Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten I*****, K*****, O*****, P*****, T***** und E***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche sämtlicher Angeklagter enthält, wurden Vincent I*****, Leonard K*****, Sunday O*****, John P*****, Toni G*****, Lansana T***** und Tito E***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 4 Z 2 SMG, Sunday O***** darüber hinaus auch nach § 28 Abs 3 erster Fall sowie T***** und E***** überdies des Vergehens nach § 28 Abs 1 SMG schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt. Hinsichtlich Leonard K***** wurde auch die bedingte Nachsicht einer über ihn verhängten Freiheitsstrafe widerrufen.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs haben die Angeklagten in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider
(zu A) von Mai 1999 bis 28. September 1999 Suchtgift in großer Menge in Verkehr gesetzt, wobei sie die Tat als Mitglieder einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zur Begehung solcher strafbarer Handlungen begangen haben, und zwar
1) Sunday O***** gewerbsmäßig durch Weitergabe zum Verkauf von mindestens 1,5 kg Heroin/Kokain in Straßenqualität, somit einer das Fünfundzwanzigfache einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) übersteigenden Suchtmittelmenge an die Mitangeklagten I*****, K*****, P*****, G*****, T*****, E***** und an den gesondert verfolgten John P***** bzw durch Direktverkauf an Konsumenten,
2) in Beziehung auf eine das Fünfundzwanzigfache der großen Menge nicht übersteigenden großen Suchtgiftmenge (§ 28 Abs 6 SMG)
a) John P***** durch Verkauf von zumindest 100 Gramm Herion/Kokain in Straßenqualität,
b) Toni G*****, Vincent I*****, Lansana T***** und Tito E***** durch Verkauf von jeweils zumindest 300 Gramm Heroin/Kokain in Straßenqualität,
c) Leonard K***** durch Verkauf von zumindest 160 Gramm Heroin/Kokain in Straßenqualität; ferner haben
(zu B) Lansana T***** und Tito E***** am 29. September 1999 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter Suchtgift in großer Menge, nämlich 155,2 Gramm Heroin/Kokain mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde.
Gegen diesen Schuldspruch richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden sämtlicher Angeklagter (mit Ausnahme des Toni G*****), welche die Angeklagten K*****, O*****, T***** und E***** auf die Gründe der Z 3, 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO, der Angeklagte P***** auf jene der Z 3, 5, 10 und 11, sowie der Angeklagte I***** nur auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO stützt.
Auch die Staatsanwaltschaft bekämpft die rechtliche Beurteilung des in den Urteilsfakten A 2 beschriebenen Verhaltens (lediglich) als Verbrechen nach § 28 Abs 2 und Abs 4 Z 2 SMG mit einer ausschließlich auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, welche sich - mit Ausnahme des Sunday O***** - auf sämtliche Angeklagte bezieht und womit die Unterstellung dieses Sachverhaltes auch unter die Qualifikationsbestimmung des § 28 Abs 3 erster Fall SMG angestrebt wird.
Zur (gemeinsam ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten K*****, O*****, T*****, E***** und der - inhaltlich gleichlautenden - Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten I*****:
Rechtliche Beurteilung
Die trotz ablehnender Stellungnahme der Verteidigung in der Hauptverhandlung vom 19. Juli 2000 nach § 252 Abs 1 Z 1 StPO vorgenommene Verlesung der im Vorverfahren deponierten Aussagen des Zeugen Ka***** (S 203/XXIII) begründet entgegen der Beschwerdeansicht keine Nichtigkeit. Weil dieser Zeuge zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung bereits ins Ausland abgeschoben war, konnte sein persönliches Erscheinen aus erheblichen Gründen nicht bewerkstelligt werden. Damit lagen aber die Voraussetzungen für eine Verlesung früherer Aussagen nach der zitierten Gesetzesstelle vor. Dass eine gesetzlich zwar mögliche, aber nicht zwingend vorgeschriebene kontradiktorische Vernehmung (§ 162a StPO), deren Veranlassung zudem außerhalb der Ingerenz des erkennenden Gerichtes lag, nicht stattgefunden hatte, stand dem ebensowenig entgegen wie die allfällige Möglichkeit einer Entschlagung nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO. Insbesondere kann von einer Umgehung der Bestimmung des § 252 Abs 1 Z 2a StPO keine Rede sein.
