Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 7. Jänner 1937 geborenen Altwarenhändlerin Josefine A legte die Staatsanwaltschaft Wien zunächst mit ihrem Strafantrag vom 15. Februar 1977 (ON 3) das Vergehen der Verleitung zu Pflichtwidrigkeiten nach dem § 307 Z 1 StGB zur Last, weil sie am 16. Dezember 1976
in Wien dem Polizeibeamten Ernst B, damit er pflichtwidrig eine Amtshandlung unterlasse, durch das Anbot, wenn er keine Anzeige im Verwaltungsstrafverfahren gegen ihren Ehegatten Max A erstatte, wolle sie ihm 500 S geben, einen Vermögensvorteil angeboten habe. Mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6. April 1977, GZ. 1 b E Vr 2038/77-8, wurde Josefine A im Sinne dieses Strafantrages des Vergehens nach dem § 307 Z 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 50 S, im Falle der Uneinbringlichkeit zu 50 Tagen (Ersatz-)Freiheitsstrafe, verurteilt.
Josefine A erhob gegen dieses Urteil Berufung, die sie u.a. auf den Nichtigkeitsgrund des § 468 Abs. 1 Z 2 StPO stützte und wobei sie (zutreffend) geltend machte, daß die Durchführung der Hauptverhandlung und die Urteilsfällung wegen des Deliktes nach dem § 307 Z 1 StGB gemäß dem § 13 Abs. 2 Z 2 StPO nicht dem Einzelrichter, sondern dem Schöffengericht obliege. Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht gab aus diesem Grunde am 6. September 1977 der Berufung der Angeklagten (wegen Nichtigkeit) schon in nichtöffentlicher Sitzung Folge, hob das angefochtene Urteil des Einzelrichters auf und verwies die Strafsache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien zurück, wobei es für den zu erneuernden Rechtsgang dem erkennenden Gericht die Prüfung einer Tatunterstellung unter die § 12, 15, 302 StGB - allerdings unter Beachtung des Verbotes der reformatio in peius -
auftrug (ON 15).
Am 31. Oktober 1977 brachte die Staatsanwaltschaft - 'im Austausch
gegen den Strafantrag vom 15.2.1977' (s. S. 70 d. A) - gegen Josefine A eine Anklageschrift ein (ON 16), mit welcher der Genannten das Verbrechen der versuchten Bestimmung zum Mißbrauch der Amtsgewalt nach den § 15, 12, 302 Abs. 1 StGB - strafbar nach der letztbezeichneten Gesetzesstelle - zur Last gelegt wird, weil sie am 16. Dezember 1976 in Wien den österreichischen Staat an seinem Recht auf Verfolgung ihres Ehemannes Max A als Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne erforderliche Berechtigung (§ 64 Abs. 1 KFG) dadurch vorsätzlich zu schädigen versucht habe, daß sie den Polizeibeamten Ernst B durch Anbieten von 500 S (erfolglos) zu bestimmen suchte, seine Befugnis im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Anzeige zu erstatten, durch Unterlassung dieser Anzeige wissentlich zu mißbrauchen. Mit dem (nunmehr) angefochtenen Urteil erkannte das Landesgericht für Strafsachen Wien als Schöffengericht Josefine A anklagegemäß des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Mißbrauch der Amtsgewalt nach den § 15, 12 (zweiter Anwendungsfall), 302 Abs. 1 StGB schuldig und verhängte über sie nach dem § 302 Abs. 1
StGB unter Anwendung des § 37 (Abs. 1) StGB - erneut - eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 50 S, im Nichteinbringungsfall 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe. Gegen dieses Urteil erhebt die Angeklagte Josefine A aus den Nichtigkeitsgründen der Z 5, 9 lit. b und 11 des § 281 Abs. 1 StPO Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch Berechtigung nicht zukommt.
