OGH 11Os130/81

OGH11Os130/819.9.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.September 1981

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schramm als Schriftführers in der Strafsache gegen Ernst A wegen des Verbrechens des versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15, 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB.

über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 24.Feber 1981, GZ. 2 a Vr 5.070/80-61, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Peisteiner und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 1 1/2 (eineinhalb) Jahre herabgesetzt wird.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 22.Februar 1940 geborene Maler und Anstreicher Ernst A des Verbrechens des versuchten schweren Diebstahls nach den §§ 15, 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB. schuldig erkannt, weil er am 8.März 1980 in Wien dadurch, daß er eine Auslagenscheibe des in der Landstraßer Hauptstraße Nr. 131 etablierten Wäschegeschäftes 'Glocken' einschlug, in dieses Geschäftslokal eindrang und es nach Diebsgut durchsuchte, der Maria B fremde bewegliche Sachen, insbesondere Bargeld in einem 5.000 S übersteigenden Betrag mit dem Vorsatz wegzunehmen versuchte, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z. 5

und 9 lit a (richtig Z. 10) StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der kein Erfolg zukommt.

Die vom Beschwerdeführer mit Beziehung auf den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund aufgezeigte Aktenwidrigkeit, es sei im Wäschegeschäft der Maria B in Wahrheit eine Glasscheibe der Eingangstüre und nicht, wie im Urteil festgestellt, der Auslage eingeschlagen worden, betrifft keinen für die rechtliche Beurteilung entscheidenden Umstand. Die in den Urteilsgründen angeführte Tatzeit 8. Jänner 1980, statt richtig 8.März 1980, beruht ersichtlich auf einem bloßen - gleichfalls nicht entscheidungswesentlichen - Schreibfehler; im Urteilsspruch wurde im übrigen ohnedies die richtige Tatzeit bezeichnet.

Unzutreffend ist aber auch das übrige Beschwerdevorbringen zur Mängelrüge, das Erstgericht habe bei der Annahme, wonach der Angeklagte mit Diebstahlsvorsatz und ohne volltrunken zu sein, nach Einschlagen einer Glasscheibe der Geschäftseingangstüre in das Geschäft eingedrungen sei und der Kasse ca. 264 S Wechselgeld entnommen und in seiner Kleidung verwahrt habe, wesentliche Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergangen und für diese Annahme nur unzureichende Gründe angegeben. Daß der Angeklagte die Glasscheibe der Geschäftseingangstüre selbst einschlug, konnte schon daraus abgeleitet werden, daß die Sicherheitsbehörde bereits einige wenige Minuten, nachdem Maria B den beim Einbruch verursachten Lärm wahrgenommen und die Verständigung der Polizei veranlaßt hatte, am Tatort eintraf (vgl. S. 11 in ON. 41; 364 d.A.). Mit der Frage aber, ob der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt bloß mittelstark alkoholisiert oder wegen seines vorangegangenen Alkoholkonsums unfähig war, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, setzte sich das Erstgericht ohnedies eingehend auseinander und legte in logisch einwandfreier Weise dar, aus welchen Gründen es der Verantwortung, er sei volltrunken gewesen und könne sich an den Tathergang nicht mehr erinnern, den Glauben versagte. Es bezog sich hiebei insbesondere auf den Befund des Polizeiamtsarztes Dr. Egon C, das Gutachten des gerichtspsychiatrischen Sachverständigen Dr. Ralph K. D und die Wahrnehmungen der einschreitenden Sicherheitsbeamten, welche den Eindruck gewonnen hatten, daß sich der Angeklagte nur (hinter Stoffballen versteckt) schlafend und (in der Folge) bewußtlos stellte, sowie auf dessen spätere, auf das Fehlen einer Erinnerungslücke hindeutende Äußerung gegenüber dem Polizeibeamten Manfred E. Wenn das Schöffengericht auf Grund all dessen die Möglichkeit einer Aufhebung der Diskretions- oder der Dispositionsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit ausschloß, so setzte es damit einen Akt schlüssiger Beweiswürdigung, der einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entrückt ist.

Ferner konnte das Erstgericht im Einklang mit den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung aus dem Umstand, daß beim Beschwerdeführer ein Betrag von 294,10 S an Kleingeld vorgefunden wurde, von dem 264 S nach der (für beweiskräftig erachteten) Zeugenaussage der Elfriede F aus der (bei Einschreiten der Polizei offenstehenden) Geschäftskasse stammten, folgern, daß er vom Vorsatz geleitet war, sich durch die Wegnahme von Bargeld unrechtmäßig zu bereichern, und nach Lage des Falles auch die Überzeugung gewinnen, daß er sich eine größere, den Wert von 5.000 S übersteigende Diebsbeute aus dem Einbruch in ein Geschäftslokal erwartete. Soweit der Beschwerdeführer die bezüglichen Beweisergebnisse für nicht überzeugend und für einen Schuldspruch oder für die Annahme der Qualifikation des § 128 Abs 1 Z. 4 StGB. nicht ausreichend hält, zieht er abermals nur in unbeachtlicher Weise die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes in Zweifel.