Die in der Verfahrensrüge (Z 4) unter dem Aspekt der Verletzung des in Art 6 EMRK verankerten Grundsatzes des fair trial vorgebrachte Kritik an der Vernehmung "anonymisierter" Zeugen im Allgemeinen und an der - unter Abweisung entsprechender Gegenanträge durchgeführten - Vernehmung der (anonymisierten) Zeugen ZA 1, ZA 2 und ZA 4 in Abwesenheit der Angeklagten und unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Besonderen ist nicht berechtigt.
Zunächst ist festzuhalten, dass dem Gesetzgeber des Strafprozessänderungsgesetzes 1993, BGBl Nr 526, bei Schaffung der - insoweit internationalen Trends folgenden - Zeugenschutzregelungen bewusst war, dass ein Zielkonflikt zwischen Zeugenschutz einerseits und Verteidigungsinteresse andererseits besteht, der den gesetzgeberischen Handlungsspielraum zum Schutz des Zeugen einengt. Die damals in den österreichischen Rechtsbestand neu eingeführte Regelung des § 166a StPO sah demnach vor, dass verfahrensrechtliche Schutzvorkehrungen zu Gunsten des Zeugen, die mit dem Recht des Angeklagten auf effektive Verteidigung kollidieren könnten, (lediglich) bei einer ernsthaften Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit des Zeugen zulässig sind, weil es sich nur bei einer solchen Gefährdung dieser vitalen Individualgüter rechtfertigen lässt, die verfassungsmäßig garantierten Verteidigungsrechte (Art 6 EMRK) im Wege der Interessensabwägung einzuschränken (JAB 924 BlgNR XVIII. GP, 35). In einem derartigen Fall sollte (auch) das erkennende Gericht dem Zeugen gestatten, seine persönlichen Verhältnisse betreffende Fragen nicht zu beantworten. Die durch die Beschränkung der Überprüfung der Glaubwürdigkeit bewirkte Einengung der Verteidigung wurde vom Gesetzgeber durchaus erkannt, aber als Schutz des Zeugen unvermeidbar und die Verteidigungsrechte nicht grundsätzlich beeinträchtigend angesehen. Die Tatsache, dass der Beweiswert eines anonymisierten Zeugen geringer sein wird als der eines Zeugen, der seine Wahrnehmung unter Angabe der gesamten Personalien wiedergibt, wurde durch die - einem solchen Zeugen je nach Lage des Falles entweder jegliche Beweiskraft aberkennende oder aber auch diesen Beweis vollakzeptierende - freie Beweiswürdigung als ausreichend kompensiert angesehen (JAB aaO, 36).
