OGH 11Os132/87

OGH11Os132/8720.10.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Oktober 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut (Berichterstatter) als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Levnaic-Iwanski als Schriftführer in der Strafsache gegen Maximilian K*** und Franz F*** wegen des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Franz F*** sowie die Berufung des Angeklagten Maximilian K*** gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 19. Mai 1987, GZ 32 Vr 590/87-17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Presslauer, der Angeklagten Maximilian K*** und Franz F*** und der Verteidiger Dr. Mayrhofer und Dr. Maier zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung des Angeklagten Franz F*** wird Folge

gegeben und die über ihn verhängte Freiheitsstrafe unter Bedachtnahme gemäß den §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichtes Mauthausen vom 13.Oktober 1986, AZ 2 U 214/86, auf 13 (dreizehn) Monate herabgesetzt.

Hingegen wird der Berufung des Angeklagten Maximilian K*** nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 18.November 1954 geborene Maximilian K*** des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB (Schuldsprüche A/I/a/ bis d/) und des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs 1, 1. Fall StGB (Schuldspruch A/II/) sowie der am 15. April 1949 geborene Franz F*** des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach dem § 287 Abs 1 (§§ 83 Abs 1; 15, 269 Abs 1, 1. Fall; 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4) StGB (Punkte B/I/ bis III/ des Urteilssatzes) schuldig erkannt.

Dieses Urteil wird vom Angeklagten Franz F*** im Umfang seines Schuldspruchs mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit a bis c des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch von beiden Angeklagten mit Berufung angefochten.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Franz F*** erweist sich als teils offenbar unbegründet, teils nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Dem Nichtigkeitswerber liegt zur Last, sich am 13.April 1986 in Mauthausen und Linz fahrlässig durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt und in diesem Zustand am 14.April 1986 I.) in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit Maximilian K*** und teils noch weiteren, gesondert verfolgten Mittätern a) Wolfgang W*** vorwiegend durch Faustschläge gegen den Kopf, b) Wilhelm P*** durch Faustschläge, Fußtritte und Fingerdruck gegen beide Augen, c) Manfred S*** durch Schläge gegen den Kopf und den Körper sowie d) Klaus H*** ebenfalls durch Faustschläge, Fußtritte und Fingerdruck gegen beide Augen am Körper leicht verletzt und an der Gesundheit geschädigt, II.) den Polizeibeamten Hubert H***, indem er ihm Schläge und Tritte versetzte, a) mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich an seiner Visitierung, Festnahme und Verbringung in den Arrestantenwagen zu hindern versucht und b) während der Vollziehung dieser Amtshandlung durch Zufügung einer schmerzhaften Prellung des linken Unterarms verletzt, mithin Handlungen begangen zu haben, die ihm außer diesem Zustand als Vergehen der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB, Vergehen des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs 1, 1. Fall StGB und als Vergehen der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB zugerechnet würden.

