Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird dahin Folge gegeben, dass die Freiheitsstrafe auf acht Monate herabgesetzt wird.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Horst M***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er am 27. Dezember 1999 in Salzburg als Sicherheitswachebeamter (Revierinspektor) der Bundespolizeidirektion Salzburg mit dem Vorsatz, Roland H***** an seinem konkreten Recht auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten (§ 1 Abs 1 DSG) zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch, dass er den deutschen Kriminalhauptkommissar Gerhard M***** (richtig: M*****) von der Polizeiinspektion Fahndung Traunstein/Kontaktstelle Freilassing, fernmündlich um Überprüfung und Abklärung der Person "Ronny H*****", unterwegs mit dem PKW amtliches Kennzeichen M - JV 3077, angeblich ein verdeckter Ermittler der Kripo in München, ersuchte, wissentlich missbraucht.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf die Gründe der Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Der Beschwerdeansicht (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrages auf Vernehmung des Zeugen Ronny H***** Verteidigungsrechte schon deshalb nicht beeinträchtigt, weil der damit zu beweisende Umstand, dass sich H***** als verdeckter Ermittler ausgegeben hat, nicht entscheidungswesentlich ist.
Das schutzwürdige Interesse an dem Grundrecht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten (§ 1 Abs 1 DSG 1978, nunmehr § 1 Abs 1 DSG 2000) wird nämlich auch dann nicht ausgeschlossen, wenn der Betroffene selbst geschützte Daten (wie hier eine angebliche Tätigkeit als verdeckter Ermittler) einem (begrenzten) Personenkreis, zum Beispiel Angestellten eines Gastlokales, offenbart. Ein solcher Ausschluss wäre schon im Hinblick auf das allgemein geltende Gebot einer restriktiven Interpretation einer Einschränkung von Grundrechten und der hinsichtlich des Grundrechtes auf Datenschutz auch noch zusätzlich getroffenen diesbezüglichen gesetzlichen Regelung (§ 1 Abs 2 DSG 1978 und § 1 Abs 2 DSG 2000) nur im Falle einer generellen Zugriffsmöglichkeit (§ 1 Abs 1 DSG 2000 spricht insoweit von allgemeiner Verfügbarkeit) der betreffenden Daten gegeben (zum Vergleich mit der zur Tatzeit aktuellen Rechtslage siehe insbesondere Drobesch/Grosinger, Das neue Datenschutzgesetz, Rz 4 zu § 1 Abs 1), welche (ebenso wie eine mangelnde Rückführbarkeit der Daten auf den Betroffenen) hier aber nicht vorliegt. Auch die Mängelrüge (Z 5) versagt.
Zu Unrecht kritisiert der Beschwerdeführer zunächst die Verwertung des vom deutschen Kriminalbeamten Gerhard M***** über das tatgegenständliche Telefongespräch aufgenommenen Aktenvermerks bei der Entscheidungsfindung des Erstgerichtes (US 7 iVm S 25) mit der Begründung, dass nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls (auch) dieser Vermerk bloß einverständlich als verlesen zu gelten habe, aber in Wahrheit nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen wäre.
Denn zum einen wurde dieser den Urkunden des § 252 Abs 2 StPO zuzuordnende Vermerk durch den Verzicht beider Prozessparteien auf die (tatsächliche) Verlesung verwertbar, zum anderen wurde er, was der Beschwerdeführer unbeachtet lässt, im Rahmen der Vernehmung des Zeugen M***** eingehend erörtert und (auch) solcherart in die Hauptverhandlung eingeführt (insbesondere S 315 bis 319, 325 und 327; vgl auch die Bezugnahme bei der Vernehmung des Zeugen Hans Georg H*****, S 337).
