OGH 11Os11/05k

OGH11Os11/05k3.5.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Mai 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kreitner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Sinan F***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Sinan F***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19. August 2004, GZ 42 Hv 24/04m-89, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Sinan F***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Mitangeklagten Bekim M***** und einen diesen Angeklagten betreffenden, unangefochten gebliebenen Widerrufsbeschluss enthält, wurde Sinan F***** der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (Punkt I des Urteilssatzes), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II 2) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 2 StGB (II 3) sowie der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (II 1) und des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB, begangen als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Danach hat er in Wien

(I) zusammen mit Bekim M***** zwischen 25. November 2003 und 27. November 2003 Monika U***** und Eszter Viktoria H***** widerrechtlich in der Wohnung in ***** gefangen gehalten bzw. ihnen auf andere Weise die persönliche Freiheit entzogen, indem sie die Mädchen in der genannten Wohnung einsperrten bzw diese die Wohnung nur in Begleitung eines von ihnen (US 3 iVm US 12) verlassen durften, (II 1) am 25. November 2003 Monika U***** mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie an den Haaren riss, sie auf diese Weise gewaltsam in den Vorraum zog, sie auf die dort befindliche Matratze warf, sie mit beiden Armen an der Taille umfasste und gegen ihren Willen mit seinem Penis in ihren After eindrang:

(II 2) am 23. oder 24. November 2003 Monika U***** vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihr einen Schlag mit dem Handrücken ins Gesicht versetzte, wodurch sie eine Rötung und Schwellung der Nase erlitt;

(II 3) am 25. November 2003 Monika U***** durch die Äußerung, wenn sie sterben wolle, könne sie die Wohnung verlassen sowie Monika U***** und Eszter Viktoria H***** durch die Äußerung: „Wollt ihr wissen wo der Friedhof ist", gefährlich mit dem Umbringen bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und

(II 4 a-c) zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten Bekim M***** dazu bestimmt, im Spruch detailliert angeführte fremde bewegliche Sachen in einem 2.000 EUR nicht übersteigenden Wert Verfügungsberechtigten im Spruch namentlich bezeichneter Unternehmen gewerbsmäßig mit dem Vorsatz wegzunehmen, M***** und sich selbst durch Zueignung der Sachen unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Die auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde Sinan F*****s, richtet sich ihrem Inhalt nach nur gegen die Schuldsprüche I, II 1 und II 4 des angefochtenen Urteils. Die in der Rechtsmittelschrift zu Beginn und in den Anträgen als Anfechtungspunkte genannten Fakten I, II 1, 3, 4 sowie III der Anklageschrift lassen eine Zuordnung zu den Urteilsfakten nicht zu, weil in der Anklageschrift gegen Sinan F***** (ON 99) die dem Beschwerdeführer angelasteten Taten unter I bis V angeführt sind, wovon die Anklagepunkte I und II den Schuldspruchfakten I und II 1 entsprechen, der Anklagepunkt II jedoch keine Unterteilung aufweist, sodass nicht erkennbar ist, welche Taten unter „II 1, 3 und 4" zu verstehen sind und Punkt III der Anklageschrift den Tatvorwurf der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB enthält, auf welchen sich aber das Beschwerdevorbringen seinem Inhalt nach nicht bezieht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl:

Wesen und Ziel der Tatsachenrüge (Z 5a) ist es, anhand aktenkundiger Umstände unter Beachtung sämtlicher Verfahrensergebnisse erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen aufzuzeigen. Dieser Aufgabenstellung wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.

Dem für den Schuldspruch nach § 99 Abs 1 StGB (I) relevanten Einwand, die Zeuginnen U***** und H***** hätten bei ihrer ersten polizeilichen Einvernahme (S 109/I) behauptet, einen Schlüssel zur Wohnung, in welcher sie eingesperrt worden seien, von M***** erhalten zu haben, im Widerspruch dazu aber vor der Untersuchungsrichterin (H*****: S 333/I) und in der Hauptverhandlung dies bestritten - womit der Sache nach ein Begründungsmangel in der Bedeutung des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO geltend gemacht wird - ist entgegenzuhalten, dass sich die zitierte Aussage (S 109/I) auf die Vernehmung der Zeugin H***** bezieht (während der Aussage der Zeugin U***** nichts dergleichen zu entnehmen ist: S 59 bis 83/I), die zwar nicht vom Erhalt eines Schlüssels, wohl aber davon sprach, dass es ihr „am Dienstag Abend", allein in der Wohnung gelassen, möglich gewesen wäre, diese zu verlassen. Diese Angaben wurden von H***** aber noch vor Unterfertigung des Protokolls dahin korrigiert, dass die Wohnung tatsächlich versperrt war und ihr deswegen ein Verlassen nicht möglich gewesen sei (S 113/I). Der behauptete Widerspruch liegt daher nicht vor.

Einwendungen ausschließlich gegen die Beweiswerterwägungen der Tatrichter, wie hier gegen die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Belastungszeuginnen, welche zudem, soweit sie auf konkrete Umstände Bezug nehmen, vom Schöffengericht berücksichtigt, aber als nicht stichhältig betrachtet wurden, können erhebliche Bedenken von vornherein nicht hervorrufen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 491). Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang einen Widerspruch darin erblickt, dass die Zeugin U***** ihrer Aussage zufolge die Gelegenheit, im Zuge einer mit M***** unternommenen Diebstour zu fliehen, „aus Angst" nicht ergriffen habe, andererseits aber angab, vor M***** keine Angst gehabt zu haben, übersieht er, dass die Zeugin ersichtlich nicht aus Angst vor M*****, sondern aus Angst um ihre in der Wohnung gebliebene Freundin H***** nicht geflohen ist (S 169/II). Gegen die Annahme seiner Bestimmungstäterschaft an von M***** ausgeführten Diebstählen (II 4) brachte der Beschwerdeführer vor, dass der Feststellung der Existenz der vorgeblicher Bestelllisten nicht unmittelbare Wahrnehmungen, sondern bloße, auf Erzählungen H***** gestützte Vermutungen der Zeugin U***** zu Grunde liegen, welche H***** aber nicht bestätigte, und die beiden Angeklagten nicht nur die Existenz solcher Bestelllisten, sondern die Bestimmungstäterschaft des Beschwerdeführers überhaupt bestritten. Dabei lässt die Beschwerde außer Acht, dass U***** auch angegeben hatte, M***** habe ihr gesagt, „was S***** brauchte" (S 349/I), dass er und der Beschwerdeführer, seit sie in Österreich lebten, „nicht einmal Socken gekauft", sondern „alles gestohlen" hätten (S 347/I, 167/II) und sich M***** bei ihr beschwert habe, dass er „die Drecksarbeit machen" müsse, während der Beschwerdeführer „das Geld kassiere" (S 167/I). Bei dieser Beweislage bestehen jedoch gegen die kritisierte Urteilsannahme keine erheblichen Bedenken. Solche ergeben sich damit auch nicht gegen die Richtigkeit der Konstatierungen zum Vergewaltigungsgeschehen (II 1), welche der Beschwerdeführer allein durch den Hinweis auf die angebliche Unglaubwürdigkeit der Zeugin U***** in Zweifel zu ziehen sucht. Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit als offenbar unbegründet bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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