Rechtliche Beurteilung
Die in ihrer Mängelrüge mit dem Hinweis auf die Zeugenaussage des Polizeibeamten Ernst B - wonach die Angeklagte, als sie B eine zusammengefaltete Fünfhundertschillingnote in die Hand zu drücken versuchte, gesagt habe, B solle keine Anzeige erstatten, 'das hier sei nur eine Kleinigkeit, denn ihr Mann habe keinen Führerschein' (vgl. S. 101 d. A) - als unschlüssig und widersprüchlich gerügte Urteilsannahme, der Vorsatz der Angeklagten sei darauf gerichtet gewesen, den Polizisten B durch übergabe der Geldnote zur Unterlassung einer Anzeigeerstattung gegen ihren Gatten (Max A) wegen Fahrens ohne Führerschein zu bewegen, findet zwar nicht unmittelbar und schon für sich allein in der zitierten Zeugenaussage, wohl aber im Zusammenhalt damit (vgl. § 258 Abs. 2 StPO) in der dem Erstgericht außerdem als (in Urteil bezogene) Feststellungsgrundlage dienenden Aussage des Zeugen Franz C (s. S. 102 f. d. A) ihre zureichende und widerspruchsfreie Deckung. Dieser Aussage zufolge ersuchte nämlich die Angeklagte die beiden Polizeibeamten B und C - denen gegenüber Max A vorher wahrheitswidrig behauptet hatte, er habe seinen Führerschein nur zu Hause vergessen, worauf die beiden Beamten zwecks Führerscheinkontrolle zum Haus der Ehegatten A mitgefahren waren, wo die Angeklagte dann erklärte, ihr Mann müsse 'den Führerschein erst machen' - sie sollten ihren Mann nicht anzeigen, sonst würde er den Führerschein nicht bekommen, wobei sie ihnen eine Fünfhundertschillingnote mit den Worten anbot, 'da habts das, es ist eh nur eine Kleinigkeit'. Für die Annahme einer - von der Beschwerdeführerin behaupteten - Einschränkung ihres an die Polizeibeamten gerichteten Ersuchens, lediglich von einer in deren Ermessensspielraum liegenden Anzeige gegen Max A wegen einer vorangegangenen Geschwindigkeitsüberschreitung beim Lenken seines PKWs. abzusehen, gaben diese von den genannten Zeugen berichteten Erklärungen der Beschwerdeführerin keinen konkreten Hinweis, der einer Erörterung im Urteil bedurft hätte.
Auf die Aussagen der Zeugen B und C konnte das Erstgericht aber auch die von der Beschwerdeführerin gleichfalls unter dem Gesichtspunkt des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO bekämpfte weitere Urteilsannahme stützen, daß Josefine A dem Polizeibeamten B eine zusammengefaltete Fünfhundertschillingnote in die Hand drücken und nicht, wie die Angeklagte behauptet hatte, bloß eine Fünfzigschillingnote zwecks Bezahlung eines Organmandates wegen Schnellfahrens, übergeben wollte (s. erneut S. 102, 103 d. A); angesichts des bekannten und jederzeit ersichtlichen farblichen und größenmäßigen Unterschiedes derartiger Banknoten bestand für das Erstgericht auch kein hinreichender Anlaß, sich mit diesbezüglichen Details in den Schilderungen der beiden Zeugen näher zu befassen, zumal es gemäß dem § 270 Abs. 2 Z 5 StPO die Urteilsbegründung in 'gedrängter Darstellung' abzufassen hatte.
Der Mängelrüge, deren Vorbringen letztlich auf eine unbeachtliche Bekämpfung der (schlüssigen) erstgerichtlichen Beweiswürdigung hinausläuft, kommt mithin Berechtigung nicht zu.
Mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO macht die Beschwerdeführerin ein (angebliches) Verfolgungshindernis 'wegen Verbrauches des Anklagerechtes' durch die Einbringung des Strafantrages vom 15. Februar 1977 und dessen - von der Staatsanwaltschaft unbekämpft gelassene - urteilsmäßige Erledigung (mit dem eingangs erwähnten Urteil des Einzelrichters vom 6. April 1977) geltend. Die dem nunmehr angefochtenen Urteil des Schöffengerichtes zugrundeliegende Anklageschrift der Staatsanwaltschaft sei zwar ohne vorherige ausdrückliche Rückziehung des Strafantrages, indes bei fehlenden Voraussetzungen des § 227 Abs. 2 StPO erfolgt, was als ein konkludenter Rücktritt vom ursprünglichen Strafantrag zu werten sei; die Anklageschrift sei daher nicht gesetzmäßig eingebracht worden.
Auch diese Rüge geht fehl:
Das Urteil vom 6. April 1977 war, wie bereits eingangs dargestellt, von der nunmehrigen Beschwerdeführerin seinerzeit mit Erfolg wegen sachlicher Unzuständigkeit des erkennenden Einzelrichters aus dem Nichtigkeitsgrund des § 468 Abs. 1 Z 2 (489 Abs. 1) StPO bekämpft worden.
