OGH 11Os10/94

OGH11Os10/9419.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. April 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hager, Dr. Schindler, Dr. Mayrhofer und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jannach als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josef K* wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. November 1993, GZ 4 a Vr 10.300/93‑140, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Hauptmann, und des Verteidigers Dr.Charim jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0110OS00010.9400000.0419.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef K* des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Demnach hat er in der Zeit von Oktober 1988 bis März 1992 in Wien als Mitarbeiter der Wertpapierabteilung der Bank * AG in mehrfachen Angriffen hinsichtlich einzelner nummernmäßig bezeichneter Konten die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, durch auftragslose oder auftragswidrige Verwendung eingezahlter, teils auch schon veranlagter Gelder zu spekulativen Wertpapiergeschäften für eigene Zwecke, und zwar teils auch unter Realisierung von Sparbüchern sowie kreditweiser Belastung von Verrechnungskonten und Disposition über diese Erlöse, wissentlich mißbraucht und dadurch der genannten Bank einen Schaden in der Höhe von insgesamt 17,401.155 S zugefügt.

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit a und 11 (der Sache nach auch Z 9 lit b und 10) des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Er ist damit nicht im Recht.

Die in der Mängelrüge (Z 5) behauptete Aktenwidrigkeit der Begründung jener Urteilsfeststellungen, welche die dem Angeklagten erteilte Dienstanweisung betreffen, liegt schon deshalb nicht vor, weil das Erstgericht den Inhalt der dem Angeklagten erteilten Dienstanweisung im Urteil nicht wiedergegeben, sondern lediglich den Verstoß des Angeklagten dagegen festgestellt hat (vgl Mayerhofer‑Rieder StPO3 § 281 Z 5 ENr 185). Insoweit konnte sich jedoch das Schöffengericht auf die eigene Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung stützen (US 14), wonach er "entgegen der Dienstanweisung" auch spekulative Werte angeschafft habe (Band VI/S 225). Den Beschwerdeausführungen zuwider erweist sich sohin die Urteilsfeststellung des wissentlichen Befugnismißbrauchs durch den Beschwerdeführer nicht als mangelhaft begründet. Zu einer näheren Erörterung der einzelnen Bestimmungen der Dienstanweisungen bestand daher für das Erstgericht kein Anlaß. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, er sei nach der Dienstanweisung auch zum Ankauf hochspekulativer Wertpapiere berechtigt gewesen, weil für einen solchen Fall der Erlag von 100 % des Anschaffungspreises durch den Kunden vorgeschrieben sei, geht er darüber hinweg, daß er entgegen den Aufträgen der Bankkunden und ohne deren Wissen gehandelt hat (US 15 iVm US 12 f).

Zu Unrecht rügt der Beschwerdeführer die unterbliebene Erörterung seiner Verantwortung, wonach die ihm vorgeworfene Schadenshöhe nicht exakt stimme (Band VI/S 223), als Unvollständigkeit (Z 5). Denn abgesehen davon, daß der Angeklagte den Schadensbetrag von 17,401.155 S schließlich anerkannt hat (Band VI/S 228), betrifft der insoweit geltend gemachte Umstand keine entscheidende Tatsache. Wird doch die strafsatzändernde Wertgrenze nach § 153 Abs 2 zweiter Fall StGB angesichts des vom Schöffensenat festgestellten Schadens selbst unter Berücksichtigung der behaupteten Mängel auf jeden Fall überschritten. Einer Erörterung der Einwände des Angeklagten gegen die genaue Höhe des ihm angelasteten Schadens bedurfte es demzufolge nicht.

Dem Einwand (inhaltlich Z 9 lit a und 10), das Erstgericht hätte bei Berechnung des Schadens alle Vorteile berücksichtigen müssen, die er seinem Dienstgeber aus anderen, sei es auch unzulässigerweise abgeschlossenen Geschäften verschafft habe, ist folgendes zu erwidern:

Beim Tatbestand der Untreue nach § 153 Abs 1 StGB ist unter Mißbrauch jedes den Interessen der Vertretenen abträgliche Verhalten bei Gebrauch der Vollmacht zu verstehen, weil die Geschäftsführung so einzurichten ist, daß sie dem Machtgeber größtmöglichen Nutzen bringt (SSt 47/31 ua). Daraus folgt, daß bei Beurteilung der für den Vertretenen geschlossenen einzelnen Geschäfte deren positive und negative Auswirkungen gleichermaßen zu berücksichtigen sind, wogegen keine die gesamte Geschäftsführung erfassende Vorteilsausgleichung stattfindet. Eine solche liefe nämlich auf eine Kompensation des allfälligen Nutzens aus der ordentlichen Geschäftsführung mit dem durch unerlaubte Geschäfte entstandenen Schaden hinaus (Mayerhofer‑Rieder, StGB3 ENr 62; Tschulik im WK Rz 20 c; Leukauf‑Steininger, Komm3 RN 28 je zu § 153).