Um die Anonymität des gefährdeten Zeugen zusätzlich zu schützen, wurde zudem mit der Regelung des § 229 Abs 2 StPO die Möglichkeit vorgesehen, die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung während der Vernehmung eines nach § 166a StPO beschränkt aussagenden Zeugen auszuschließen, womit die Gefahr einer Enttarnung eines solchen Zeugen durch Zuhörer hintangehalten werden sollte (JAB aaO, 37). Dem Erstgericht, das sich des Spannungsverhältnisses zwischen den Erfordernissen des Zeugenschutzes und den Verteidigungsinteressen der Angeklagten ebenso bewusst war wie des (uU) zweifelhaften Beweiswertes einer Aussage eines anonymisierten Zeugen hat (lediglich) von den in der Strafprozessordnung vorgesehenen und vom Gesetzgeber ersichtlich im Lichte der EMRK geprüften Möglichkeiten einer solchen Zeugenvernehmung sowie des Ausschlusses der Öffentlichkeit in derartigen Fällen Gebrauch gemacht und diese Vorgangsweise eingehend begründet (US 31 ff). Ihm ist durch die Abweisung der dies zu verhindern intendierenden Anträge demnach keine Verletzung von Verteidigungsrechten der Angeklagten unterlaufen. Der behauptete Verstoß gegen die Regelung des § 250 StPO, welchen die Beschwerdeführer darin erblicken, dass bei der Vernehmung der (anonymisierten) Zeugen nicht - wie in Abs 3 vorgesehen - § 162a Abs 1 letzter Satz und Abs 2 bis 4 StPO sinngemäß angewendet wurde, sondern die Angeklagten von der Hauptverhandlung ausgeschlossen wurden, ist nicht mit Nichtigkeit bedroht. Im Übrigen ist aber zur Klarstellung Folgendes zu bemerken:
Zu der im Strafrechtsänderungsgesetz 1998, BGBl I Nr 153, vorgenommenen Neufassung des § 250 Abs 3 StPO, wonach bei der Vernehmung der Zeugen der Vorsitzende § 162a Abs 1 letzter Satz und Abs 2 bis 4 StPO sinngemäß anzuwenden und dabei auch den bei der Befragung nicht anwesenden Mitgliedern des Gerichtshofs Gelegenheit zu geben hat, die Vernehmung des Zeugen mitzuverfolgen und den Zeugen zu befragen, wird in der Regierungsvorlage ausdrücklich hervorgehoben, dass "die nun allgemein gefasste Möglichkeit einer abgesonderten (unter beschränkter Beteiligung der Parteien durchgeführten) Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung das 'Abtretenlassen des Angeklagten aus dem Sitzungssaal' nach § 250 Abs 1 StPO in Zukunft weitgehend entbehrlich machen (sollte)", weil "dieses ... durch den Ausschluss des Angeklagten von einem Teil der Hauptverhandlung eine weitergehende Einschränkung der Verteidigungsrechte dar(stellt) als die bloße räumliche Trennung einer Befragung, an der mit Hilfe technischer Mittel teilzunehmen dem Angeklagten dennoch möglich ist" (1230 BlgNR XX. GP, 33). Demnach wurde die (somit grundsätzlich auch weiterhin bei Vernehmung eines Zeugen vorgesehene) Möglichkeit einer Vorgangsweise gemäß § 250 Abs 1 StPO nicht ausgeschlossen, sondern es dem Ermessen des Gerichtes überlassen, erforderlichenfalls (nicht von der Neuregelung des Abs 3 leg cit Gebrauch zu machen, sondern) den Angeklagten aus dem Sitzungssaal zu entfernen, sodass der Nichtigkeitsgrund der Z 3 mangels Verletzung der Bestimmung des § 250 StPO nicht vorliegt. Dass durch diese - sohin im Einklang mit der österreichischen Rechtsordnung stehende - Vorgangsweise das im Art 6 EMRK verankerte Gebot der Fairness des gerichtlichen Strafverfahrens verletzt worden sei, weil es an der Möglichkeit gefehlt habe, die Glaubwürdigkeit der (anonymisierten) Zeugen einer Prüfung zu unterziehen, trifft ebenfalls nicht zu:
