OGH 11Os138/12x

OGH11Os138/12x11.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Dezember 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Meier als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl S***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 7. August 2012, GZ 38 Hv 31/12s-20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Forsthuber zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Wortfolge, dass Karl S***** den im Schuldspruch genannten Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt begangen hat, demgemäß in der Subsumtion der Tat auch unter § 142 Abs 2 StGB, sowie im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Karl S***** hat durch die im Schuldspruch beschriebene Tat das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB begangen und wird hiefür nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten verurteilt.

Die Vorhaftanrechnung wird dem Erstgericht überlassen.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karl S***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 5. Mai 2012 in B***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz mit Gewalt gegen eine Person, indem er Harald H***** unter wiederholter Aufforderung, 90 Euro herauszugeben, mit Stößen zu Sturz brachte, fremde bewegliche Sachen, nämlich 25 Euro abgenötigt, wobei er den Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Werts beging und die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich zog.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Staatsanwaltschaft aus Z 10 des § 281 Abs 1 StPO mit dem Ziel einer Tatbeurteilung nach § 142 Abs 1 StGB ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist im Recht.

Nach den zur Gewaltanwendung getroffenen Urteilsannahmen versetzte der Angeklagte dem sitzenden Harald H***** plötzlich und unerwartet einen Stoß gegen den linken Oberarm, sodass dieser mit dem Sessel auf die rechte Seite umfiel und einen handtellergroßen Bluterguss an der rechten Rippenseite erlitt. Nachdem Harald H***** wieder aufgestanden war und den Angeklagten von sich weggeschubst hatte, versetzte dieser dem aufgrund seiner starken Alkoholisierung nicht sehr standfesten Harald H***** neuerlich einen Stoß gegen den Oberkörper, sodass er abermals zu Sturz kam. Aufgrund der mit einer hohen Alkoholisierung ohnehin verbundenen Unsicherheit in der Koordination und in der Haltfestigkeit (offenbar gemeint: des Harald H*****) musste der Angeklagte „keine besondere Kraft“ aufwenden, um Harald H***** zu Sturz zu bringen (US 4).

Erhebliche Gewalt (gegen eine Person) ist dann anzunehmen, wenn der Täter bei seinem Angriff beachtliche physische Kräfte in vehementer Weise einsetzt, wobei die Belastung des Opfers im Vergleich zu Durchschnittsfällen nicht als geringfügig einzustufen ist. Ob dies zutrifft, ist nach einem objektiv-individualisierenden Maßstab unter Berücksichtigung aller konkreten Fallgegebenheiten, wie etwa auch des körperlichen Zustands des Angegriffenen, zu beurteilen (RIS-Justiz RS0094427; Eder-Rieder in WK²§ 142 Rz 56 ff). Gegenüber (allenfalls auch vorübergehend) weniger wehrhaften Personen genügt regelmäßig schon ein geringeres Maß an Gewalt, um diese als erheblich zu werten (RIS-Justiz RS0094427 [T8]).

Das Zu-Boden-Stoßen einer sitzenden oder stehenden erwachsenen Person erfordert in der Regel (anders als etwa ein zu bloßem Stolpern führender Stoß; vgl SSt 51/50) die Anwendung erheblicher Gewalt im Sinn der oben dargelegten Begriffsdefinition. Wenn dafür - wie vorliegend - ausnahmsweise „besondere“ (vgl US 4) physische Kraft nicht erforderlich war, so ist dies nach den tatrichterlichen Feststellungen auf den (alkoholbedingten) schlechten körperlichen Zustand des Opfers zurückzuführen. Im Vergleich zu gleichgelagerten Durchschnittsfällen bei nüchternen Tatopfern war daher die Belastung des infolge seiner starken Alkoholisierung in seiner Widerstandsfähigkeit herabgesetzten Harald H*****, der überdies zweimaligen Angriffen des Angeklagten ausgesetzt war, in ihrer Gesamtheit nicht mehr als geringfügig einzustufen.

Demnach war - entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur - in Stattgebung der Nichtigkeits-beschwerde der Staatsanwaltschaft das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in der Wortfolge, dass Karl S***** den im Schuldspruch genannten Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt begangen hat, demgemäß in der Subsumtion der Tat auch unter § 142 Abs 2 StGB, sowie im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufzuheben und in der Sache selbst zu erkennen, dass der Angeklagte durch die im Ersturteil beschriebene Tat das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB begangen hat.

Bei der Strafneubemessung waren dreizehn einschlägige Vorstrafen, der rasche Rückfall und die Verletzung des Opfers erschwerend, als gesondert mildernd kein Umstand zu werten.

Mit Blick auf die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) war zu berücksichtigen, dass - bis auf eine bezirksgerichtliche Verurteilung aus dem Jahr 2010 - sämtliche Vorstrafen des Angeklagten deutlich mehr als zehn Jahre zurückliegen und der Unrechts- und Schuldgehalt der vorliegenden, an der Grenze zur Privilegierung des § 142 Abs 2 StGB angesiedelten Delinquenz im Vergleich zu durchschnittlichen, nach § 142 Abs 1 StGB zu beurteilenden räuberischen Angriffen gering ist. Unter Zugrundelegung dieser Kriterien konnte mit einer Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten das Auslangen gefunden werden. Einer auch nur teilbedingten Strafnachsicht steht jedoch das einschlägig getrübte Vorleben des Angeklagten entgegen.

Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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