Zu Unrecht macht der Beschwerdeführer schließlich - der Sache nach aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs 1 StPO. - Feststellungsmängel des angefochtenen Urteils mit der Behauptung geltend, das Erstgericht habe nicht sämtliche Konstatierungen - wie etwa auch bezüglich der konsumierten Alkoholmenge und seines Blutalkoholwertes - getroffen, die für die Lösung der Frage, ob er die ihm angelastete Tat in einem seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand begangen habe, und für die Unterstellung dieser Tat allenfalls nur unter den Tatbestand des § 287 StGB. wesentlich gewesen wären.

Volle Berauschung setzt einen Zustand des Täters voraus, in dem sein Bewußtsein so tiefgreifend gestört ist, daß er nicht mehr in der Lage ist, das Unrecht einer in diesem Zustand gesetzten Straftat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln. Im vorliegenden Fall stellte das Erstgericht jedoch fest, daß der Angeklagte zur betreffenden Tatzeit in der Lage war, Wahrnehmungen zu machen, diese Eindrücke zu verarbeiten, daraus Schlüsse zu ziehen und dementsprechend seinen Willen zu bilden und auszuführen (vgl. S. 366 d. A.). Es verneinte sonach beim Angeklagten das Vorliegen der typischen Kennzeichen für eine volle Berauschung, wie ungenügende Orientierung des Täters in Zeit und Raum, Sinnlosigkeit seines Handelns und Erinnerungsverlust in bezug auf die Tatereignisse (vgl. die bei Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB.2, RN. 9 zu § 287 StGB. zitierten Entscheidungen). Nähere Tatsachenfeststellungen über die vom Angeklagten genossenen Alkoholmengen und den sich daraus für ihn zum Zeitpunkt der Tat ergebenden Blutalkoholwert erübrigten sich bei dieser Sachlage, weil der Angeklagte hierüber selbst keine exakten Angaben machen konnte (vgl. S. 19, 44 in ON. 41; 341 d.A.), im übrigen aber die Beurteilung der Frage, ob einem Täter die Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit fehlt, primär nicht von einem bestimmten Wert der Blutalkoholkonzentration, sondern von der jeweiligen Fähigkeit des Täters, sich bei und nach der Tat situationsgemäß zu verhalten, den Zweck und die Tragweite seines Vorgehens richtig zu erfassen, und von den sonstigen Umständen des Einzelfalles abhängt.

So gesehen traf das Erstgericht alle für die rechtliche Beurteilung wesentlichen Sachverhaltsfeststellungen und unterstellte demzufolge das Tatverhalten des Beschwerdeführers rechtsrichtig dem Tatbestand des versuchten (schweren) Diebstahls (durch Einbruch) und nicht jenem der selbstverschuldeten vollen Berauschung nach dem § 287 StGB.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war sohin zu verwerfen.

Das Landesgericht verurteilte den Angeklagten nach dem § 129 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von viereinhalb Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die zahlreichen einschlägigen, auch die Voraussetzungen des § 39 StGB. erfüllenden Vorstrafen des Angeklagten und die zweifache Qualifikation der Tat, als mildernd, daß es beim Versuch blieb.

Der Berufung des Angeklagten, der eine Herabsetzung des Strafausmaßes anstrebt, kommt Berechtigung zu.

Gewiß ist das Vorleben des Angeklagten in besonderem Maß belastet; es wurden über ihn wegen einer Reihe von Vermögensdelikten Freiheitsstrafen im Gesamtausmaß von mehr als dreizehn Jahren verhängt. Das Erstgericht stellte aber ersichtlich allein auf dieses Vorleben ab und vernachlässigte offenkundig den nach dem Grundgedanken des § 32 Abs 3 StGB. zu berücksichtigenden Umstand, daß der aus der Tat resultierende Schaden äußerst gering blieb. Das vom Angeklagten aus der Geschäftskasse entnommene Hartgeld - ohnedies ein ziemlich geringer Betrag - wurde bei ihm aufgefunden, der verbleibende Schade liegt somit in seiner praktischen Auswirkung allein in den Wiederbeschaffungskosten für eine Glasscheibe einer Geschäftstür.

Die Tathandlung des zur Tatzeit doch erheblich alkoholisierten Angeklagten war auch nicht sonderlich raffiniert angelegt. Angesichts dieser Tatmodalitäten und der geringen Tatfolgen erscheint das vom Erstgericht gewählte Strafmaß wesentlich überhöht. Der Oberste Gerichtshof fand eine Freiheitsstrafe in der Dauer von eineinhalb Jahren dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schuld des Täters angemessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.

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