Abgesehen davon, dass die Vernehmung dieser Zeugen nicht den einzigen, sondern nur einen von mehreren Belastungsbeweisen darstellt (vgl NRsp 1993/108), hatten die Parteien die Möglichkeit (zwar nicht selbst, aber - was auch der EGMR für ausreichend hält; vgl Windisch gegen Österreich - durch ihre Verteidiger), die Belastungszeugen (welche - wie sich aus dem Rechtsmittelvorbringen ergibt - ihnen ja tatsächlich bekannt waren) zu befragen und mithin auch deren Glaubwürdigkeit zu prüfen. Die Vorgangsweise des Gerichtes eröffnete diesem sowie den Parteienvertetern überdies die - vom EGMR im Fall Kostovski gegen die Niederlande als wesentlich angesehene und durch die Beiziehung eines Dolmetschers keineswegs beeinträchtigte - Möglichkeit, das Verhalten der Zeugen während der Befragung zu beobachten und daraus einen eigenen Eindruck von deren Glaubwürdigkeit zu bekommen (ÖJZ 1990 MRK-Entscheidungen Nr. 9). Der in der Hauptverhandlung vom 20. Juli 2000 gestellte Antrag (auf Vorlage des Strafregisterauszuges und des polizeilichen Akteninhalts betreffend den Zeugen ZA1, die Beischaffung des Beschlusses über die Enthaftung des Zeugen ZA1 und der dieser Enthaftung zugrunde liegenden Sachverhaltsdarstellung, welche der Zeuge H***** erwähnt hat, sowie aus dem Strafakt des Zeugen ZA1 die Beischaffung sämtlicher Aktenstücke betreffend Bedingungen, Auflagen und/oder Zusicherungen gegenüber oder durch den Zeugen ZA1) wurde vom Gericht zu Recht gemäß § 238 StPO abgelehnt (AS 307 und 311/XXIII). Einerseits sind die Tatrichter ohnedies von der - durch die Anträge zu beweisen versuchten - Feststellung ausgegangen, dass maßgebliches Motiv (auch) dieses Zeugen für seine Aussage war, sich in dem gegen ihn geführten Verfahren eine Strafmilderung zu verschaffen (US 35), woraus unzweifelhaft erkennbar ist, dass die Abweisung des Beweisantrages keine den Angeklagten beeinträchtigenden Einfluss hatte (§ 281 Abs 3 StPO).
Andererseits ist die Ansicht des Schöffensenates zu billigen, dass (auch) mit diesem Antrag (nicht so sehr die Glaubwürdigkeit des Zeugen ZA1 geprüft als vielmehr) lediglich die Enttarnung des Zeugen betrieben werden sollte, was dessen Anonymisierung unterlaufen hätte. Da eine derartige Maßnahme (nicht nur von der innerstaatlichen Rechtsordnung, sondern) grundsätzlich auch vom EGMR akzeptiert wird, kann davon ausgegangen werden, dass das Recht auf Prüfung der Glaubwürdigkeit eines Belastungszeugen jedenfalls dort seine Schranken zu finden hat, wo dadurch die Anonymisierung eines solchen Zeugen unterlaufen würde.
Schließlich geht auch die - nur vom Angeklagten O***** vorgebrachte - Mängelrüge (Z 5) fehl, weil der vom Erstgericht gewonnene persönliche Eindruck durchaus ein taugliches Beweismittel ist (vgl Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 170) sodass die Bezugnahme auf das Erscheinungsbild des Beschwerdeführers eine ausreichende Begründung der Urteilsfeststellung eines Alters dieses Angeklagten von "um die 30" darstellt. Davon abgesehen hat der Senat - was im Rechtsmittel allerdings übergangen wird - diese Annahme auch mit der Funktion des Angeklagten in der gegenständlichen Dealergruppe begründet (US 29).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten P*****:
Soweit der Beschwerdeführer den Nichtigkeitsgrund der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO durch eine Verletzung der Vorschrift des § 250 Abs 3 StPO verwirklicht sieht, ist auf die Erledigung der entsprechenden Verfahrensrüge der Mitangeklagten I*****, K*****, O*****, T***** und E***** zu verweisen.
Dass die Voraussetzungen des § 166a StPO, nämlich eine ernste Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit des vernommenen anonymisierten Zeugen ZA1 vorlagen, ist angesichts der vorgelegenen (durch die - auch - die Beteiligung an einer kriminellen Organisation nach § 278a StGB) erfassenden Anklage charakterisierte Situation evident und wurde daher vom Erstgericht zutreffend angenommen (vgl US 32 zweiter Absatz).
Der Mängelrüge (Z 5) ist zunächst entgegenzuhalten, dass eine Aktenwidrigkeit des Urteils nur dann vorliegt, wenn dieses den (eine entscheidende Tatsache betreffenden) Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (Foregger/Fabrizy StPO8 § 281 Z 5 Rz 47), nicht aber auch dann, wenn darin - ohne Zitierung eines solchen Beweismittels - andere als durch Urkunden oder Aussagen indizierte Feststellungen getroffen wurden.
