OGH 11Os113/94

OGH11Os113/9430.8.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.August 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Holzweber und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Kriz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Roman S***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Privatbeteiligten Adelheid O***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 13.Juni 1994, GZ 36 Vr 3690/93-21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Roman S***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB schuldig erkannt, weil er in der Nacht zum 13.November 1993 in K***** außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB Adelheid O***** dadurch, daß er sie auf eine Bank niederdrückte, sie gewaltsam entkleidete, ihr den Mund zuhielt und ihr eine Kerze in den After einführte, sohin durch Gewalt, zur Duldung des Beischlafs nötigte.

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Z 4, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die jedoch in keinem Punkt berechtigt ist.

Als Verfahrensmangel (Z 4) rügt der Beschwerdeführer die Abweisung der in der Hauptverhandlung vom 13.Juni 1994 gestellten Beweisanträge auf

"1. Ladung und Einvernahme der Insp.Marion W*****,

2. Insp.T*****, Insp.W*****, Rev.Insp.R*****, Bez.Insp.E*****, Bez.Insp. L*****, Bez.Insp.W*****,

3. Durchführung eines Ortsaugenscheines in der tatgegenständlichen Blechhütte, weil dieser Raum zu schmal ist, und bei gesetzten Tätlichkeiten Sachen vom Tisch fallen müßten,

4. medizinisches Sachverständigengutachten, zur verkrüppelten Hand des Angeklagten (139)".

Das Erstgericht lehnte die Aufnahme sämtlicher Beweise mit der Begründung ab: "daß die Gendarmeriebeamten deshalb nicht erforderlich sind, weil sich aus der Anzeige ergibt, wann sie die Hütte betreten haben und aus den Fotos ersichtlich ist, daß nichts mehr so war, wie zum Tatzeitpunkt. Außerdem hat der Angeklagte die Gelegenheit gehabt, allenfalls umgefallene Flaschen wieder aufzustellen. Hinsichtlich des Sachverständigengutachtens hat das Gericht selbst sich einen Eindruck machen können, was der Angeklagte mit dieser verkrüppelten Hand machen kann. Ebenso kann auch ein Lokalaugenschein nachträglich nichts mehr bringen, das ergibt sich alles aus der Anzeige und den bisherigen Erhebungen" (139,140).

Diese Begründung wurde im Urteil noch dahin ergänzt, daß es auf Grund der Wahrnehmungen, die das Gericht selbst machen konnte, und des Umstandes, daß der Angeklagte mit seiner verkrüppelten (gemeint: verstümmelten) Hand bereits einmal eine derartige Tat begangen hat, nicht notwendig sei, diesbezüglich einen medizinischen Sachbefund aufzunehmen (US 10); wegen der Möglichkeit für den Angeklagten, nach der Tat Spuren (eventuell umgefallene Flaschen und Gläser) zu beseitigen, sei die Vornahme eines Lokalaugenscheins nicht erforderlich; die Bauhütte sei ohnedies fotografiert worden, die räumlichen Verhältnisse seien auf dem Foto ersichtlich (US 10 und 11).

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers bewirkte die Abweisung der in der Hauptverhandlung vom 13.Juni 1994 gestellten Anträge - wie das Schöffengericht zutreffend erkannte - keine Beeinträchtigung wesentlicher Verteidigungsinteressen. Anläßlich des Antrages auf Ladung und Einvernahme der unter Punkt 1. und 2. der Beweisanträge genannten Zeugen hat es der Antragsteller zudem unterlassen, das Beweisthema zu bezeichnen, das sich auch nicht aus dem Zusammenhang ergibt, sodaß es diesbezüglich an einem auf seine Berechtigung überprüfbaren Beweisantrag mangelt (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 4 E 18). Bei den beantragten Zeugen handelt es sich nach der Aktenlage nicht um Tatzeugen, sondern um jene Beamten, die mit der Anzeigeerstattung bzw den Vernehmungen befaßt waren, sodaß die Anführung der (konkreten) Umstände, die durch das beantragte Beweismittel erwiesen werden sollten, jedenfalls erforderlich gewesen wäre.

