OGH 11Os118/14h

OGH11Os118/14h3.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Februar 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Dr. Tiefenthaler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mozafar K***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 26. Mai 2014, GZ 22 Hv 26/14k‑28, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0110OS00118.14H.0203.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mozafar K***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB idF BGBl I 2009/40 schuldig erkannt.

Danach hat er am 13. Mai 2013 in L***** Evindar S*****, der wegen einer geistigen Behinderung unfähig war, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustands durch Vornahme eines Analverkehrs missbraucht.

Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des Antrags auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet Neurologie und Psychiatrie, allenfalls unter Beiziehung eines klinischen Psychologen, zum Beweis dafür, dass auch Mozafar K***** an einer gewissen Intelligenzminderung leide, die es ihm im Zusammenhang mit fehlenden Sprachkenntnissen unmöglich gemacht habe, die geistige Beeinträchtigung des Evindar S***** zu erkennen (ON 27 S 5), keine Verteidigungsrechte des Angeklagten verletzt.

Über die nur nach Maßgabe der Kriterien der Z 5 und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO anfechtbare Sachverhaltsgrundlage einer prozessualen Verfügung entscheidet das dafür zuständige richterliche Organ in freier Beweiswürdigung (RIS‑Justiz RS0118977). Aufgrund des vom Angeklagten in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks und des Fehlens anderer indizierender Verfahrensergebnisse konnten die Tatrichter für das Vorliegen einer psychischen Erkrankung beim Angeklagten keine objektiven Anhaltspunkte finden (ON 27 S 21; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 347). Mit dem Argument des Fehlens von Schreib‑, Rechen‑ und Sprachkenntnissen zeigt die Rüge kein unberücksichtigt gebliebenes Verfahrensergebnis auf (vgl dazu US 6 f, 10), sondern kritisiert unzulässig die allein dem Schöffensenat obliegende tatrichterliche Beweiswürdigung.

Werden

Nichtigkeitsgründe (wie hier Z 5 und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO) nicht getrennt dargestellt, gehen Unklarheiten, die durch diese Art der Rechtsmittelausführung bedingt sein könnten, zu Lasten des Beschwerdeführers, denn es obliegt ihm, die einzelnen

Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt zu bezeichnen (RIS‑Justiz RS0100183).

Gestützt auf das für zuverlässig befundene Gutachten des psychologischen Sachverständigen ging das Erstgericht vom Vorliegen einer geistigen Behinderung des Evindar S***** und auch davon aus, dass dieser nicht in der Lage war, die Bedeutung des geschlechtlichen Vorgangs zu erfassen (US 4). In der Hauptverhandlung stellte der Experte auf Befragen der Verteidigerin letztlich klar, die schwere Intelligenzminderung nicht aufgrund numerischer Werte bestimmt und in seinem Gutachten auch keinen solchen angegeben zu haben (ON 27 S 17).

Mit dem Verweis der Rüge auf eigene Recherchen zum Intelligenzwert, zum Begriff Debilität, zu einer Klassifikation nach ICD‑10 und auf Aussagen des Sachverständigen vor der Klarstellung wird weder ein erörterungsbedürftiger Umstand iSd § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO aufgezeigt noch gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a), gravierende Bedenken (RIS‑Justiz RS0119583) gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen zu erwecken.

Ein Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen wegen angeblicher Mängel von Befund und Gutachten, die der bestellte Sachverständige nicht durch Befragung beseitigen konnte, wurde in der Hauptverhandlung nicht gestellt (§ 127 Abs 3 StPO).

Die Aussage des Sachverständigen, wonach die Einschätzung der Mutter des S*****, ihr Sohn sei „am Stand eines sechsjährigen Kindes“, leicht überzogen sei, bedurfte keiner gesonderten Erörterung.

Soweit die Rüge die „Tatsachenfeststellung des Intelligenzwertes des Zeugen S***** von 72, 73“ bekämpft, geht sie mangels einer solchen ins Leere.

Indem die Beschwerde (Z 5 vierter Fall) aus der Aussage des Angeklagten, wonach der Zeuge S***** „nicht normal“ sei, andere Schlüsse als das Erstgericht zieht, zeigt sie keinen Begründungsmangel auf (RIS‑Justiz RS0099455, RS0098471, RS0098541).

Mit der gegen das festgestellte Erkennen der psychischen Beeinträchtigung des Opfers gerichteten Behauptung, der Angeklagte sei der deutschen Sprache kaum mächtig, haben sich die Tatrichter sehr wohl auseinandergesetzt (US 7).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Festzuhalten ist, dass das Erstgericht bei der Strafzumessung die Uneinsichtigkeit des Angeklagten und mit Blick auf den Tatbestand die geistige Beeinträchtigung des Opfers zu Unrecht in Anschlag gebracht hat (US 12). Da diesem Nichtigkeitsgrund (Z 11; vgl RIS‑Justiz RS0090897) noch im Rahmen der Berufungsentscheidung Rechnung getragen werden kann (RIS‑Justiz RS0118870; Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 29), bedarf es keiner amtswegigen Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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