Wird nun - wie vorliegend geschehen - das Urteil wegen dieses Nichtigkeitsgrundes aufgehoben, so obliegt es gemäß dem § 475 Abs. 2 (489 Abs. 1) StPO dem Ankläger, binnen 14 Tagen (§ 27 und 46 StPO), die zur Einleitung des gesetzlichen Verfahrens erforderlichen Anträge zu stellen. Angesichts der von der Beschwerdeführerin in Ansehung des Vergehens nach dem § 307 Z 1 StGB richtig aufgezeigten Zuständigkeit des Schöffengerichtes für die Hauptverhandlung und Urteilsfällung hatte daher der öffentliche Ankläger die Versetzung der Josefine A in den Anklagestand durch Einbringung einer Anklageschrift einzuleiten (§ 207 Abs. 1 StPO); dies ist vorliegend prozessual einwandfrei geschehen. Hiebei war mangels einer Bindung der Staatsanwaltschaft an ihre ursprüngliche, im Strafantrag eingenommene rechtliche Beurteilung der inkriminierten Tat (: § 307 Z 1 StGB), eine önderung der Tatsubsumtion (nunmehr § 15, 12, 302 Abs. 1 StGB) zulässig.
Die von der Staatsanwaltschaft eingehaltene Vorgangsweise entsprach mithin durchaus dem Gesetz; es handelte sich hiebei keineswegs - wie die Beschwerdeführerin meint - um einen Anwendungsfall des § 227 Abs. 1
StPO (: Anklagerücktritt) oder des § 227 Abs. 2 StPO (: Austausch der Anklage nach ergänzenden gerichtlichen Erhebungen /vgl. hiezu EvBl. 1959/256/), vielmehr kam die Staatsanwaltschaft mit der Einbringung einer Anklageschrift gegen Josefine A lediglich ihrer sich aus den Bestimmungen der § 34 Abs. 1, 207; 475 Abs. 2 (489 Abs. 1) StPO ergebenden prozessualen Verpflichtung nach. Das behauptete Verfolgungshindernis liegt mithin nicht vor. Daß die Einbringung der Anklageschrift nicht innerhalb der vierzehntägigen Frist des § 475 Abs. 2 StPO erfolgte, vermag daran schon deshalb nichts zu ändern, weil es sich dabei, wie die Zitierung des § 27 StPO in der erstgenannten Gesetzesstelle klar erkennen läßt, für den Staatsanwalt um keine Fallfrist handelt.
Unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach dem § 281 Abs. 1 Z 11 StPO rügt die Beschwerdeführerin schließlich einen Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius. Sie erblickt diesen Rechtsirrtum in ihrer Verurteilung wegen des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Mißbrauch der Amtsgewalt nach den § 15, 12, 302 Abs. 1 StGB gegenüber dem seinerzeitigen Schuldspruch bloß wegen des Vergehens der Verleitung zu Pflichtwidrigkeiten (eines Beamten) nach dem § 307 Z 1 StGB mit dem - allein von ihr angefochtenen - Urteil des Einzelrichters vom 6. April 1977.
Auch dieser Einwand ist unberechtigt.
Das in den § 290 Abs. 2, 293 Abs. 3, 295 Abs. 2
(359 Abs. 4, 362 Abs. 4), 477 Abs. 2, 489 Abs. 1 StPO ausgesprochene sogenannte Verschlimmerungs- oder Verschlechterungsverbot bezieht sich nach dem Wortlaut der zitierten Bestimmungen überhaupt nur auf die verhängte Strafe (Roeder, Lehrbuch2, 274 f), nicht aber auch auf die rechtliche Beurteilung der Tat. Zumindest hindert es nicht, daß der Angeklagte, nachdem das Urteil aus einem von ihm zutreffend geltend gemachten Grund aufzuheben war, mit der sodann zu treffenden Sachentscheidung - vom Rechtsmittelgericht oder aber im neuerlichen Rechtsgang - bei Tatidentität eines schwerer strafbaren Deliktes schuldig erkannt wird; das Recht zu einer solchen Qualifikationsänderung - bei allerdings nicht schwererem übelsgehalt der Sanktionsgesamtheit - folgt aus § 262 StPO (vgl. SSt. 30/73 am Ende;
hiezu Liebscher in JBl. 1959, 62420; Bertel, Grundriß, 161 unten;
vgl. auch Gebert-Pallin-Pfeiffer, Bd. III/2, Nr. 6 zu § 293 StPO und Foregger-Serini, StPO2 Erl. V zu § 290).
Eine den Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO verwirklichende Schlechterstellung der Beschwerdeführerin gegenüber dem ersten Rechtsgang ist daher vorliegend angesichts dessen, daß das Schöffengericht die Strafe für das der Beschwerdeführerin (nunmehr) zur Last gelegte Verbrechen nach den § 15, 12 und 302 Abs. 1
StGB nicht strenger bemessen hat als (im ersten Rechtsgang) der Einzelrichter mit dem Urteil vom 6. April 1977
für das Delikt nach dem § 307 Z 1 StGB, nicht erfolgt. Die zur Gänze unberechtigte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruche angeführte Gesetzesstelle.
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