OGH 11Os119/80

OGH11Os119/8024.9.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. September 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Winter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann A wegen des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 18. April 1980, GZ. 11 Vr 2.442/79-41, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Reither und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwaltes Dr. Kodek zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 20. März 1945 geborene Hilfsarbeiter Johann A auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB und des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 (1. und 2. Fall) StGB schuldig erkannt.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte - und zwar dem Inhalt seiner Ausführungen nach nur im Schuldspruch wegen Mordes - mit einer auf die Z 6, 8 und 12 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

In Ausführung des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes behauptet er eine durch die Abweisung seines Antrages auf Stellung einer zusätzlichen 'Haupt'-Frage in Richtung des Vergehens der fahrlässigen Tötung (S. 233/II) unterlaufene Verletzung der in den §§ 312 Abs. 1, 313, 314 Abs. 1 StPO enthaltenen Vorschriften über die Fragestellung an die Geschwornen. Entgegen der Begründung des abweisenden Beschlusses des Schwurgerichtshofes seien im Verfahren Tatsachen hervorgekommen, die den Schluß zuließen, daß er die Tötung des Kranz B nur fahrlässig und erst nach Vollbringung des Raubes verschuldet habe. Seine Verantwortung sei dahin gegangen, daß die - zum Tod führende - Knebelung des B mit dem Raub nichts zu tun gehabt habe und nur vorgenommen worden sei, damit das Opfer nicht schreien könne und so dem Beschwerdeführer und seinem Komplizen ein Vorsprung von einer halben Stunde für die Flucht gesichert werde.

Rechtliche Beurteilung

Diesem Vorbringen ist zu erwidern, daß eine Verletzung der Vorschrift des § 312 Abs. 1 StPO zunächst deshalb nicht vorliegt, weil Hauptfragen stets anklagekonform zu stellen sind und das Begehren nach einer Hauptfrage wegen des Vergehens nach § 80 StGB daher schon aus diesem Grund verfehlt war.

Die Zitierung des § 313 StPO in der Beschwerdeschrift geschah offenbar irrtümlich, weil für die Stellung einer Zusatzfrage im Sinn dieser Gesetzesstelle auch nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers jede Grundlage fehlt.

Aber auch eine Eventualfrage nach dem Vergehen der fahrlässigen Tötung (§ 80 StGB) war durch die Ergebnisse des Beweisverfahrens nicht angezeigt.

Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers besteht zur Stellung einer derartigen Frage nur dann ein Anlaß, wenn Verfahrensergebnisse geeignet sind, dem Sachverhalt, der den Gegenstand der Hauptfrage bildet, durch Wegfall oder Änderung einzelner Deliktsmerkmale eine andere juristische Gestaltung zu geben. Die Beurteilung, ob dies der Fall ist, also die Beurteilung der rechtlichen Erheblichkeit der vorgebrachten Tatsachen, steht ausschließlich dem Schwurgerichtshof zu. Hält er dafür, daß sie bei richtiger Gesetzesauslegung die Unterstellung der Tat unter ein anderes Strafgesetz nicht gestatten, so darf er eine entsprechende Eventualfrage nicht stellen (vgl. EvBl. 1978/119, 11 Os 200/77 u.a.).

Vorliegend kam es, wie insbesondere der gerichtsärztliche Sachverständige Dr. Peter C in der Hauptverhandlung darlegte (S 226 ff.), zwar primär dadurch zum Erstickungstod, daß dem Raubopfer ein Knebel in den Mund gepreßt wurde; mitursächlich für den schließlich eingetretenen Tod war jedoch insbesondere, daß sich Franz B auch deshalb nicht befreien konnte, weil er durch die während des Raubes geübte Gewaltanwendung, insbesondere die - selbst vom Angeklagten eingestandenen (S 206 f./II) - Faustschläge und die Hiebe mit dem Meißel, benommen, wenn nicht sogar bewußtlos war.

Bei einer durch den Raub (zumindest mit-) bewirkten Herbeiführung des Todes kommt jedoch § 80 StGB in Tateinheit mit § 142 Abs. 1 StGB auf keinen Fall in Betracht (12 Os 167/75).

Der Verantwortung des Angeklagten, er habe gegen Franz B nicht mit Tötungsvorsatz gehandelt, wurde daher - wie die Generalprokuratur zutreffend ausführt -

durch die Stellung der Eventualfrage, ob die Raubtat den Tod eines Menschen zur Folge gehabt habe, ausreichend und dem Gesetz entsprechend Rechnung getragen, weil dem Angeklagten eine seinem Vorbringen nach nur fahrlässige Tötung jedenfalls als (im Sinn des § 7 Abs. 2 StGB fahrlässig herbeigeführte) Todesfolge des Raubes zuzurechnen gewesen wäre und zur Anwendung des höchsten Strafsatzes des § 143 StGB geführt hätte. Für eine Subsumtion der im Zug der Raubausführung, zumindest zur Sicherung des Abtransportes der Beute, verübten Tötung des Franz B als mit dem Raub nach §§ 142 Abs. 1, 143 StGB zusammentreffende fahrlässige Tötung wäre auch dann kein Raum gewesen, wenn die Geschwornen die Hauptfrage 1

und damit den Tötungsvorsatz des Beschwerdeführers verneint hätten. Die behauptete Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung und der in diesem Zusammenhang geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liegen daher nicht vor.

