Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - Urteil wurden Aldin M***** und Emir B***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (A./), Aldin M***** auch des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (B./) schuldig erkannt.
Danach hat bzw haben in Wien
A./ Aldin M***** und Emir B***** am 26. März 2009 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) versucht, Verantwortlichen der B***** GmbH, indem sie eine Filiale mit geladener und gezogener Waffe der Marke Beretta 9 mm betraten, mithin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz abzunötigen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei sie den versuchten Raub unter Verwendung einer Waffe verübten und „die Vollendung lediglich infolge Wahrnehmung der Beobachtung seitens des Zeugen Borce Mi***** durch die Angeklagten unterblieb"; B./ Aldin M***** ab einem nicht mehr präzise feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2009 bis 26. März 2009 eine Faustfeuerwaffe der Marke Beretta 9 mm sowie zumindest zwölf Stück dazugehörige Patronen, mithin Waffen und Munition besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war
(B./).
Die Geschworenen haben die auf das Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB gerichteten Fragen I./ und II./ bejaht und die Zusatzfragen I./ und II./ nach (freiwilligem) Rücktritt vom Versuch verneint.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Schuldspruch zu A./ richten sich Nichtigkeitsbeschwerden des Aldin M***** aus den Nichtigkeitsgründen des § 345 Abs 1 Z 5 und Z 10a sowie des Emir B***** aus den Gründen des § 345 Abs 1 Z 4, 6, 8 und 10a StPO. Sie verfehlen ihr Ziel.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Aldin M*****:
In der Verfahrensrüge (§ 345 Abs 1 Z 5 StPO) kritisiert der Angeklagte, der Schwurgerichtshof habe über seinen Antrag, von einem Vorhalt bzw einer Verlesung der polizeilichen Aussage des Zeugen Borce Mi***** bei dessen Vernehmung in der Hauptverhandlung Abstand zu nehmen (ON 31 S 55), zwar beraten (ON 31 S 69), nicht jedoch entschieden.
Dem ist zu erwidern, dass ein entsprechender Beschluss gefasst und verkündet wurde (ON 31 S 71 oben).
Die auf ein Beweiserhebungsverbot im Sinn eines Vorkommensverbots für die Hauptverhandlung (vgl Kirchbacher, WK-StPO § 246 Rz 50f) abzielende Antragstellung findet in der „analog §§ 56, 66 StPO" vorgetragenen Ansicht, dass es sich bei dem von der Polizei mit dem Zeugen ohne Beiziehung eines Dolmetschers aufgenommenen Protokoll um ein „nicht gesetzmäßig entstandenes Beweismittel" handle, keine ausreichende Stütze.
Zwar können sich neben den ausdrücklich geregelten Beweisverboten weitere durch wertende Betrachtung ergeben (Schmoller, WK-StPO § 3 [2005] Rz 44 und 52; Kirchbacher, WK-StPO § 246 Rz 109 und 122; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 355 ff je mwN), die aber den mit Nichtigkeit bewehrten einigermaßen gleichwertig sein müssen (RIS-Justiz RS0124168, RS0119111). In gesetzwidriger Beweisgewinnung allein - ohne Bestehen aus strafrechtlicher Sicht schutzwürdiger Interessen (vgl Schmoller, WK-StPO § 3 [2005] Rz 49) - liegt noch kein anerkannter Grund für ein Beweisverbot (vgl Platzgummer, Winkler-FS 799; Schmoller, JBl 1992, 87 ff, Kirchbacher, WK-StPO § 246 Rz 102; 13 Os 83/08t, ÖJZ-EvBl-LS 2009/7, 41; für das deutsche Recht Amelung, Roxin-FS 1263 unter Bezugnahme auf die „in Deutschland ganz herrschende Meinung; ders, Schlüchter-GedS 421 f; BVerfG 2.7.2009, 2 BvR 2225/08; aM Wolter, FS 50 Jahre BGH 994). Ausgehend vom primären Zweck der einschlägigen Bestimmung über die Beiziehung eines Dolmetschers bei der Vernehmung von Zeugen (§ 126 Abs 1 zweiter Satz StPO), der Wahrheitsforschung zu dienen, käme allenfalls - worauf der in Rede stehende Antrag der Sache nach ersichtlich rekurriert - mangelnder Beweiswert als Grund für die Anerkennung eines Beweisverbots in Frage. Dem steht allerdings entgegen, dass es grundsätzlich Aufgabe des Gerichts ist, die Zuverlässigkeit von Beweismitteln zu prüfen (Kirchbacher, WK-StPO § 246 Rz 103, 105). Die unterlassene Beiziehung eines Dolmetschers begründet daher kein Beweisverbot (14 Os 64/02, SSt 64/28).
