OGH 11Os106/87

OGH11Os106/8712.8.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.August 1987 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Sailler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Thomas M*** wegen des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16.März 1987, GZ 5 a Vr 11.758/86-27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO wird aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde das angefochtene Urteil aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seinen Rechtsmitteln wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 21.Februar 1964 geborene, zuletzt beschäftigungslose Thomas M*** des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB (A des Schuldspruches) und des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach dem § 202 Abs. 1 StGB (B des Schuldspruches) schuldig erkannt. Inhaltlich des Schuldspruches liegt ihm zur Last, am 11.Oktober 1986 in Wien mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) der Ursula Maria H*** fremde bewegliche Sachen, und zwar 5.170 S Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er der Genannten einen Arm auf den Rücken drehte, ihr drohte, er werde ihr die Hand brechen, wenn sie sich wehre, ihr danach einen Schlüssel abnahm, sie zu einem Tresor zerrte, mit dem Schlüssel in ihrer Gegenwart den Tresor aufsperrte und den angeführten Geldbetrag herausnahm end einsteckte (A des Urteilssatzes) sowie außer dem Fall der Notzucht eine Person weiblichen Geschlechtes, und zwar Ursula Maria H***, durch die unter Punkt A angeführte Gewalt und gefährliche Drohung zum außerehelichen Beischlaf genötigt zu haben (B des Urteilssatzes). Dieses Urteil wird vom Angeklagten im Schuldspruch mit einer ausdrücklich auf die Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung bekämpft, wobei sich das Beschwerdevorbringen allein auf das Raubfaktum bezieht.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich allerdings der Oberste Gerichtshof davon überzeugen, daß das Urteil an einem vom Angeklagten nicht geltend gemachten Feststellungsmangel leidet. Dieser Feststellungsmangel betrifft die innere Tatseite zu beiden Urteilsfakten. Dazu finden sich nämlich in den Entscheidungsgründen nur zwei Aussagen, und zwar, daß der Angeklagte "sein Vorhaben, H*** mit Gewalt zu einem Geschlechtsverkehr zu nötigen", unterbrochen habe, und - an späterer Stelle - daß er den (zwischenzeitig dem Tresor entnommenen) Geldbetrag eingesteckt habe, "weil er sich auf diese Weise bereichern wollte" (siehe S 144 d.A). Abgesehen davon, daß es sich bei der ersten Formulierung bloß um die Wiederholung eines Teiles des Urteilsspruches und inhaltlich um den nicht substantiierten Gebrauch der verba legalia handelt (siehe 11 Os 108/79=ÖJZ-LSK 1979/336), was hier umso schwerer wiegt, weil sich der Angeklagte nicht schuldig bekannt und eine Gewaltanwendung nur als Reaktion auf ihm zugefügte schmerzhafte Bisse und nicht zum Zweck der Beugung eines seinem Wunsch auf Vollzug des Beischlafes entsprechenden Willens des Opfers eingeräumt hatte (s. insb. S 34 f, 396, 127, 129 d.A), vermag der - im zweiten Fall - festgestellte Bereicherungswille nur einen (geringen) Teil der subjektiven Tatbestandserfordernisse des Raubes abzudecken. Besonders nach Lage dieses Falles wären zur Raubtat eingehende Feststellungen zu dem mit einer ausgeübten Gewalt verbundenen inneren Vorhaben des Angeklagten zu treffen gewesen, weil - hierin stimmen Spruch und Entscheidungsgründe des Urteiles zudem nicht überein - den getroffenen Feststellungen zufolge die zunächst gesetzten Gewaltakte (Stoß, Halten der Hände, Verdrehen des Armes) und die geäußerte Drohung nur mit dem Sexualdelikt in (unmittelbarem) Zusammenhang stehen, die Ansichnahme des Schlüssels und die Wegnahme des Bargeldbetrages dagegen auf gesondertem Willensentschluß zu beruhen

scheinen (arg.: "... bemerkte der Angeklagte die daran hängenden Schlüssel ..." und " ... unterbrach sein Vorhaben ..." - S 144 d.A)

und offenbleibt, weshalb der Angeklagte Ursuala H***, die ja schon zuvor jede Gegenwehr aufgegeben hatte, "am Arm packte" und in die Bar "zerrte". (Daß die Zeugin vor dem Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung nicht mehr von "Zerren", sondern von "Gehen" !S 51, 134 d.A sprach, womit sich das Erstgericht im Urteil nicht auseinandersetzte, sei in diesem Zusammenhang nur am Rand erwähnt.) Wäre aber das zuletzt beschriebene Verhalten des Angeklagten gegenüber der Zeugin H*** ebensowenig wie die bereits früher ausgeübte Gewalt und gefährliche Drohung vom Vorsatz, sich dadurch des Inhaltes des Tresors bemächtigen zu können, umfaßt gewesen, käme die Unterstellung dieser Tat unter den § 142 Abs. 1 StGB nicht in Frage. Es könnte dann der Tatbestand der §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 2 StGB, gegebenenfalls mit der weiteren Qualifikation des § 128 Abs. 1 Z 1 StGB erfüllt sein.

Die dargestellten Feststellungsmängel stehen jedenfalls einer verläßlichen rechtlichen Beurteilung des Urteilssachverhaltes entgegen und lassen demgemäß die angefochtene Entscheidung mit Nichtigkeit nach der Z 9 lit a bzw 10 des § 281 Abs. 1 StPO behaftet erscheinen, die, weil dem Angeklagten zum Nachteil gereichend, gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrgenommen werden mußte. Da sich sohin zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war gemäß dem § 285 e StPO bereits in nichtöffentlicher Sitzung wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Mit seinen durch die Urteilsaufhebung gegenstandslos gewordenen Rechtsmitteln war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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