Der (sinngemäße) Beschwerdeeinwand unzureichender Urteilsbegründung (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO), "es sei nicht erwiesen", daß Polizeiinspektor H*** durch den Beschwerdeführer verletzt worden sei, weil die als Zeugen vernommenen Polizeibeamten außerstande gewesen wären, den Verursacher der Verletzungen zu bezeichnen, widerspricht dem Akteninhalt. Nach dem Hauptverhandlungsprotokoll gab nämlich der Zeuge H*** - in Übereinstimmung mit seiner Darstellung im Zuge der sicherheitsbehördlichen Erhebungen (Seite 140) - an, daß er vom Beschwerdeführer verletzt worden war (Seiten 252 bis 254). Da sich die bekämpfte Urteilsfeststellung über die Verursachung der in Rede stehenden Verletzung durch den Angeklagten nicht nur auf diese Verfahrensergebnisse, sondern auch darauf stützt, daß der Zeuge Manfred R*** zumindest Mißhandlungen des tatbetroffenen Polizeibeamten durch den Beschwerdeführer bestätigte (Seite 269 in Verbindung mit den Seiten 15 und 16 der Urteilsausfertigung), liegt der behauptete formelle Begründungsmangel in Wahrheit nicht vor. Der weitere - teils auch im Rahmen der Rechtsrüge erhobene - Einwand, an der Verletzung des Sicherheitswachebeamten durch den Beschwerdeführer bestünden erhebliche Zweifel, weil nach den Angaben des Zeugen H*** "ein großer Durcheinander" geherrscht hätte (Seite 253), beschränkt sich auf den im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen und daher unbeachtlichen Versuch einer Bekämpfung der freien tatrichterlichen Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO). Als formell mängelfrei begründet erweist sich dem Beschwerdestandpunkt zuwider aber auch die Urteilsannahme, daß sich der Angeklagte F***, nachdem er von den intervenierenden Polizeibeamten aus seinem PKW gezogen worden war, auf den Boden legte (Seite 13 der Urteilsausfertigung), findet sie doch in der Aussage des Zeugen H*** volle Deckung (Seite 261). Im übrigen betrifft es keinen entscheidungswesentlichen Umstand, ob sich der Beschwerdeführer niedergelegt hatte oder rauschbedingt zu Boden gestürzt war, weil das Erstgericht ohnedies von einer im Tatzeitpunkt wirksamen vollen Berauschung ausging und den Verfahrensergebnissen kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen ist, daß der Rauschzustand des Angeklagten den Grad einer Bewußtlosigkeit erreicht hätte und er solcherart über eine - die Zurechnungsfähigkeit ausschließende - Aufhebung seiner Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit hinaus unfähig gewesen wäre, jedwede (auf einen pönalisierten Erfolg ausgerichtete) Willensbetätigung zu entfalten. Dem (nach dem § 287 Abs 1 StGB verantwortlichen) Rauschtäter fehlt nämlich nicht die Fähigkeit zum Tatentschluß (die Willensreaktion), sondern bloß die Diskretions- oder (und) die Dispositionsfähigkeit. Die subjektive Tatbestandsverwirklichung nach dem § 287 Abs 1 StGB setzt keineswegs jene Einsichtigkeit und Bewußtheit der Willensbildung, die das gewollte Handeln eines nicht volltrunkenen Vorsatztäters kennzeichnet, voraus. Unter vorsätzlicher Begehung einer Rauschtat ist nichts anderes als natürliches Wissen und Wollen der Tat zu verstehen, das auch dem Volltrunkenen möglich ist (EvBl 1980/183; ÖJZ-LSK 1982/180 zu § 287 StGB). Deshalb steht - der insoweit sachlich auf den § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützten Beschwerdeargumentation zuwider - die Urteilsannahme vorsätzlichen Zusammenwirkens wie überhaupt vorsätzlichen (§ 5 Abs 1 StGB) Handelns des Angeklagten F*** im Zusammenhang mit sämtlichen zu Punkt B/ des Urteilssatzes erfaßten Rauschtaten weder in einem tatsächlichen, noch in einem rechtlichen Widerspruch zur Feststellung mangelnder Dispositionsfähigkeit (Seite 7 der Urteilsausfertigung).

Mit dem weiteren, nominell auf den § 281 Abs 1 Z 9 lit a bis c StPO gestützten Beschwerdevorbringen wird die Rechtsrüge in keiner Richtung zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung gebracht:

Die fakultative Strafbemessungs(=ausdehnungs)vorschrift der Strafschärfung bei Rückfall nach dem § 39 StGB wurde vorliegend gar nicht angewendet, liegt doch die ausgesprochene Freiheitsstrafe von 14 Monaten innerhalb der (eine Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren einschließenden) Strafdrohung des § 287 Abs 1 StGB. Eine (vom Beschwerdeführer möglicherweise in Betracht gezogene) Urteilsnichtigkeit nach dem § 281 Abs 1 Z 11 StPO hätte bei Anwendung des § 39 StGB überdies zur Voraussetzung, daß die Grenzen der hiedurch ermöglichten Strafausdehnung überschritten worden wären (Leukauf-Steininger, Kommentar2 § 39 StGB RN 19). Soweit in der Beschwerde überdies ein Mangel an rückfallsbegründenden Vorverurteilungen sinngemäß darin erblickt wird, daß der Angeklagte F*** erstmals nach dem § 287 Abs 1 StGB schuldig gesprochen wurde, ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, daß im Fall des § 287 StGB die Annahme gleicher schädlicher Neigung in bezug auf eine Vortat keineswegs voraussetzt, daß auch diese Tat im Zustand voller Berauschung begangen wurde (Leukauf-Steininger, Komm.2, § 71 RN 8). Davon ausgehend unterlief dem Erstgericht aber kein Rechtsirrtum, wenn es im konkreten Fall in Anbetracht der den Vorverurteilungen zu den Punkten 22 und 23 der Strafregisterauskunft ON 10 des Aktes zugrundeliegenden Gewaltdelikte die Voraussetzungen der Strafschärfung nach dem § 39 StGB grundsätzlich für erfüllt erachtete (Seite 6 der Urteilsausfertigung).