Der Rechtsrüge zuwider war daher das Erstgericht nicht dazu verhalten, Feststellungen zum Nutzen der Bank * AG aus den nicht von der Anklage umfaßten vom Beschwerdeführer getätigten Geschäften zu treffen, gleichgültig ob der Angeklagte zu diesen Transaktionen im Innenverhältnis ermächtigt war oder nicht. Für eine Anrechnung kamen bloß diejenigen Vorteile der Bank in Betracht, die diese aus den Mißbrauchshandlungen des Machthabers gleichzeitig mit den jeweiligen Vermögensnachteilen zog (ÖJZ‑LSK 1976/252), was nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung bloß auf die Bankprovision von etwa 1,25 % des Umsatzes (Band VI/S 229) zutraf, soweit dieser nicht bisher unberücksichtigte Aufwendungen der Bank, wie fremde Spesen und Gemeinkostenanteile, gegenüberstanden. Der solcherart eingeschränkt mögliche Vorteilsausgleich könnte aber keinesfalls den Gesamtschaden bis zu einem Betrag mindern, welcher der für die rechtliche Beurteilung maßgebenden Wertgrenze des § 153 Abs 2 zweiter Fall StGB auch nur nahekäme.

Soweit der Beschwerdeführer die unterbliebene Berücksichtigung der von ihm vor Einleitung des Strafverfahrens erbrachten Ersatzleistungen rügt, macht er der Sache nach tätige Reue (Z 9 lit b) geltend. Dieser Strafaufhebungsgrund nach § 167 StGB setzt jedoch die vollständige Gutmachung des aus der Tat entstandenen Schadens bzw die vertragliche Verpflichtung des Täters hiezu voraus, wofür die Hauptverhandlung keinen Anhaltspunkt ergeben hat. Der Angeklagte hatte sich bloß dahin verantwortet, daß er nach Abgabe eines Schadensanerkenntnisses die Bezüge aus seiner Arbeitslosenunterstützung in der Höhe von ca. 90.000 S an die Bank habe anweisen lassen und die Gelder eines von ihm angelegten Wertpapierpools in der Höhe von ca 500.000 S der Bank überlassen habe (Band VI/S 227). Selbst unter der Annahme einer Schadensminderung durch Abzug einer Bankprovision von 1,25 % des Umsatzes (siehe die obigen Ausführungen) würden diese Leistungen keine Gutmachung des ganzen aus der Tat entstandenen Schadens ergeben. Somit bestand kein Anlaß für die Vornahme von Feststellungen zur Schadensgutmachung, sodaß sich das Urteil auch in dieser Hinsicht als frei von Feststellungsmängeln erweist.

Schließlich ist auch die Strafbemessungsrüge (Z 11) nicht zielführend, weil das Gericht für den Strafausspruch keine Kriterien herangezogen hat, die den im Gesetz normierten Strafbemessungsvorschriften in unvertretbarer Weise widersprechen (vgl Mayerhofer‑Rieder StPO3 § 281 Z 11 ENr 3 und 4). Das auf die Annahme weiterer mildernder Umstände abzielende Begehren stellt sich der Sache nach als Berufungsvorbringen dar. Der von ihm kritisierte Urteilshinweis im Rahmen der Beweiswürdigung, wonach er zugegeben habe, zum Teil gefälschte bzw auf zwei Kunden lautende Dispositionsscheine den Kunden vorgewiesen zu haben (US 14), wurde vom Schöffengericht bei der Strafbemessung nicht herangezogen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Der Schöffensenat verhängte über den Angeklagten nach dem zweiten Strafsatz des § 153 Abs 2 StGB eine viereinhalbjährige Freiheitsstrafe. Es wertete dabei als erschwerend den langen Deliktszeitraum und den hohen, die Verbrechensgrenze um ein Vielfaches übersteigenden Schaden, als mildernd das reumütige Geständnis, den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten und die teilweise Schadensgutmachung.

Die Berufung des Angeklagten, mit der er eine Strafreduktion und eine teilweise bedingte Strafnachsicht anstrebt, ist nicht begründet.

Der Schöffensenat hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig herangezogen und auch entsprechend gewürdigt. Den vom Berufungswerber zusätzlich ins Treffen geführten Umständen kommt durchwegs nicht das Gewicht eines besonderen Milderungsumstandes zu. Seine Hinweise, er habe sich persönlich nicht bereichert, die Tat selbst aufgedeckt, an den Untersuchungen der Bank zum Nachvollzug der stattgefundenen Transaktionen und zur Schadensminderung mitgewirkt, den Schadensbetrag anerkannt und sich bereit erklärt, in Hinkunft Schadenersatzleistungen zu erbringen, sind zwar im Rahmen der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung nach § 32 StGB zu berücksichtigen, nach Lage des Falles aber auch in ihrer Gesamtheit nicht geeignet, die Schuld des Angeklagten entscheidend so zu mindern. Für die begehrte Herabsetzung der Freiheitsstrafe war daher ‑ auch angesichts des hohen Schadens ‑ kein Raum.

Damit ist dem weiteren Begehren des Berufungswerbers auf ‑ auch nur teilweise ‑ bedingte Strafnachsicht schon kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung (§§ 43 Abs 1, 43 a Abs 4 StGB) der Boden entzogen.

Es mußte darum auch der Berufung ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 390 a StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte