OGH 11Os119/05t

OGH11Os119/05t13.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eck als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rabah M***** und andere wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Genannten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 21. Juli 2005, GZ 23 Hv 105/05f-188, und über die Beschwerde des Angeklagten Rabah M***** gegen einen Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4, Abs 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten Rabah M***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Schuld- und Freisprüche enthält - wurde Rabah M***** unter anderem der Verbrechen der „teils versuchten, teils vollendeten Vergewaltigung" nach „§§ 201 Abs 1, 15 StGB" (B; vgl zur Terminologie 15 Os 175/03, EvBl 2004/153, 688) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1, Abs 2 StGB (D) schuldig erkannt. Danach hat er

...

B) nachangeführte Personen mit Gewalt bzw durch Drohung mit

gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafes zu nötigen versucht bzw zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, und zwar

1. am 18. Februar 2005 in Wattens Alexandra H*****, indem er sie zu Boden stieß, auf sie einschlug und ihr das Umbringen androhte, wobei die Tat beim Versuch geblieben ist;

2. am 18. Februar 2005 in Wattens Sanja B*****, indem er sie fest am Arm packte, sie zu einem überdachten Fahrradabstellplatz brachte, ihr fest ins Gesicht schlug, die Kleider vom Leib riss und indem er seinen Penis in ihre Scheide einführen wollte und mehrmals mit seinen Fingern in ihre Scheide eindrang;

3. im November 2004 in Innsbruck Tamara L*****, indem er ihr Schläge versetzte und mit seinem Penis in ihre Scheide eindrang;

...

D) am 26. Jänner 2005 in Innsbruck die Apollonia M***** durch eine Handbewegung, nämlich das Andeuten des Halsaufschlitzens, und die Äußerung „Tu e morto" (Du bist tot) mit dem Tode gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

...

Rechtliche Beurteilung

Die ausschließlich gegen die Schuldsprüche B 1 und D aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 (lit) a, 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Rabah M***** ist nicht berechtigt.

Die Mängelrüge (Z 5) lässt außer Acht, dass eine (lediglich bei subsumtionsrelevanten Umständen aufgreifbare) unzureichende Begründung nur dann vorliegt, wenn die Argumentation der Tatrichter den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden empirischen Erfahrungssätzen über Kausalverläufe widerspricht. Dem Rechtsmittelvorbringen zuwider setzt sich weder die Ableitung des Vergewaltigungsvorsatzes zum Faktum B 1 (aus der Ankündigung eines „Spielchens" und der unmittelbar darauffolgenden Vergewaltigung B 2 - US 19, 26) noch der auf eine Todesdrohung gerichteten Absicht (aus Wortlaut, sonstigen Handlungen und Anlass [Lokalverbot] - US 24 bis 26) einem solchen Vorwurf aus.

Der Angeklagte nimmt vielmehr, wie etwa zu B 1 die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz und das Aufzeigen möglicher anderer Folgerungen aus seinem Verhalten, das von seinen Begleitern nicht als sexuell motiviert eingeschätzt wurde (US 11), sowie zu D die Spekulationen mit dem Umfang und dem Grund seines Erregungszustandes zum Tatzeitpunkt zeigen, eine Kritik an der Beweiswürdigung vor, wie sie die Mängelrüge - anders als die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens - nicht eröffnet. Zorn schließt im Übrigen die Ernstlichkeit einer (Todes-)Drohung keineswegs aus (Schwaighofer in WK² § 107 Rz 13).

Auch bei der Tatsachenrüge (Z 5a) zum Schuldspruch B 1 verlässt der Beschwerdeführer den gesetzlichen Anfechtungsrahmen: Die Ableitung erheblicher Bedenken gegen die dem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen darf sich nämlich nicht auf bloße Hypothesen und Spekulationen als Antithese zu den Erwägungen der Tatrichter beschränken, sondern muss aus den Akten - somit unter Bezugnahme auf konkrete Verfahrensergebnisse und im Kontext mit der Gesamtheit der Beweiswürdigung - erfolgen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 487; 13 Os 43/03, 12 Os 42/05a, 11 Os 76/05v uva). Der Versuch, mit abstrakten Überlegungen zum Umfang der Deutschkenntnisse des Rechtsmittelwerbers die Verwendung des Wortes „Spielchen" und die daraus vom Erstgericht angeblich „entgegen der Unschuldsvermutung" gezogenen Folgerungen in Zweifel zu ziehen, muss daher ebenso scheitern wie die an die Urteilserwägungen anknüpfende eigenständige Umdeutung des Vorsatzes des Angeklagten in die Zielrichtung auf Beendigung der Hilferufe des Opfers nach dem unmittelbar vorher erfolgten Raubangriff (Schuldspruch A 1).

Den materiellrechtlichen Rügen ist vorweg grundsätzlich entgegenzuhalten, dass diese prozessordnungsgemäß aus dem Vergleich des Tatsachensubstrates des bekämpften Urteiles mit der in diesem darauf angewandten Rechtslage bestehen. Der Austausch von Feststellungen ist in diesem Rahmen nicht zu erreichen. Genau dies strebt der Nichtigkeitswerber jedoch mit seiner Rechtsrüge (Z 9 lit a) an, indem er zum Faktum B 1 - unter Außerachtlassung der entgegenstehenden Feststellungen US 11 - vermeint, aus den Beweisergebnissen hätte sich ein nicht auf Vergewaltigung gerichteter Vorsatz ergeben müssen.

Ebenso mit rein beweiswürdigenden Argumenten (zB neuerlich unter Bezugnahme auf den Zweifelsgrundsatz) sucht die Subsumtionsrüge (Z 10) zum Faktum B 1 dessen Unterstellung unter § 105 Abs 1 StGB bzw § 202 Abs 1 StGB abzuleiten und vernachlässigt wiederum die Sachverhaltsbasis der angefochtenen Entscheidung (US 11, 19, 26). Die Überlegungen zur Intensität der Drohung können wegen der festgestellten rechtlich gleichwertigen (Schick in WK² § 201 Rz 10) Begehungsweise durch Gewalt auf sich beruhen, weil sie hier auf die rechtliche Unterstellung der Tat unter das Gesetz keinen Einfluss haben können.

Die Behauptung mangelnder Ernstlichkeit der Todesdrohung in der Subsumtionsrüge zum Faktum D schließlich spricht keine Rechts-, sondern eine Tatfrage an (Schwaighofer in WK² Rz 11, 13; Mayerhofer, StGB5 E 15 - beide zu § 107) und verfehlt mit dem Rekurs auf „erfahrungsgemäße" Inhalte von Drohungen neuerlich eine erwiderungsfähige Darstellung materiellrechtlicher Nichtigkeit. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher nach nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Erledigung der Berufungen und der implizierten (§ 498 Abs 3 dritter Satz StPO) Beschwerde (§§ 280, 285i, 498 Abs 3 vierter SatzStPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte