OGH 11Os125/86

OGH11Os125/8623.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.September 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hinger als Schriftführers, in der Strafsache gegen Johann F*** wegen des Verbrechens der Hehlerei nach dem § 164 Abs 1 Z 2, Abs 2 und Abs 3 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengerichts vom 6. Mai 1986, GZ 5 Vr 3.733/85-24, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwalts Dr. Hauptmann als Vertreters der Generalprokuratur, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Salzbrunn zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 8.Oktober 1959 geborene Hilfsarbeiter Johann F*** des Verbrechens der Hehlerei nach dem § 164 Abs 1 Z 2, Abs 2 und Abs 3 StGB (1/) sowie des Vergehens der Begünstigung nach dem § 299 Abs 1 StGB (2/) schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 14.Dezember 1984 in Graz 1./ einen Geldbetrag von insgesamt ca. 20.000 S, den die gesondert verfolgten Josef U*** und Johann Z*** am 13.Dezember 1984 bei einem bewaffneten Raubüberfall auf die R*** N***

erbeutet, mithin durch eine mit fünf Jahre übersteigender Freiheitsstrafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt hatten, in Kenntnis der diese Strafdrohung begründenden Umstände der Vortat teils verheimlicht, teils an sich gebracht zu haben, 2./ den wegen Verbrechens des schweren Raubes gesondert verfolgten Josef U*** der Verfolgung absichtlich zum Teil entzogen zu haben, indem er ihn mit Lebensmitteln versorgte, zur Bewerkstelligung der Flucht ins Ausland einen PKW anmietete und sich als Fahrzeuglenker zur Verfügung stellte.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit a, sachlich aber auch auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Als Unvollständigkeit der Urteilsbegründung im Sinn des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes rügt der Beschwerdeführer, das Erstgericht habe seine Verantwortung übergangen, wonach er das übernommene Geld nur für Josef U*** aufbewahrt und nicht als Gegenleistung für seine Hilfe erhalten habe, er den Josef U*** nicht begünstigen, sondern zur Selbststellung überreden habe wollen, die Flucht nur aus Angst, U*** könne von der Schußwaffe gegen Gendarmeriebeamte Gebrauch machen, fortgesetzt und schließlich den Betrag von 20.000 S den Gendarmen (freiwillig) ausgefolgt habe; auch mit der insoweit übereinstimmenden Zeugenaussage des Josef U*** habe sich das Erstgericht nicht ausreichend befaßt.

Rechtliche Beurteilung

Die Mängelrüge versagt. In tatsächlicher Hinsicht ging das Erstgericht, der Darstellung des Angeklagten folgend, ohnedies davon aus, daß Josef U*** einen Teilbetrag der Beute von etwa 20.000 S deshalb übergab, weil er das Geld nicht in einem "Plastiksackerl" herumtragen wollte, und keinen bestimmten Betrag für die angebotene Fluchthilfe in Aussicht stellte (vgl. S 153 dA). Nach Überzeugung des Schöffengerichts wurde dem Angeklagten außerdem zugebilligt, daß er in der letzten Phase des Fluchtversuches über die österreichisch-italienische Grenze Josef U*** dazu bestimmen wollte, sich den Sicherheitsbehörden zu stellen; hingegen wurde für die vorangegangene (abgesprochene und zielstrebig durchgeführte) Fahrt mit einem angemieteten PKW von Graz nach Osttirol aufgrund seines Geständnisses im Vorverfahren und unter Ablehnung seiner leugnenden Verantwortung in der Hauptverhandlung als erwiesen angenommen, daß Johann F*** Begünstigungshandlungen beging, obwohl er wußte, daß Josef U*** wegen des Raubüberfalls auf die R*** N*** gesucht wird, und mithin in der

(auf freiem Willensentschluß beruhenden) Absicht handelte, den Gesuchten der Strafverfolgung zu entziehen (vgl. S 154, 156 dA). Der im Besitz des Angeklagten verbliebene Teil der Raubbeute wurde laut den Urteilsannahmen den Beamten des Gendarmeriepostenkommandos St. Jakob im Defreggental im Zuge einer Anhaltung und Perlustrierung, also in einer Situation, in welcher der Angeklagte gar keine Möglichkeit mehr hatte, den Geldbetrag in Sicherheit zu bringen, ausgefolgt (vgl. S 153 dA). Der Vorwurf, vom Angeklagten zu seiner Entlastung vorgebrachte Tatumstände seien in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils nicht erörtert worden und der Ausspruch des Gerichtes über entscheidende Tatsachen sei demgemäß (im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO) unvollständig geblieben, erweist sich daher als unzutreffend.