Der Antrag wurde demnach ohne Schmälerung von Verteidigungsrechten abgelehnt.
Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung solch erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld im Einzelrichterverfahren einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht (RIS-Justiz RS0119583). Mit dem Einwand, die Geschworenen seien zu Unrecht von mangelnder Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch ausgegangen, weil sich der „einzige Hinweis" darauf bloß in einer Passage des Protokolls des Zeugen Mi***** finde, der in weiterer Folge bestritten habe, diese Aussage abgelegt zu haben und der überdies weder sprachlich noch intellektuell in der Lage gewesen wäre, belastende Sätze zu artikulieren, werden beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Wahrspruch zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen nicht geweckt.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Emir B*****:
Die Verfahrensrüge (§ 345 Abs 1 Z 4 StPO) wendet sich gegen die von Amts wegen vorgenommene - teilweise - Ausschließung der Öffentlichkeit (ON 31 S 77), ohne jedoch darzulegen, aus welchem Grund diese Entscheidung des Gerichts (§ 229 Abs 1 StPO) willkürlich und für den Angeklagten nachteilig (§ 345 Abs 3 StPO) gewesen sein sollte.
Da dem - gemäß § 250 Abs 1 StPO während der Beweisaufnahme zeitweise aus Gründen des Zeugenschutzes aus dem Gerichtssaal entfernten - Angeklagten die während seiner Abwesenheit abgelegten Aussagen vom Vorsitzenden zur Kenntnis gebracht wurden (ON 31 S 91), liegt der weiters relevierte Verstoß gegen die (ungeachtet der undifferenzierten Anführung des § 250 StPO in § 345 Abs 1 Z 4 StPO allein unter Nichtigkeitssanktion stehende) Bestimmung des § 250 Abs 1 StPO ebenfalls nicht vor, zumal durch die Absenz des Angeklagten keine Einschränkung seines Fragerechts im Sinn des Art 6 Abs 3 lit d EMRK gegeben war, weil er durch seinen bei der Vernehmung des Zeugen anwesenden Verteidiger vertreten war. Welche konkreten Fragen an den Zeugen in Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte angeblich nicht gestellt werden hätten können, wird von der Beschwerde überdies nicht dargetan.
Die Fragenrüge (Z 6) bemängelt in Betreff der Hauptfrage I./ die Formulierung des Versuchs („hat ... versucht, ..." anstelle eines Hinweises auf Ausführungsnähe) und behauptet einen substratlosen Gebrauch der verba legalia des § 15 Abs 2 StGB. Der Beschwerdeführer übergeht hiebei jedoch, dass mit der Anführung des Betretens des Geschäftslokals mit gezogener Waffe eben diesem Erfordernis entsprochen wurde.
Prozessordnungsgemäßes Ausführen einer Instruktionsrüge (§ 345 Abs 1 Z 8 StPO) verlangt den Vergleich der tatsächlich erteilten Rechtsbelehrung mit deren nach § 321 Abs 1 StPO erforderlichem Inhalt und die darauf gegründete deutliche und bestimmte Darstellung der Unrichtigkeit der den Geschworenen zuteil gewordenen juristischen Information (RIS-Justiz RS0119549). Die Behauptung fehlender Ausführungen zu subjektiven Komponenten eines Versuchs lässt die Seite 5 und 6 der Rechtsbelehrung außer Acht. Auch wenn eine Rechtsbelehrung für jede Frage gesondert zu erfolgen hat, können allgemeine Begriffe zusammenfassend erläutert werden, wenn dies für die Beantwortung mehrerer Fragen an die Geschworenen von Bedeutung ist, zumal diese leicht fasslich und übersichtlich zu gestalten ist. Aktenwidrig ist schließlich das Vorbringen, zum Rücktritt vom Versuch fehlten Ausführungen zur Gänze (s zu den Zusatzfragen I./ und II./ - Rechtsbelehrung S 10 ff).
Soweit die Tatsachenrüge (deren prozessuale Voraussetzungen oben bereits erörtert wurden) dem Zeugen Mi***** die Fähigkeit zu einer „vernünftigen" Aussage abspricht, kann ebenfalls auf die Ausführungen zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Aldin M***** verwiesen werden. Durch den bloßen Hinweis darauf, dass weder Angestellte noch Kunden den Vorfall bzw seine Bedeutung erkannt haben, misslingt es auch dem Zweitangeklagten, beim Obersten Gerichtshof erheblichen Bedenken gegen die im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 iVm § 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten und die Beschwerde des Angeklagten Aldin M***** folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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