Mit dem Einwand schließlich, bei Bemessung der Strafe seien Verletzungen des Beschwerdeführers (schwerer Nasenbeinbruch, Hundebiß) als Milderungsgründe unberücksichtigt geblieben, wird - so wie mit dem zuletzt behandelten Beschwerdevorbringen -, keine Nichtigkeit in bezug auf den erstgerichtlichen Strafausspruch, sondern lediglich ein Berufungsgrund geltend gemacht. Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich demnach zur Gänze als verfehlt, weshalb sie zu verwerfen war.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten Maximilian K*** nach dem § 269 Abs 1 (1. Strafsatz) StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten und Franz F*** nach dem § 287 Abs 1 StGB zu einer solchen in der Dauer von 14 Monaten. Dabei wertete es beim Angeklagten K*** die (elf) einschlägigen Vorverurteilungen, das Zusammentreffen zweier Vergehen und die Wiederholung der Verletzungsakte, beim Angeklagten F*** die (sechzehn) einschlägigen Vorverurteilungen, das Zusammentreffen zweier Rauschtaten und die Tatwiederholung in bezug auf die Verletzungshandlungen als erschwerend, als mildernd hingegen bei beiden Angeklagten ihr Teilgeständnis, bei Maximilian K*** zudem den Umstand, daß es in Ansehung des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt beim Versuch blieb.

Beide Angeklagten streben mit ihren Berufungen eine Herabsetzung

der über sie verhängten Strafen an.

Nur der Berufung des Angeklagten Franz F*** kommt

Berechtigung zu. Abgesehen davon, daß diesem Angeklagten die (vom Erstgericht bei der Strafbemessung vernachlässigten) eigenen Verletzungen, die er im Zuge der Tatausführung erlitt (Nasenbeinbruch, Hundebißwunden - vgl. S 61 des Aktes), als weiterer Milderungsgrund zustatten kommen, geht aus der im Rechtsmittelverfahren neu beigeschafften Strafregisterauskunft hervor, daß Franz F*** (nach Verübung des vorliegend urteilsgegenständlichen Tatkomplexes) mit dem (am 12.März 1987 in Rechtskraft erwachsenen) Urteil des Bezirksgerichtes Mauthausen vom 13. Oktober 1986, AZ 2 U 214/86, des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat verurteilt wurde. Die bei dieser Sachlage gemäß den §§ 31, 40 StGB gebotene Prüfung, welche Strafe bei gemeinsamer Aburteilung aller in Rede stehender Taten ausgesprochen worden wäre, führt - unter Mitberücksichtigung des zusätzlichen Milderungsgrundes der eigenen (erheblichen) Verletzungen - zu dem Ergebnis einer tat- und tätergerechten Gesamtstrafdauer von vierzehn Monaten. Schon aus dieser Sicht war das Ausmaß der vom Erstgericht verhängten Freiheitsstrafe entsprechend herabzusetzen, auch wenn sich die weiteren Berufungseinwände rauschbedingt reduzierter deliktischer Willensintensität bzw. mehrfacher Sorgepflichten als nicht zielführend erweisen mußten.

Demgegenüber kommt in Ansehung des Angeklagten Maximilian K*** die angestrebte Korrektur des erstgerichtlichen Strafausspruchs nicht in Betracht. Da eine Strafschärfung gemäß dem § 39 StGB der Berufungsauffassung zuwider auch in bezug auf diesen Angeklagten nicht zur Anwendung gelangte, wertete das Erstgericht zu Recht sämtliche (elf) Vorverurteilungen wegen Gewaltdelikten als erschwerend. Daß schon die durch (gezielten) Fingerdruck gegen die Augen einzelner Tatopfer verursachten Bindehautblutungen der Reklamation "nicht gravierender" Tatfolgen den Boden entziehen, bedarf keiner näheren Erörterung. In Anbetracht des von zahlreichen, in unterschiedlichen Zeitintervallen verübten Gewaltdelikten gekennzeichneten Vorlebens des Angeklagten K*** kann auch davon keine Rede sein, daß der seit dem verfahrensgegenständlichen Tatkomplex verstrichene Zeitraum - mag auch der Berufungswerber inzwischen einer geregelten Erwerbstätigkeit nachgehen - einen als Milderungsgrund zu berücksichtigenden Anhaltspunkt für eine grundlegende positive Wesensänderung darstelle. Kommt doch in dieser Hinsicht dem Umstand ausschlaggebende Bedeutung zu, daß sich die über Maximilian K*** zuletzt im Jahr 1984 wegen ähnlicher Tathandlungen (Nötigung, Körperverletzung, versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt) verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten nicht als ausreichend wirksam erwies. Die behauptete Überhöhung des bekämpften Strafausspruchs liegt mithin nicht vor. Über die Rechtsmittel der Angeklagten war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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