Davon abgesehen betrifft die Frage, ob der Angeklagte (bei der MA 48 als tageweise bezahlter Straßenkehrer beschäftigt oder) "ohne Beschäftigung" war, keine (erörterungsbedürftige) entscheidende, also auf die Lösung der Rechtsfrage oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluss übende Tatsache, weil die Ausübung einer solchen Beschäftigung einer Begehung der dem Angeklagten vorgeworfenen Suchtgiftdelikte keineswegs entgegensteht und angesichts der geringen Höhe des dadurch erzielten Einkommens die "Geldersparnisse" sowie der Besitz bzw die Unterhaltung einer Kamera und eines (häufig benützten) Handys keineswegs plausibel begründet werden können. Die Geltendmachung fehlender Hinweise auf die (ihm ebenso wie den anderen Angeklagten angelastete) Anbahnung von Suchtgiftgeschäften mittels eines Mobiltelefons übergeht die Urteilskonstatierung mehrmals täglich abgewickelter Telefongespräche und stellt sich letzlich nur ebenso als (unzulässiger) Versuch einer Bekämpfung der Beweiswürdigung eines Kollegialgerichtes nach Art einer Schuldberufung dar wie die Behauptung mangelhafter bzw unbegründeter (vgl jedoch US 53 f) Feststellungen ("Schätzungen") hinsichtlich der verkauften Suchtgiftmengen sowie dass die - lediglich den Abschluss eines Suchtgiftgeschäftes mit dem Angeklagten außerhalb des Tatzeitraumes betreffende - Aussage der Zeugin A***** den Schuldspruch nicht stützen könnte (wobei der Beschwerdeführer überdies außer Acht lässt, dass diese Aussage nur zur Widerlegung seiner Verantwortung, niemals gedealt zu haben, herangezogen wurde; US 35).
Gleiches gilt für seine Kritik hinsichtlich der (zT als widersprüchlich bemängelten) Feststellungen über seine (nicht geklärte) Identität und sein Alter, mit der er seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung vom 27. Juni 2000 (S 255 f/XXI) zum Durchbruch zu verhelfen sucht (US 27 f).
Urteilswidrig ist ferner der Beschwerdeeinwand unzureichender Auseinandersetzung des Erstgerichtes mit der Herkunft und der Verwendung des bei ihm aufgefundenen Geldes (US 52). Die Kritik am zuerkannten Beweiswert der Aussage des Zeugen K***** stellt nicht nur neuerlich den nicht akzeptablen Versuch einer Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffensenates dar, sondern übersieht, auch, dass diese Aussage nur ein von mehreren die Täterschaft des Angeklagten indizierenden Beweismitteln darstellt. Auf eine solche - unzulässige - Kritik an der Bewertung der Beweisergebnisse läuft auch die - das mangelnde Wissen des Zeugen ZA1 über seine Lebensverhältnisse bemängelnde (US 40 f) - Rüge des Angeklagten hinaus, dass nicht seiner Verantwortung, sondern den Angaben jenes Zeugen gefolgt wurde.
Die Subsumtionsrüge (Z 10) releviert neben der Behauptung der Verwendung bloßer verba legalia Feststellungsmängel zur objektiven wie subjektiven Tatseite der Qualifikation nach der Z 2 des § 28 Abs 4 SMG.
