OGH 11Os114/11s

OGH11Os114/11s13.9.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. September 2011 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sommer als Schriftführer, in der Auslieferungssache des Alexey T***** wegen Auslieferung zur Strafverfolgung an Russland, AZ 29 HR 60/11t des Landesgerichts Wiener Neustadt, über dessen Grundrechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 28. Juli 2011, AZ 22 Bs 214/11y (ON 31 der HR-Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Alexey T***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Beim Landesgericht Wiener Neustadt ist gegen den russischen Staatsangehörigen Alexey T***** ein Auslieferungsverfahren zur Strafverfolgung in Russland anhängig.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien der Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der Haft- und Rechtsschutzrichterin des Landesgerichts Wiener Neustadt nicht Folge und setzte die über Alexey T***** aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 1 StPO iVm § 29 ARHG verhängte Auslieferungshaft fort. Unter einem bestimmte sie die Substituierbarkeit der Haft durch Leistung einer Sicherheit von 500.000 Euro und weitere gelindere Mittel nach § 173 Abs 5 Z 1, 2 und 4 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichteten und ausschließlich gegen die Höhe der Kaution erhobenen Grundrechtsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Die Höhe einer Kaution ist unter dem Aspekt des Grundrechtsschutzes insoweit relevant, als sie nicht unverhältnismäßig in Relation sowohl zu den persönlichen Verhältnissen einschließlich der finanziellen Lage des die Sicherheit leistenden Angeklagten (Beschuldigten oder Betroffenen) als auch zum Gewicht der Straftat(en) und ihren Folgen, im Fall einer Sicherheitsleistung vor dem Urteil erster Instanz auch zu der zu erwartenden Strafe sein darf, mit anderen Worten ihre Festsetzung nicht willkürlich erfolgt ist (jüngst EGMR, 28. September 2010, Mangouras gegen Spanien, Nr 12050/04, und 15 Os 133/10p; überdies EGMR, 27. Juni 1968, Neumeister gegen Österreich, Nr 1936/63, wonach die Kautionshöhe hinreichen muss, den Enthaftung Anstrebenden von jeglichen Fluchtgedanken abzuhalten; 13 Os 130/01h; Meyer-Ladewig, EMRK3 Art 5 Rz 80).

Soweit die Beschwerdeargumentation primär auf die vom Betroffenen behaupteten wirtschaftlichen Verhältnisse Bezug nimmt, zeigt sie keine Willkür der Entscheidung des Oberlandesgerichts auf.

Mit der unbescheinigt gebliebenen Behauptung des Alexey T*****, lediglich 20.000 Euro aufbringen zu können, setzte sich das Beschwerdegericht nämlich eingehend auseinander und legte im Einklang mit den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen dar, weshalb es mit Blick auf einen vom Betroffenen selbst ins Treffen geführten Diebstahl von einer Million Dollar im Jahr 2007 - der zumindest eine hohe Leistungsfähigkeit der Betriebe im Jahr 2007 indiziert - und der nach eigenen Angaben in Russland und Tschechien betriebenen elf Unternehmen selbst im Falle der Beschlagnahme von Konten von einer deutlich höheren Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers ausging.

Mit seinem Vorwurf, wonach das Gewicht der dem Betroffenen angelasteten Straftat „nicht mit dem angeführten Schaden von 753.600 Euro gleich gesetzt werden könne“, ist Alexey T***** - wie schon vom Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt - auf das bei schlüssigen Unterlagen im Auslieferungsverfahren herrschende formelle Prüfungsprinzip zu verweisen.

Eine exzessive Höhe der Sicherheitsleistung (vgl die zitierte Mangouras -Entscheidung) liegt bei einer Gesamtbetrachtung aufgrund des Gewichts der dem Betroffenen angelasteten Strafttat und der vom Oberlandesgericht auf der Basis der Verfahrensergebnisse zum Entscheidungszeitpunkt ohne Verstoß gegen das Willkürverbot angenommenen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen (der die Sicherheit leisten soll) - einschließlich dessen Vermögen (§ 180 Abs 2 StPO) - nicht vor.

Somit wurde der Betroffene im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ohne Kostenausspruch abzuweisen war (§ 8 GRBG).

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