OGH 11Os110/08y

OGH11Os110/08y16.9.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. September 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Falmbigl als Schriftführer, in der Strafsache gegen Muhammet S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Sabrina B***** gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Jugendschöffengericht vom 2. April 2008, GZ 621 Hv 5/08w-144, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche und weitere Schuldsprüche enthält - wurde Sabrina B***** des Verbrechens der „Bestimmung zur absichtlich schweren Körperverletzung nach §§ 12 zweiter Fall, 87 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB" schuldig erkannt.

Danach hat sie in den frühen Morgenstunden des 3. November 2007 in Hainburg an der Donau Patrick W*****, Muhammet S*****, Ayhan P***** und Patrick F***** zur absichtlich schweren Körperverletzung des Manfred St***** bestimmt, indem sie die Genannten bis unmittelbar vor der Tat mehrmals ausdrücklich und unmissverständlich aufforderte, Manfred St***** zu verprügeln, wobei es ihr darauf ankam, dass dieser schwer verletzt würde, weshalb Patrick W*****, Muhammet S*****, Ayhan P***** und Patrick F***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) Manfred St***** dadurch, dass sie ihn auf brutalste Weise zusammenschlugen und auch, als er bereits auf der Straße lag, noch wuchtige Faustschläge und Fußtritte insbesondere auf seinen Kopf und Hals abgaben, eine schwere Körperverletzung, nämlich eine Gefäßwandschädigung der rechten Wirbelschlagader und der Hirnbasisschlagader mit daraus folgender Gerinselanlagerung und Durchblutungsstörung der Hirnbrücke, des Kleinhirns und des Hinterhauptlappens, absichtlich zufügten, wobei die Tat zumindest für lange Zeit eine vollständige Lähmung aller Gliedmaßen und den Verlust der sprachlichen Verständigungsmöglichkeit, sohin schwere Dauerfolgen nach sich zog.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten B***** aus § 281 Abs 1 Z 5a und 10 StPO.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) greift einzelne Passagen in den Angaben der unmittelbaren Täter heraus, um aus deren isolierter Betrachtung einerseits abzuleiten, die Beschwerdeführerin habe nur zwei der Mitangeklagten konkret aufgefordert, Manfred St***** „zu misshandeln/schlagen" und sei diese Aufforderung überdies wirkungslos geblieben, andererseits sei (laut Aussage der Angeklagten P***** und F*****) „Motiv der unmittelbar Tatausführenden" eine erwartete „Attacke" des St***** gegen B***** und nicht „deren erfolglose Anstiftung der zwei Angeklagten" gewesen, wobei die Tätlichkeit durch den Eindruck ausgelöst worden wäre, „ihr Freund P***** [sei] offensichtlich in eine Rauferei verwickelt".

Durch diese Hinweise auf die wiederholten, weil nicht sofort erfolgreichen Aufforderungen der Nichtigkeitswerberin und die turbulente Situation eingangs der massiven Angriffe der Tätermehrzahl - vgl die korrespondierenden Feststellungen US 11 ff und die differenzierende Beweiswürdigung der wegen unmittelbarer Täterschaft Angeklagten US 18 f - werden beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der für den Schuldspruch - auch zur inneren Tatseite (US 13) - entscheidenden Tatsachen erweckt.

Ebenso wenig ergeben sich erhebliche Bedenken hinsichtlich der Feststellungen zur subjektiven Tatseite der Rechtsmittelwerberin aus der - im Übrigen nur teilweise zutreffenden (vgl S 403, 418 f, 435, 448 f/II) - Behauptung von Suggestivfragen an die angeklagten unmittelbaren Täter in Bezug auf deren und der Beschwerdeführerin innere Vorgänge. Fragen, mit denen einem Beschuldigten oder Zeugen Umstände vorgehalten werden, die erst durch seine Antwort festgestellt werden sollen, dürfen nur dann gestellt werden, wenn dies zum Verständnis des Zusammenhangs erforderlich ist - sie sind also keineswegs verboten, allerdings sind solche Fragen und die darauf gegebenen Antworten wörtlich zu protokollieren (§§ 164 Abs 4, 161 Abs 3 StPO; vgl Kirchbacher, WK-StPO § 200 aF Rz 3). Grundsätzlich zeigt die Vernehmungsrealität, dass es fast unmöglich ist, ohne Suggestivfragen auszukommen, wenn man in einer allgemein verständlichen Weise fragen will (so schon mit ungebrochener Gültigkeit Graßberger, Psychologie des Strafverfahrens² 146) - vor allem (wie hier) mit Bezug auf rechtlich relevante subjektive Momente. Dass dies keineswegs zu widerspruchslosen Bejahungen führt, erhellt etwa die Aussage des (1991 geborenen) Angeklagten S***** (S 418/II).

Soweit sich die Tatsachenrüge mit der Glaubwürdigkeit des Angeklagten W***** (vgl dazu US 16) auseinandersetzt, verlässt sie den Anfechtungsrahmen dieses Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0099649) ebenso wie mit dem ohne Aktenabstützung versuchten Rekurs auf die Erfahrung des täglichen Lebens hinsichtlich der Wahrnehmungsfähigkeit einer „aktiv in Tätlichkeiten verwickelten Person".

Der Verweis der Subsumtionsrüge (Z 10) auf das unter Z 5a „erhobene Vorbringen, insbesondere die sich daraus ergebenden Feststellungsmängel" lässt die deutliche und bestimmte Bezeichnung (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) eines Nichtigkeitsgrundes vermissen und entzieht sich somit meritorischer Erwiderung.

Aus welchem Grund die Feststellung erforderlich wäre, „dass Manfred St***** noch vor Ankunft des Taxis mit der Zweitangeklagten gestritten und sowohl diese als auch die Mitangeklagten provoziert hat", versäumt die Beschwerdeführerin rechtlich fundiert darzulegen und verfehlt auch so die prozessordnungsgemäße Darstellung materiellrechtlicher Nichtigkeit.

Die beweiswürdigende Bestreitung sowohl der Kausalität der Bestimmung der Angeklagten B***** für die unmittelbare Tat als auch des deliktsspezifisch qualifizierten Vorsatzes ignoriert die gegenteiligen Feststellungen US 12 bis 16, somit den Bezugspunkt einer rechtlichen Rüge und begibt sich daher einmal mehr einer inhaltlichen Antwort.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war folglich bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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