Gleiches hätte in Ansehung des Beschwerdeeinwands gegen die Urteilsfeststellungen über die vorgesehenen Modalitäten für eine Datenanfrage der Bundespolizeidirektion Salzburg bei der im unmittelbaren Grenzbereich gelegenen deutschen Bundespolizeidirektion Traunstein bzw bei deren Kontaktstelle Freilassing (US 5 und 6) zu gelten, wenn man der nicht näher begründeten Rechtsmittelmeinung folgen wollte, dass es sich hiebei überhaupt um entscheidende Tatsachen handelt, wurde doch die primär in der Sachverhaltsbekanntgabe der Bundespolizeidirektion Salzburg beschriebene diesbezügliche Vorgangsweise (S 5) im Rahmen der vorgenannten Zeugenvernehmung vor dem erkennenden Gericht ebenfalls erörtert (S 319 f). Auf diesen Teil der Vernehmung wird vom Erstgericht im Rahmen der Entscheidungsgründe auch ausdrücklich Bezug genommen (US 6 oben), weshalb ein formeller Begründungsmangel nach keiner Richtung hin vorliegt.
Das Wissen des Angeklagten um den durch ihn begangenen Befugnismissbrauch wurde vom Schöffengericht logisch und empirisch einwandfrei aus der beruflichen Erfahrung des Genannten und dessen vom Zeugen M***** bekundeter Vorgangsweise abgeleitet. Mit seinen ausschließlich die Ausführungen zur beruflichen Erfahrung (US 3) thematisierenden Einwendungen sucht der Beschwerdeführer lediglich zu für ihn günstigeren Schlussfolgerungen zu gelangen, womit er jedoch eine prozessordnungsgemäße Darstellung der Mängelrüge verfehlt. Ebensowenig Erfolg ist der Rechtsrüge (Z 9 lit a) beschieden. Der Umfang der Befugnis bestimmt sich nach dem abstrakt in Betracht kommenden Aufgabenbereich des Beamten, nicht jedoch danach, ob der Beamte seinem Dienstauftrag zufolge auch konkret mit den normwidrig vorgenommenen Amtsgeschäften befasst gewesen ist. Hieraus folgt, dass selbst eine funktionelle oder örtliche Unzuständigkeit den Missbrauch einer grundsätzlich zustehenden Befugnis keineswegs ausschließen (vgl hiezu insbesondere Leukauf/Steininger Komm3 § 302 RN 30 und SSt 59/9).
Demnach genügt es, dass der Beschwerdeführer zur Tatzeit als Polizeibeamter in der Vermittlungsstelle der Bundespolizeidirektion Salzburg Dienst versah. Dass er nicht im polizeilichen Kriminaldienst stand, schadet nicht, weil ihm unabhängig von seinem konkreten Dienstauftrag die Veranlassung polizeilicher Erhebungen auch im Wege der Inanspruchnahme ausländischer Amtshilfe auf Grund seiner polizeilichen Funktion als Sicherheitswachebeamter in abstracto zustand.
Zufolge der Umschreibung der vom Beschwerdeführer dabei gewählten Vorgangsweise im angefochtenen Urteil kann auch die Art und Weise der in Anspruch genommenen internationalen Amtshilfe und deren Beurteilung als Amtsgeschäft nicht zweifelhaft sein. Ferner macht die Annahme, dass nach herrschender Praxis der an sich vorgesehene Gebrauch eines Kennwortes im Verkehr zwischen der Bundespolizeidirektion Salzburg und der Kontaktstelle Freilassing unüblich war, die von der Beschwerde vermisste Feststellung entbehrlich, ob dem Angeklagten dieses Kennwort bekannt war oder nicht.
Damit bedurfte es auch nicht der in der Rechtsmittelschrift reklamierten Konstatierung, dass ohne das betreffende Kennwort eine Datenanfrage an die benachbarte deutsche Polizeidirektion bzw bei der Landpolizei Freilassing unmöglich gewesen wäre. Auf urteilsfremden Annahmen beruht demnach auch die sachlich zudem gegen die erstrichterliche Beweiswürdigung gerichtete Behauptung des Beschwerdeführers, auf Grund des "Günstigkeitsprinzips" wäre festzustellen gewesen, dass eine solche Unmöglichkeit auch seinem damaligen Wissensstand entsprochen hätte.