Mit der Behauptung, die 20.000 S von Josef U*** bloß zur Aufbewahrung übernommen zu haben, stellt der Beschwerdeführer in Abrede, eine Sache, die ein anderer durch eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt hatte, verheimlicht oder an sich gebracht zu haben (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO). Er übersieht hiebei zum einen, daß unter Verheimlichen jedes Verhalten zu verstehen ist, das die Wiedererlangung der Sache durch den Berechtigten erschwert, und daß folglich schon das Aufbewahren einer geraubten Sache durch einen Dritten unter diesen Begriff fällt. Zum anderen liegt dem bekämpften Schuldspruch wegen Hehlerei die Annahme zugrunde, daß der Angeklagte in Kenntnis der Vortat des Josef U*** aus der Raubbeute (weitere) 6.000 S zur Beschaffung eines Leihautos und 500 S für die Taxifahrt von Wollsdorf nach Graz erhielt - also an sich brachte -, sowie daß er den Bargeldbetrag von 20.000 S teils in seiner Reisetasche, teils in seinen Schuhen versteckte und solcherart den Vortäter dabei unterstützte, die Auffindung der Raubbeute durch die Strafverfolgungsorgane zu vereiteln oder zu erschweren (vgl. S 153 ff dA). Die Subsumtion des festgestellten Verhaltens des Angeklagten unter den Tatbestand der Hehlerei nach dem § 164 Abs 1 Z 2, Abs 2 und Abs 3 StGB ist somit rechtlich unbedenklich.

Verfehlt ist auch der - der Sache nach den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO behauptende - Einwand des Beschwerdeführers, ihm komme im Urteilsfaktum 1/ tätige Reue zustatten. Dem Erstgericht ist beizupflichten, daß es vorliegend an der Freiwilligkeit der Wiedererstattung fehlt, weil sie im Zuge einer Amtshandlung von Gendarmeriebeamten stattfand, bei welcher Josef U*** und der Angeklagte mit einem zur Überführung ausreichenden Verdacht konfrontiert wurden und ihnen bewußt war, die Raubbeute nicht mehr in Sicherheit bringen zu können, sodaß sie zur Herausgabe unter dem Druck der Verhältnisse genötigt waren. Der Einwand des Beschwerdeführers, es sei letztlich seinen Bemühungen zuzuschreiben, daß sich Josef U*** der Gendarmerie stellte, ist nicht geeignet, an der rechtlichen Beurteilung seines Verhaltens laut Punkt 2/ des Schuldspruchs als Begünstigung gemäß dem § 299 Abs 1 StGB etwas zu ändern und insoweit eine Urteilsnichtigkeit gemäß der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO aufzuzeigen. Ging doch das Erstgericht in tatsachenmäßiger Beziehung davon aus, daß der Angeklagte dem Josef U*** bei der Flucht helfen und ihn über die österreichisch-italienische Grenze bringen wollte, und daß es ihm mithin zunächst darauf ankam (§ 5 Abs 2 StGB), Josef U*** der Strafverfolgung wegen schweren Raubes zu entziehen. Wenn der Angeklagte dieses Ziel später wegen der ungünstigen Witterungs- und Straßenverhältnisse, sowie wegen der erwarteten Gendarmeriekontrollen allenfalls aufgab (vgl. S 153 dA), hebt dies die Strafbarkeit der vorangegangenen Begünstigungshandlungen nicht auf.