Ferner rügt der Beschwerdeführer nach dem § 345 Abs. 1 Z 8 StPO, die den Geschwornen zur Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit gegebene Rechtsbelehrung hätte zahlreiche, von ihm weitwendig zitierte Passagen aus oberstgerichtlichen Erkenntnissen sowie aus der Fachliteratur enthalten müssen, um ein richtiges Bild der entscheidenden Rechtslage zu geben.

Dabei übersieht der Beschwerdeführer, daß nur eine unrichtige, d. h. mit den einschlägigen Gesetzen oder Grundsätzen des Strafrechts oder Strafverfahrens im Widerspruch stehende Rechtsbelehrung Nichtigkeit bewirkt (SSt. 41/61 und die dort zitierten weiteren Entscheidungen). Eine solche Unrichtigkeit der erteilten Belehrung ist jedoch nicht gegeben und wird an sich auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet. In der Rechtsbelehrung wird zutreffend dargelegt, daß das Verbrechen des Mordes nur vorsätzlich begangen werden kann, der Vorsatz gemäß § 5 Abs. 1 StGB dem Gesetzestext folgend erläutert und u. a. ausdrücklich gesagt, daß 'nicht vorsätzlich, sondern nur (bewußt) fahrlässig handelt, wer die Verwirklichung des Tatbildes nicht ernstlich für möglich, sondern nur für möglich hält.' Eine Unvollständigkeit, wie sie vom Beschwerdeführer der Sache nach behauptet wird, macht die Rechtsbelehrung nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur dann zu einer unrichtigen im Sinn der Z 8

des § 345 Abs. 1 StPO, wenn sie zum Mißverständnissen über gesetzliche Merkmale der strafbaren Handlung, zu irriger Auslegung der in einer Frage enthaltenen Ausdrücke des Gesetzes oder zu Irrtümern über die Folgen der Bejahung oder Verneinung der Frage Anlaß geben könnte. Keiner dieser Fälle ist gegeben, insbesondere trifft die Auffassung des Beschwerdeführers nicht zu, daß es für das Rechtsverständnis der Geschwornen erforderlich gewesen wäre, die in der Beschwerdeschrift wiedergegebenen Zitate aus der einschlägigen Judikatur und Fachliteratur in die Rechtsbelehrung aufzunehmen. Die vom Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der nach dem Verbrechen des Mordes gestellten 1. Hauptfrage ebenfalls vermißte Belehrung über das Wesen der unbewußten Fahrlässigkeit und den Umstand, daß diese Schuldform der bewußten Fahrlässigkeit rechtlich gleichwertig sei, war überhaupt nur im Zusammenhang mit der Belehrung zur Eventualfrage von Bedeutung, wo sie auch gegeben wurde. Die in klarer und für (zum Geschwornenamt befähigte) Laien verständlicher Sprache im Einklang mit dem Gesetz und der Judikatur die rechtlichen Voraussetzungen für die Beantwortung der gestellten Fragen darlegende Rechtsbelehrung ist somit im Sinn der Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO keineswegs unrichtig, sodaß auch dieser Nichtigkeitsgrund nicht verwirklicht wurde.

In der auf § 345 Abs. 1 Z 12 StPO gestützten Rechtsrüge geht der Beschwerdeführer nicht von dem durch den Wahrspruch der Geschwornen festgestellten Sachverhalt, sondern im wesentlichen unter Wiederholung seiner Ausführungen zu den anderen Nichtigkeitsgründen von insbesondere aus seiner eigenen Verantwortung abgeleiteten Annahmen aus und bringt daher den angerufenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Entgegen seinen Ausführungen unternimmt er keineswegs bloß den Versuch, die Bedeutung des Wahrspruchs der Geschwornen in Berücksichtigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens zu interpretieren, sondern negiert den von den Geschwornen durch Bejahung der ersten Hauptfrage für den Obersten Gerichtshof bindend festgestellten Tötungsvorsatz des Angeklagten, der eine Subsumtion der Tötungshandlung sowohl unter den letzten Fall des § 143 StGB wie auch unter das Tatbild des § 80 StGB von vornherein ausschließt.

Der zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde war daher der Erfolg zu versagen.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 75 StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwanzig Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete es die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen zweier Verbrechen, die besondere Brutalität gegen das 87-jährige Tatopfer und die Verleitung eines Jugendlichen zum Raub als erschwerend; als mildernd zog es das Geständnis im Raubfaktum in Betracht.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte die Herabsetzung des Strafausmaßes.

Die Berufung ist nicht begründet.

Die vom Erstgericht - unter zutreffender Wertung der Strafzumessungsgründe - ausgemessene Strafe wird dem Verschulden des Angeklagten und dem Unrechtsgehalt seiner Tathandlungen gerecht:

Eine Herabsetzung des Strafmaßes kam schon in Anbetracht des schwer belasteten Vorlebens des Johann A, seiner Vorgangsweise in Verübung der Taten und der ungünstigen Prognose (sh. ON 31) nicht in Betracht.

Der Berufung konnte daher kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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