Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil - das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch vom Anklagevorwurf eines Einbruchsdiebstahls enthält - wurde Tarik B***** des Verbrechens des (versuchten) Mordes nach §§ 15, 75 StGB (I), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (II) und des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB (III) schuldig erkannt.
Danach hat er in Wien
I.) am 19. Juni 2009 Fayik K***** zu töten versucht, indem er ihm einen Messerstich in die linke Brust im Bereich des Herzens versetzte, wodurch dieser eine Stichbeschädigung der Brustwand zwischen 3. und 4. Rippe links, des linken Lungenoberlappens sowie des Herzbeutels bis zum Herzmuskel mit Eindringen von Blut und Luft in den Brustkorb sowie von Luft in den Herzbeutel erlitt;
II.) zu nicht mehr näher festzustellenden Zeitpunkten zwischen Anfang Mai 2009 und Mitte Juni 2009 Tülün Y***** durch die mehrfache Äußerung, er werde sie und Fayik K***** umbringen, wenn sie mit diesem weiter Kontakt habe oder zu diesem zurück gehe, mithin durch Drohung mit dem Tod, zur Abstandnahme von der Wiederaufnahme ihrer Beziehung zu Fayik K***** und zur Änderung ihrer Telefonnummer genötigt;
III.) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, gewerbsmäßig Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese mit einem 3.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, und zwar
A. zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten zwischen April 2009 und Mitte Juni 2009 Tülün Y***** in wiederholten Angriffen durch Täuschung über seine Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit zur Einräumung von Darlehen im Betrag von 6.900 Euro;
B. am 5. Juni 2009 Teyfik Yi***** durch die Behauptung, er würde ihm 13 Laptops und drei LCD-Fernseher zum Preis von 5.500 Euro verschaffen, zur Übergabe einer Anzahlung von 2.400 Euro.
Die Geschworenen hatten die anklagekonformen Hauptfragen in Richtung der angeführten Delikte bejaht, eine Zusatzfrage (in Richtung § 11 StGB zu der zum Schuldspruch I führenden Hauptfrage 1) verneint und die Beantwortung zweier Eventualfragen zur Hauptfrage 1 demgemäß unterlassen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 345 Abs 1 Z 4, 6, 8 und 10a StPO.
Die auf Z 4 gestützte (Verfahrens-)Rüge eines Verstoßes gegen § 250 Abs 1 StPO in der Hauptverhandlung vom 16. März 2010 übersieht, dass die zur Urteilsfällung führende Hauptverhandlung - nach Neudurchführung gemäß § 276a StPO wegen geänderter Senatszusammensetzung - am 13. April und 11. Mai 2010 stattfand (ON 56, 64). Überdies besteht nach dem ungerügt gebliebenen Protokoll ON 47 entgegen dem spekulativen Rechtsmittelvorbringen kein Zweifel an der Einhaltung der von § 250 Abs 1 zweiter Satz StPO geforderten Information des im Übrigen während der gesamten Hauptverhandlung durch zwei Verteidiger vertretenen Angeklagten, der sich sogar konkret dazu äußerte (ON 47 S 113).
Die Fragenrüge (Z 6) vermisst in der auf das Verbrechen des Mordes gerichteten Hauptfrage 1 eine Konkretisierung der subjektiven Tatseite mittels Verwendung der Formulierung des zweiten Halbsatzes des § 5 Abs 1 StGB. Angesichts der Anordnung des § 7 Abs 1 StGB - wonach, wenn das Gesetz nicht anderes bestimmt, nur vorsätzliches Handeln strafbar ist - legt er indes nicht juristisch methodengerecht abgeleitet dar, aus welchem Grund das legal subintellegierte Vorsatzmerkmal entgegen § 312 Abs 1 StPO, der vorschreibt, dass Hauptfragen alle (objektiven und subjektiven) gesetzlichen Merkmale der Tat enthalten müssen, im vorliegenden Fall in die Frage aufgenommen hätte werden müssen (RIS-Justiz RS0113270; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 33). Dem Beschwerdevorbringen zuwider unterschieden sich die Eventualfragen I und II („... eine schwere Körperverletzung absichtlich zugefügt ...“, „... schwer am Körper verletzt ...“) gerade hinsichtlich der inneren Tatseite von der Hauptfrage 1 („zu töten versucht“). Es bleibt daher im Dunkeln, aus welchem Grund die Geschworenen nicht die Möglichkeit gehabt hätten, die Hauptfrage 1 zu verneinen, wenn sie der Ansicht gewesen wären, der Angeklagte hätte nicht mit Mordvorsatz gehandelt.
Die Instruktionsrüge (Z 8) verfehlt den Vergleich der tatsächlich erteilten Rechtsbelehrung mit deren in § 321 Abs 2 StPO normierten Inhalt und die allein darauf gegründete - und nur dann prozessordnungsgemäß einer meritorischen Erledigung zugängliche - gesetzlich geforderte deutliche und bestimmte Darstellung der Unrichtigkeit der den Geschworenen zuteil gewordenen juristischen Information (RIS-Justiz RS0119549, auch RS0100695). Diese ist stets nach ihrem gesamten Inhalt und nicht bloß nach einzelnen aus dem Zusammenhang gelösten Teilen zu prüfen (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 56). Der Beschwerdeführer versucht dementgegen lediglich durch von ihm spekulativ konstruierte Möglichkeiten eines Missverstehens die sogar zweifache - dem Verständniswilligen völlig klare - Definition des bedingten Vorsatzes (S 3 f allgemein, S 10 konkret zur Hauptfrage 1) in Zweifel zu ziehen, ohne solcherart allerdings eine Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung prozessordnungsgemäß darzulegen.
Die Tatsachenrüge (Z 10a) trachtet unter Betonung der auf den Vorsatz (lediglich) einer schweren Verletzung gerichteten Einlassung des Angeklagten und der Aussagen zweier Zeugen zu wechselseitigen Tätlichkeiten zwischen B***** und K***** die den Schuldspruch I tragenden Feststellungen zum Tötungsvorsatz im entsprechenden Wahrspruch zu unterminieren - erhebliche Bedenken des Obersten Gerichtshofs in diese Richtung zu erwecken, gelingt ihm allerdings dadurch nicht.
Der abschließende Vorwurf, der Schwurgerichtshof sei „diesem Umstand nicht nachgegangen“, daher falle ihm ein Verstoß gegen seine Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit zur Last, versäumt zu erklären, wodurch der durchgehend durch einen Verteidiger vertretene Rechtsmittelwerber selbst an entsprechender Antragstellung zur Erwirkung zweckdienlicher Aufklärungen gehindert gewesen wäre (RIS-Justiz RS0115823, RS0114036).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1 StPO, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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