Der Antrag (Punkt 3.) auf Durchführung eines Ortsaugenscheines in der tatgegenständlichen Blechhütte "weil dieser Raum zu schmal ist, und bei gesetzten Tätlichkeiten Sachen vom Tisch fallen müßten", war schon nach dem Inhalt des Beweisthemas von vornherein ungeeignet, ein der Wahrheitsfindung dienliches Ergebnis zu zeitigen, sind doch die Raumbreite und die Frage, ob allenfalls "bei den gesetzten Tätlichkeiten Sachen vom Tisch fallen müßten" von keinerlei Relevanz für die Schuldfrage. Daß der Angeklagte an einer Hand nur mehr zwei Finger hat, hat das Erstgericht ohnedies als erwiesen angenommen (US 10). Ein weiteres Beweisthema läßt sich aus dem in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens (Punkt 4.) nicht ableiten, sodaß auch dieser Antrag zu Recht abgelehnt wurde. Bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrages ist stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Antrages und den dabei (in der Hauptverhandlung) vorgebrachten Gründen auszugehen. Erst im Rechtsmittelverfahren vorgebrachte Gründe tatsächlicher Art können keine Berücksichtigung finden (Mayerhofer-Rieder aaO § 281 E 41).

Im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) wird zunächst eine Undeutlichkeit der Urteilsfeststellungen reklamiert, weil daraus nicht ersichtlich sei, in welcher Form Gewalt durch den Angeklagten ausgeübt wurde.

Der Ausspruch über entscheidende Tatsachen ist indes nur dann undeutlich, wenn aus den Feststellungen des Urteils nichts zu entnehmen ist, welche Handlung der Angeklagte nach Ansicht des Gerichtes vorgenommen und mit welchem Vorsatz er sie gesetzt hat oder wenn überhaupt nicht zu erkennen ist, was das Urteil feststellen wollte (Mayerhofer-Rieder, aaO, § 281 Z 5 E 42). Neben der durch § 260 Abs 1 Z 1 StPO gebotenen individualisierenden Beschreibung der Tat des Angeklagten im Urteilsspruch wurde in den Urteilsgründen der Sachverhalt dahin konkretisiert, daß der Angeklagte der Zeugin O***** gewaltsam Schuhe, Jeanshose und Unterhose auszog, ihr den Mund zuhielt, sie mit einer, zeitweise auch mit beiden Händen niederdrückte, als sie (wiederholt) von der Bank herunter und aufstehen wollte, teilweise auch an den Oberarmen festhielt und ihr beide Beine in Richtung Kopf drückte, wobei er mit der anderen Hand die Kerze in ihren After einführte (US 5 und 6). Solcherart ist aber die dem Beschwerdeführer zur Last liegende Gewaltanwendung mit hinlänglicher Deutlichkeit beschrieben.

Mit dem weiteren Beschwerdeeinwand, das angefochtene Urteil sei unzureichend begründet, wird ein formaler Begründungsmangel in Wahrheit nicht dargetan, sondern lediglich versucht, die beweiswürdigenden Überlegungen der Tatrichter einer Korrektur zuzuführen. Tatsächlich hat das erkennende Gericht seine entscheidungswesentlichen Feststellungen unter erschöpfender Erörterung der genannten Beweisergebnisse mängelfrei begründet und vor allem dargelegt, weswegen es die Angaben der Zeugin O***** für wahr hielt und seinen Konstatierungen zugrunde legte. Der Sache nach stellen sich die bezüglichen Ausführungen als im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung dar.

Gleiches gilt für das Beschwerdevorbringen, die Verwertung der Beweisergebnisse sei unvollständig geblieben. Im Gegensatz zur Beschwerdebehauptung geht das angefochtene Urteil ausdrücklich auf die Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand des Angeklagten ein und legt dar, aus welchen Gründen es zur Überzeugung gelangte, daß der Angeklagte trotz seiner Behinderung unter Verwendung dieser Hand die ihm angelasteten Handlungen vornehmen konnte (US 10). Ebenso setzte es sich mit dem Einwand auseinander, daß eine Beschädigung der Kleider des Opfers hätte feststellbar sein müssen, und legte mit ausführlicher Begründung dar, weswegen ein Entkleiden ohne Beschädigung der Kleider möglich gewesen ist (US 10). Die Beschwerde ist daher auch in diesem Punkt unbegründet.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) hinwieder gelangt mit der Argumentation, der Angeklagte habe "bloß eine Nötigung zu einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu verantworten", nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weil sie sich nicht am gesamten Urteilssachverhalt orientiert. Nach den wesentlichen Urteilsannahmen hat nämlich der Angeklagte - von der rechtlichen Gleichwertigkeit der Tathandlungen des § 201 StGB abgesehen - mit der Zeugin O***** unter Anwendung von Gewalt - wie eingangs dargestellt - einen Geschlechtsverkehr durchgeführt, indem er seinen Penis in deren Scheide einführte (US 6).

Die zum Teil unbegründete, zum Teil nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die vom Angeklagten und der Privatbeteiligten erhobenen Berufungen wird der hiefür zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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