Spruch:
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde wird verweigert. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Mit seinem die Berufung betreffenden Wiedereinsetzungsantrag wird der Angeklagte auf diese Zuleitung verwiesen.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem am 17.August 1987 überreichten Schriftsatz, ON 47, beantragte Rechtsanwalt Dipl.Ing. Dr. Peter B*** in Vertretung des Gerhard S***, diesem Angeklagten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur - unter einem vorgenommenen - Ausführung der fristgerecht angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 15.Juli 1987, ON 40, zu bewilligen. Eine sonst verläßliche Kanzleiangestellte habe es verabsäumt, die von ihm diktierte Anzeige der "Vollmachtskündigung" dem Gerichtshof erster Instanz zu übermitteln, so daß die entsprechende Eingabe im (Hand-)Akt verblieben sei. Im Hinblick auf diese Vollmachtskündigung habe er in der Folge die fristgerechte Ausführung der genannten Rechtsmittel unterlassen.
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde war zu verweigern, die Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Nach der Bestimmung des § 79 Abs. 2 StPO müssen alle Aktenstücke, von deren Behändigung die Frist zur Ergreifung eines Rechtsmittels läuft, entweder an die Partei selbst oder (wenn sie einen Vertreter bestellt hat: nur) an ihren bestellten Vertreter zugestellt werden. Als bestellter Vertreter einer Partei, dem solcherart wirksam zugestellt werden kann, ist dabei der nach der Aktenlage bevollmächtigte Vertreter so lange anzusehen, als dem Gericht die Kündigung oder der Widerruf dieser Vollmacht nicht bekanntgegeben wird (vgl Mayerhofer-Rieder II/12 § 44 StPO, EGr 23; § 79 StPO EGr 14). Daraus folgt, daß, solange dies nicht geschah, eine (prozeß-)rechtswirksame Zustellung der genannten Aktenstücke, zu denen auch eine Urteilsausfertigung gehört, nur an diesen (noch) dem Gericht ausgewiesenen Vertreter möglich ist. Durch die nachträgliche - im vorliegenden Fall erst gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag bzw mit der Einbringung der Rechtsmittelschrift besorgte - Bekanntgabe der Vollmachtsauflösung wird die einmal rechtmäßig in Gang gesetzte Rechtsmittelausführungsfrist weder unwirksam, noch unterbrochen noch verlängert.
Für das gegenständliche Verfahren bedeutet dies, daß die Aushändigung der Urteilsausfertigung an den nach der Aktenlage als bevollmächtigter Vertreter des Angeklagten auftretenden Dipl.Ing. Dr. Peter B*** am 30.Juli 1987 als prozeßordnungsgemäße Zustellung mit allen daran geknüpften rechtlichen Konsequenzen anzusehen ist. Daraus ergibt sich, daß die in einem erst am 17.August 1987, somit nach Ablauf der vom Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Zustellung am 30.Juli 1987 zu berechnenden 14-tägigen Frist des § 285 Abs. 1 StPO bei Gericht überreichten Schriftsatz enthaltene Ausführung der angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde als verspätet anzusehen ist. Da auch bei der Anmeldung keiner der im § 281 Abs. 1 Z 1 bis 11 StPO angeführten Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet wurde, war über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gemäß den §§ 285 d Abs. 1 Z 1, 285 a Z 2 StPO wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde hätte gemäß dem § 364 Abs. 1 StPO unter anderem zur Voraussetzung, daß es dem Angeklagten durch unabwendbare Umstände ohne sein oder seines Verteidigers Verschulden unmöglich gemacht wurde, die (versäumte) Frist einzuhalten. Davon kann aber nach den Umständen dieses Falles nicht gesprochen werden.
Dem ausgewiesenen Vertreter Dipl.Ing. Dr. B*** mußte spätestens anläßlich der mit GeO-Form 31 a stattgefundenen Zustellung der Urteilsabschrift (§ 79 Abs. 2 StPO) an ihn bewußt werden, daß eine Frist zur Ausführung der angemeldeten Rechtsmittel ausgelöst wurde. Die - in Anbetracht der unter Umständen schwerwiegenden Folgen der Unterlassung von Rechtsmittelausführungen - pflichtgemäße Sorgfalt hätte umgehend die Einleitung jener Nachforschungen erfordert, die nach dem Inhalt des Wiedereinsetzungsantrages erst am 14.August 1987 (nach der informellen Anfrage durch den Verhandlungsrichter) angestellt wurden und die Unterlassung der Bekanntgabe der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses an das Erstgericht ergaben. Der Auffassung des Verteidigers Dr. B***, im Hinblick auf das seiner Erinnerung nach durchgeführte (bloße) Diktat einer Vollmachtskündigung ungeachtet der Zustellung einer Urteilsausfertigung auf jede weitere Veranlassung verzichten zu können, kann unter den obwaltenden Umständen nicht gefolgt werden. Die aufgezeigte Unterlassung Dr. B*** begründet ein (Mit-)Verschulden des Verteidigers an der Fristversäumung, für die der Angeklagte kraft ausdrücklicher Gesetzesvorschrift einzustehen hat.
Die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verweigern. Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten, in deren rechtzeitiger Anmeldung (ON 42) der Beschwerdepunkt ("Höhe der Strafe") bereits deutlich bezeichnet ist, waren die Akten dem Oberlandesgericht Graz zuzuleiten, weil es mangels Sachentscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde an der Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofes zur Erledigung der Berufung fehlt (EvBl 1981/46 uva). Mit seinem die Berufung betreffenden Wiedereinsetzungsantrag war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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