Der unter abermaliger Berufung auf die Unmöglichkeit einer Auskunftserlangung ohne Kennwort das Vorliegen eines (absolut) untauglichen Versuches behauptende Beschwerdeeinwand orientiert sich nicht am Urteilssachverhalt; zudem ist er im Hinblick darauf, dass dem Angeklagten Deliktsvollendung angelastet wird, rechtlich verfehlt: Genügt doch beim Missbrauch der Amtsgewalt durch missbräuchliche Datenabfrage (bei an sich möglicher Schädigung) bereits die Tatbegehung mit Schädigungsvorsatz, ohne dass ein tatsächlicher Schadenseintritt erforderlich wäre. Weil der Beschwerdeführer nach den getroffenen Feststellungen die dienstlich gerechtfertigte Datenabfrage zur bloßen Eigenverwertung und bereits dadurch - wie noch auszuführen sein wird - rechtsschädigend vornahm, war der Amtsmissbrauch bereits mit dem Befugnismissbrauch vollendet, weshalb für die Annahme eines (absolut) untauglichen Versuchs schon begrifflich kein Raum bleibt.
Der Beschwerdeauffassung zuwider ist es nicht erforderlich, dass der Beamte mit der Zielvorstellung handelt, die geheimen Daten an Dritte zu offenbaren. Denn die Schädigung - hier eines Dritten - am konkreten Recht liegt schon in der Verletzung des Grundrechtes auf Datenschutz, welcher durch die missbräuchliche Anfrage intendiert und damit vom (erweiterten) Schädigungsvorsatz erfasst war. Damit versagt auch der Einwand, dem Urteil fehlten Feststellungen, dass der Beschwerdeführer mit dem Vorsatz gehandelt habe, eine Person in ihrem Grundrecht auf Datenschutz zu schädigen. In diesem Zusammenhang genügt der Hinweis auf die im Einklang mit dem Urteilsspruch stehenden Ausführungen des Erstgerichtes über die gewollte Beeinträchtigung des Betroffenen durch das vorliegende Tatverhalten des Angeklagten in objektiver und subjektiver Hinsicht (vgl insbesondere US 9 und 10).
Soweit der Beschwerdeführer auch im Rahmen seiner Rechtsrüge das Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses des Betroffenen an der Geheimhaltung in Zweifel zu ziehen sucht, weil sich dieser gegenüber einigen Angestellten eines Gastlokals selbst als verdeckter Ermittler bezeichnet hätte, genügt der Hinweis auf die Erledigung seiner gleichartigen Ausführungen im Rahmen der Verfahrensrüge (Z 4). Von einer allgemeinen Verfügbarkeit aller personsbezogenen Daten des Genannten kann keine Rede sein. Angesichts der umfassenden Anfrage des Beschwerdeführers müssen auch die behaupteten Zugriffsmöglichkeiten auf Kfz-Daten in der Bundesrepublik Deutschland auf sich beruhen.
Der Berufung kann hingegen Berechtigung nicht gänzlich abgesprochen werden.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten, ausgehend vom Strafrahmen des § 302 Abs 1 StGB (sechs Monate bis fünf Jahre) eine (bedingt nachgesehene) Freiheitsstrafe von einem Jahr. Dabei wurden keine besonderen Erschwerungs- oder Milderungsgründe berücksichtigt, jedoch der mangelnden Schuldeinsicht und generalpräventiven, mit der Stellung des Angeklagten als Polizeibeamter verbundenen Erwägungen Rechnung getragen.
Dem Berufungswerber ist zuzubilligen, dass sich fehlende Schuldeinsicht entgegen der damit ersichtlich zum Ausdruck gebrachten Ansicht des Schöffengerichtes nicht zum Nachteil des Angeklagten auswirken darf und auch auf die Beamteneigenschaft abzielende generalpräventive Belange schon bei Fassung des Deliktstatbestandes und die durch die Bestimmung des Strafrahmens vorgenommene Vorbewertung amtsmissbräuchlichen Verhaltens berücksichtigt wurden, sodass deren substratlose Heranziehung als Strafschärfungsgrund dem Doppelverwertungsverbot des § 32 Abs 2 StGB zuwiderläuft. Nach Ausschaltung dieser Erschwerungsgründe und unter Beachtung der noch als leicht zu beurteilenden Tatschwere war die Freiheitsstrafe somit auf ein tat- und tätergerechtes Maß zu reduzieren, welches mit acht Monaten geringfügig über der Mindeststrafdrohung liegt, wobei die Anwendung außerordentlicher Strafmilderung im Hinblick auf den Mangel von Milderungsgründen nicht in Betracht zu ziehen war. Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.
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