OGH 11Os135/90

OGH11Os135/9019.1.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Jänner 1991 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Felzmann, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Paulin als Schriftführerin in der Strafsache gegen Martin G* wegen des Verbrechens des versuchten schweren Betruges als Beteiligter nach den §§ 12, dritter Fall, 15, 146, 147 Abs. 3 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 3. September 1990, GZ 4 d Vr 92/90-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1991:011 OS00135.9000.0129.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 1971 geborene Angestellte Martin G* des Verbrechens des versuchten schweren Betruges als Beteiligter nach den §§ 12, dritter Fall, 15, 146, 147 Abs. 3 StGB und des Vergehens nach dem § 34 Abs. 1 Kreditwesengesetz schuldig erkannt, weil er am 19. Oktober 1989 in Wien vorsätzlich dadurch, daß er den gesondert verfolgen Johann S* und Michael S* das Losungswort "A*" des Sparbuches der Ö* L* mit der Nr. * des Roman K* mit einem Einlagestand von cirka 930.000 S gegen die Zusage eines Bargeldbetrages von 10.000 S offenbarte,

A) zur Ausführung des von Johann S* und Michael S* in der Folge versuchten schweren Betruges beitrug, die unter Vorlage des Sparbuches bei der genannten Bank unter Anführung des geoffenbarten Losungswortes die Auszahlung von 930.000 S begehrten,

B) eine Tatsache des Bankgeheimnisses (§ 23 Kreditwesengesetz) offenbarte, um sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden.

Rechtliche Beurteilung

Beide Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Ziffern 4, 5, 5 a und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die sich schon aus folgenden Gründen als berechtigt erweist.

Martin G* verantwortete sich – sinngemäß zusammengefaßt - dahingehend, er habe von dem späteren betrügerischen Vorgehen der beiden Haupttäter keine Kenntnis gehabt, den ihn um Hilfe bei der Eruierung des Losungswortes bittenden Johann S* als ehemaligen Arbeitskollegen gekannt, für den Sohn wohlhabender Eltern gehalten und die Verfügungsberechtigung (des S* über das Sparbuch nicht in Zweifel gezogen. Johann S* habe gewußt, daß es sich bei dem Losungswort um einen Frauennamen handle und im Zuge der vom Angeklagten seiner Auffassung nach zulässigerweise gewährten Unterstützung ua auch den richtigen Namen "A*" genannt.

Das Jugendschöffengericht lehnte diese Darstellung im wesentlichen mit dem Hinweis auf den von S* für die Offenbarung des Losungswortes in Aussicht gestellten Geldbetrag von 10.000 S und dessen Urgierung durch den Angeklagten als unglaubwürdig ab, unterließ es jedoch, die Verantwortung unter dem Gesichtspunkt der beiden verschiedenen Anklagevorwürfe einer differenzierenden Beurteilung zu unterziehen und - wie die Beschwerde zutreffend geltend macht - sich vor allem mit den gegen eine Beitragstäterschaft zum Betrug sprechenden Umständen näher auseinanderzusetzen (Z 5). Hiezu wären die Tatrichter aber umsomehr verpflichtet gewesen, als der Vorsatz eines derartigen Beitragstäters sich nicht nur auf die Unterstützung einer wenigstens in groben Umrissen vorgestellten Tat beziehen, sondern auch alle subjektiven Tatbestandsmerkmale umfassen und daher die vom Willen zur unrechtmäßigen Bereicherung einer Person getragene Zufügung eines (bei Heranziehung einer Schadensqualifikation auch der maßgebenden Höhe nach bedachten) Vermögensschadens einschließen muß. Der hier allein verwertbare Urteilsausspruch, wonach der Angeklagte es zumindest ernstlich für möglich hielt und sich mit dieser Möglichkeit abfand, daß das verfahrensgegenständliche Sparbuch von Unberechtigten betrügerisch eingelöst wird (S 175, 177), bringt bei der vorliegenden besonderen Fallgestaltung - auch unter Berücksichtigung der sonstigen Wortwahl in den Entscheidungsgründen - die bezeichneten Voraussetzungen der subjektiven Tatseite nicht hinreichend zum Ausdruck, weil das Schöffengericht die Bezeichnung "betrügerisch" auch zur Umschreibung eines bloßen Täuschungsverhaltens verwendet (vgl. S 174: "... das Sparbuch ... betrügerisch zu entfremden."). Demnach reichen die Feststellungen im Ersturteil nicht aus (Z 9 a), um darauf die rechtliche Annahme einer Beitragstäterschaft zum versuchten schweren Betrug auch in subjektiver Hinsicht verläßlich stützen zu können.

Der Schuldspruch wegen des Vergehens nach dem § 34 Abs. 1 Kreditwesengesetz ist gleichfalls mit einem Feststellungsmangel behaftet, weil das genannte Delikt auf der inneren Tatseite verlangt, daß der Täter in der akzentuierten Vorsatzform der Absichtlichkeit sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuwenden oder einem anderen einen Nachteil zufügen will (vgl. Leukauf‑Steininger 2 Strafrechtliche Nebengesetze, § 34 KWG, Anm. B). Auch zur Beurteilung dieses subjektiven Tatbestandselementes wurden vom Erstgericht keine Konstatierungen vorgenommen.

Schon diese vom Angeklagten mit Recht aufgezeigten gravierenden Mängel des angefochtenen Urteils im Sinn der Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO machen gemäß dem § 285 e StPO die Aufhebung des angefochtenen Urteils erforderlich.

Bei der Neudurchführung des Verfahrens wird unter anderem auch zu prüfen sein, ob der Sachwalter des Geschädigten Roman K*, wie es dem Wortlaut der Anfrage der Staatsanwaltschaft beim Jugendgerichtshof Wien vom 27. November 1989 entsprochen hätte (maschinschriftlich modifiziertes StPForm StA 5), den Antrag auf Strafverfolgung im Sinn des § 2 Abs. 4 StPO stellen oder mit dem ihm übermittelten (unberichtigten) Vordruck nur eine Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilen wollte (zur grundsätzlichen Problematik vgl. SSt. 51/11).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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