Dabei übergeht der Beschwerdeführer die auf US 15 und 66 f getroffenen Feststellungen, welche die erforderlichen Grundlagen zur vorgenommenen Qualifikation des Verhaltens (auch) des Beschwerdeführers enthalten und bringt den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund damit nicht zur gesetzesgemäßen Darstellung. Gleiches gilt für die Kritik an der unterbliebenen Auseinandersetzung mit der Frage der Menge an Reinsubstanz des dem Beschwerdeführer zugeordneten Heroins bzw Kokains, ignoriert der Angeklagte doch jene von "Straßenqualität" bzw von einem Reinheitsgrad von 10 bis 25 % bei Heroin und 40 bis 50 % bei Kokain sprechenden Urteilspassagen (US 5, 16 und insb 39), auf Grund derer sich in Verbindung mit den festgestellten Mengen von insgesamt (mindestens) 100 Gramm Heroin/Kokain (US 5, 18 54) mit (gerade noch) hinreichender Genauigkeit Schlüsse auf eine die Qualifikation nach § 28 Abs 2 SMG rechtfertigende Größe der Reinsubstanz (Grenzmenge: 5 Gramm Heroin bzw 15 Gramm Kokain) ziehen lassen (Mayerhofer NG4 SMG § 28 E 21 f). Schließlich verfehlt auch die Strafzumessungsrüge (Z 11) ihre Ausrichtung am Gesetz. Denn sie geht mit der Behauptung eines legalen Aufenthaltes des Angeklagten im Inland ebenso von anderen Feststellungen als den im Urteil getroffenen (US 12) aus wie mit dem - der Urteilsannahme seines Alters von 24 Jahren (US 27) widersprechenden - Hinweis auf ein mögliches Alter des Beschwerdeführers von mehr (gemeint ersichtlich: weniger) als 21 Jahren.
Die nur zum Teil gesetzmäßig ausgeführten, in diesem Umfang jedoch sachlich unberechtigten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten I*****, K*****, O*****, P*****, T***** und E***** waren daher bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285d), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss (§ 494a Abs 1 Z 4 StPO) folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Aber auch der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt keine Berechtigung zu.
Nach (gefestigter) Judikatur des Obersten Gerichtshofes ist für die Erfüllung der Qualifikation nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG bei Prüfung der Frage, ob der Täter in der Absicht handelt (§ 5 Abs 2 StGB), sich durch wiederkehrendes Erzeugen, Einführen, Ausführen oder Inverkehrsetzen einer jeweils großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, unerheblich, ob die von der Absicht des Täters auf fortlaufende Einnahmegewinnung umfassten großen Suchtgiftmengen auf ein Mal oder bewusst kontinuierlich in Teilmengen erzeugt, eingeführt, ausgeführt oder in Verkehr Gesetz werden sollten. Es kann daher auch ein fortlaufendes - der Zielsetzung des § 70 StGB entsprechendes - Tatgeschehen, bei dem die Grenzmenge überschritten wurde, nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG qualifiziert sein, insofern der Vorsatz des Täters bei Setzung der die Grenzmenge erreichenden Teilakte darauf gerichtet war, die Tat durch weitere Teilakte, die jeweils zur Summierung des Suchtgiftes zu großen Mengen führen sollen, zu wiederholen (11 Os 91/00, 11 Os 44, 45/00).
Freilich bedarf es für die Annahme einer solchen Qualifikation entsprechender Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite. Da das Erstgericht jedoch zufolge seiner (zutreffend als unrichtig gerügten) Rechtsansicht (mehrfach) lediglich konstatierte, dass die Angeklagten auch in der Absicht handelten, sich (durch den fortgesetzten Verkauf einer die große Menge insgesamt übersteigenden Drogenmenge) eine fortlaufende Einnahme zu sichern bzw dass "bei allen Angeklagten, ausgenommen O***** ... nicht festgestellt werden kann, dass sich die Absicht der Täter auf die wiederkehrende Inverkehrsetzung jeweils großer Mengen bezog" (US 65 iVm US 16 f, 47, 48, 54, 56, 58, 61), hätte die Staatsanwaltschaft - um ihre Rechtsmittel prozessordnungsgemäß auszuführen - richtigerweise (aus der irrigen Rechtsansicht der Tatrichter herrührende) Feststellungsmängel unter Hinweis auf die vermissten Feststellungen indizierende Verfahrensergebnisse (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 10 E 9a) geltend machen müssen. Sie hätte sich nicht - unter Vernachlässigung letzterer (Negativ-)Feststellungen - auf die Kritik beschränken dürfen, dass das Erstgericht "bei richtiger rechtlicher Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes auch zu einem Schuldspruch in Richtung § 28 Abs 3 (erster Fall) SMG hätte gelangen müssen". Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war deshalb ebenfalls bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285a Z 2 StPO).
Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.
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