StGB nichts.
Die Annahme des Einverständnisses der Beschwerdeführerin auch mit dem zweimaligen Benzindiebstahl konnte das Schöffengericht in freier Beweiswürdigung ohne Verstoß gegen die Denkgesetze und die Lebenserfahrung auf das freimütige Eingeständnis der Angeklagten stützen: "Wir überlegten" (was sinngemäß einen mündlichen Gedankenaustausch voraussetzt), ob es (das Tanken) auch ohne Bezahlung gegangen wäre. Es ist nämlich "besser, wenn es ohne Bezahlung geht" (S 493/I d.A). Aus dieser inneren Einstellung der Angeklagten ließ sich zwanglos ihr Einverständnis mit dem Wegfahren von der Tankstelle ohne Bezahlung des entnommenen Benzins unter Ausnützung einer günstigen Gelegenheit ableiten. Die teilweise (im Übergang von S 2 zu S 3 der Rechtsmittelschrift) durch Verstümmelung unverständlichen Beschwerdeausführungen können dagegen nichts Stichhältiges einwenden. Eine Erörterung der angeblich fehlenden Durchsetzungsfähigkeit der Beschwerdeführerin in der Gruppe der Mittäter erübrigte sich, weil sie sich gar nicht auf eine innere Ablehnung der strafbaren Handlungen oder gar auf den Versuch berief, die anderen von ihrem Vorhaben abzuhalten.
Von dem Einverständnis der Beschwerdeführerin mit der Urkundenunterdrückung (Fakten D 2 a und b) ging das Schöffengericht nach dem klaren Wortlaut der mit dem Spruch eine Einheit bildenden Gründe aus. Die in den Urteilsgründen erwähnte, nun von der Beschwerde angegriffene "Gleichgültigkeit" der Angeklagten (US 27), die freilich zur Verwirklichung des Tatbestandes in subjektiver Beziehung nicht genügte, hätte sie sich auf die Abnahme und Unterdrückung der Urkunden bezogen, war vom Erstgericht eindeutig auf die näheren Modalitäten dieser Tat gemünzt; ob aber die Tat durch Wegwerfen der Kennzeichentafeln im Auwald oder durch andere Verbringung außerhalb des dem Inhaber zugänglichen Machtbereichs begangen werden sollte, bedurfte mangels rechtlicher Relevanz in tatsächlicher Beziehung keiner näheren Feststellung. Die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen gegen daher ins Leere. Soweit die Beschwerdeführerin in der Rechtsrüge nach dem § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO - an die Mängelrüge anknüpfend - Fehlen des (subjektiven) Tatbestandes nach den §§ 127 und 229 StGB (Fakten A III 1 und 2, D 2 a und b) geltend macht, hält sie nicht an den in Wahrheit mängelfreien und vollständigen Urteilsfeststellungen fest; die Rechtsrüge ist sohin nicht gesetzmäßig ausgeführt. Mit dem Vorbringen, wegen der untergeordneten Beteiligung der Beschwerdeführerin wäre nur eine Ermahnung oder ein Schuldspruch nach dem § 13 JGG in Betracht gekommen, wird weder der Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs. 1 Z 9 lit b StPO, noch jener der Z 11 dieser Gesetzesstelle dargestellt, sondern lediglich die Berufung (auch) in dieser Richtung ausgeführt, wobei es dieser Konkretisierung der ohnehin ergriffenen Berufung gegen die Strafe gar nicht bedurft hätte (EvBl 1988/122). Hingegen wird mit dem Berufungsvorbringen, es wäre der § 42 StGB anwendbar gewesen, in Wahrheit der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit b StPO behauptet; dies aber zu Unrecht, denn es kann bei der vorliegend verwirklichten Mehrzahl von Tatbeständen jedenfalls nicht von besonders geringer, hinter vergleichbaren Fällen weit zurückbleibender, atypischer Schuld der Angeklagten gesprochen werden.
Schließlich ist dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, nach ständiger Judikatur sei die Wegnahme von Kraftfahrzeugkennzeichentafeln lediglich Diebstahl, niemals aber Urkundenunterdrückung (§ 281 Abs. 1 Z 10 StPO), entgegenzuhalten, daß Diebstahl immer Bereicherungsvorsatz voraussetzt, der nach den Urteilsfeststellungen nicht gegeben war (US 26). Da Kfz-Kennzeichentafeln nach der Vorschrift des § 49 Abs. 1 KFG (öffentliche) Urkunden sind, eignen sie sich jedenfalls als Objekt des § 229 StGB (vgl ZVR 1981/22 mit Anmerkung Kienapfel und Liebscher). Bei Fehlen des Bereicherungsvorsatzes bestehen darum gegen die Subsumierung unter den § 229 StGB keine Bedenken. Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen. Das Erstgericht verhängte über die Angeklagte nach dem § 136 Abs. 2 StGB unter Anwendung des § 11 Z 1 JGG und unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB eine Freiheitsstrafe von einem Monat, die zugleich gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen und die Wiederholung der strafbaren Handlungen als erschwerend. Als mildernd wurden das Geständnis, die gerichtliche Unbescholtenheit der Angeklagten, die ungünstigen häuslichen Verhältnisse und die Umstände berücksichtigt, daß es teilweise beim Versuch blieb, die Angeklagte an den strafbaren Handlungen nur untergeordnet beteiligt war und mehr aus Unbesonnenheit handelte.
Mit ihrer Berufung strebt die Angeklagte den Ersatz des Ausspruches der einmonatigen Freiheitsstrafe durch einen Schuldspruch ohne Strafausspruch (§ 13 JGG), in eventu die Herabsetzung der Strafe, allenfalls die Umwandlung der bedingten Freiheitsstrafe in eine bedingte Geldstrafe an.
Die Berufung ist berechtigt.
Die Strafzumessungsgründe wurden in erster Instanz im
wesentlichen richtig und vollständig angeführt.
Angesichts der Tatsache, daß seit den Taten nicht einmal ein Jahr verstrichen ist, kann entgegen der Auffassung der Berufungswerberin von einem längeren Zurückliegen der strafbaren Handlungen - selbst unter Mitberücksichtigung der Jugendlichkeit der Angeklagten - nicht gesprochen werden.
Allerdings fallen die (an sich zutreffend angeführten) Erschwerungsgründe nicht allzu sehr ins Gewicht. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß es sich hier um ein Geschehen handelt, das sich zeitlich nur über wenige Stunden erstreckte und an dem die damals erst im 17.Lebensjahr stehende Angeklagte als Mitglied einer Tätergruppe in nur sehr untergeordneter Weise beteiligt war. Ihrer Delinquenz kann daher - trotz des Zusammentreffens mehrerer strafbarer Handlungen und deren teilweiser Wiederholung - der Charakter einer einmaligen Entgleisung nicht abgesprochen werden. Dazu kommt, daß sich die Angeklagte nach dem vom Obersten Gerichtshof neu eingeholten Führungsbericht des Erziehungsheimes Haus Pötzleinsdorf in jüngster Zeit sehr positiv entwickelt, sodaß wohl anzunehmen ist, es werde der Schuldspruch in Verbindung mit den bereits getroffenen und sich als wirksam erweisenden erzieherischen Maßnahmen genügen, sie von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Mithin war in Stattgebung der Berufung der Strafausspruch für eine als angemessen erachtete Probezeit vorläufig aufzuschieben (§ 13 Abs. 1 JGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.
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