Den Beschwerdeausführungen zuwider kann sich der Angeklagte im gegebenen Zusammenhang auch nicht auf eine "verdeckte Selbstbegünstigung" im Sinn des zweiten Falles des § 299 Abs 3 StPO berufen (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO). Nach dieser Gesetzesstelle ist (ua) wegen Begünstigung nicht zu bestrafen, wer die Tat in der Absicht begeht, zu verhindern, daß er selbst wegen Beteiligung an der strafbaren Handlung bestraft werde, derentwegen der Begünstigte verfolgt wird. Die Fremdbegünstigung muß demnach (zumindest teilweise) zum Zweck geschehen, auch sich selbst in bezug auf dieselbe Vortat zu begünstigen. Diese Voraussetzung träfe hier selbst dann nicht zu, wenn man dem Begriff "Beteiligung" nicht nur eine solche gemäß dem § 12 StGB (vgl. Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB 2 , RN 20 zu § 299), sondern auch die des Hehlers an der Tat des Vormanns unterstellt (vgl. Pallin im WK, Rz. 21 zu § 299 StGB). Eine Konstatierung, wonach der Angeklagte seine von allem Anfang an freiwilligen Begünstigungshandlungen zu Gunsten des Josef U*** vornahm, weil er befürchtete, daß andernfalls sein eigenes, als Hehlerei strafbares Verhalten bekannt werde, traf das Erstgericht nicht und hätte anhand der Verfahrensergebnisse, vor allem mangels einer diesbezüglichen Verantwortung, auch nicht mit Grund getroffen werden können. Den Urteilsfeststellungen zufolge fanden die sachliche Begünstigung, welche der Angeklagte während der gemeinsamen Flucht durch Verstecken eines Teils der Raubbeute bewirkte, und die persönliche Begünstigung, die er dem Josef U*** durch die Lenkung des von ihm angemieteten Fluchtautos von Graz bis zur österreichisch-italienischen Grenze in Osttirol zuteil werden ließ, willentlich ausschließlich im Fremdinteresse statt, sodaß keine Rede davon sein kann, das Verhalten des Angeklagten hätte darauf abgezielt (§ 5 Abs 2 StGB), seine strafgerichtliche Verfolgung wegen einer eigenen Vortat hintanzuhalten. Der Angeklagte hat daher neben dem Tatbestand der (Sach-)Hehlerei auch jenen der Begünstigung nach § 299 Abs 1 StGB zu verantworten (vgl. Leukauf-Steininger aaO, RN 38 zu § 164 StGB und RN 26 zu § 299 StGB; Kienapfel BT II, RN 138 zu § 164 StGB; aM ohne Erörterung der Rechtsgut-Verschiedenheit, Pallin im WK, Rz. 1 und Rz. 26 zu § 299 StGB).

Ebensowenig kann der Beschwerdeführer mit Erfolg aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO entschuldigenden Notstand gemäß dem § 10 StGB für sich reklamieren. Laut eigener Verantwortung hatte er zwar Angst, Josef U*** könnte bei einer Anhaltung von seiner Schußwaffe gegenüber einschreitenden Gendarmeriebeamten Gebrauch machen, doch befürchtete er nicht, U*** würde auf ihn schießen, falls er sich weigere, das Fluchtauto zu lenken (vgl. S 140 dA). Die Annahme einer Notstandssituation käme demnach höchstens für die letzte Phase des Geschehens, als der Angeklagte und Josef U*** jederzeit die Anhaltung und Perlustrierung durch Gendarmen befürchten mußten, keinesfalls aber auch für die vorangegangenen Begünstigungshandlungen in Betracht, zu denen sich der Angeklagte durch freiwillige Übernahme der Lenkung des Fluchtautos von Graz nach Osttirol verstand. Davon abgesehen muß dem Täter oder (wie hier) einem Dritten ein bedeutender Nachteil unmittelbar drohen; überdies kann sich ein Täter auf entschuldigenden Notstand dann nicht berufen, wenn er sich der Notstandssituation ohne einen von der Rechtsordnung anerkannten Grund bewußt aussetzte, was aber im Fall freiwilliger Übernahme einer strafgesetzlich verpönten Tätigkeit jedenfalls anzunehmen ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war darum zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Johann F*** nach dem § 164 Abs 3 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sah diese Strafe gemäß dem § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nach. Bei der Strafbemessung wertete es die Begehung zweier ("mehrerer") strafbarer Handlungen, die teilweise auch wegen Aggressionshandlungen stattgefundenen Vorverurteilungen und die "besondere Gefährlichkeit der Begünstigung eines Bewaffneten" als erschwerend. Als mildernd berücksichtigte es demgegenüber das weitgehende Tatsachengeständnis, die teilweise Schadensgutmachung, die Tatbegehung unter Einwirkung des Josef U***, den Umstand, daß die Straftaten schon mehr als eineindrittel Jahre zurückliegen und das seitherige Wohlverhalten des Angeklagten.

Mit seiner Berufung begehrt Johann F*** die Herabsetzung des Strafausmaßes im Wege der außerordentlichen Strafmilderung. Die Berufung ist nicht begründet.

Das Erstgericht fand für die verfahrensgegenständliche massive Unterstützung eines bewaffneten Räubers im Ergebnis eine tatschuldadäquate - ohnehin bedingt nachgesehene - Strafe. Von einem Überwiegen des Gewichts der Milderungsgründe kann, zumal auch das längere Zurückliegen der Tathandlungen zu Unrecht als mildernder Umstand angesehen wurde, keine Rede sein. Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Strafmilderung nach dem § 41 StGB liegen daher schon aus diesem Grund nicht vor.

Auch für eine Herabsetzung des Strafausmaßes bestand sohin kein Anlaß.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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