OGH 11Os106/07h

OGH11Os106/07h23.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Oktober 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wiaderek als Schriftführer, in der Strafsache gegen Eva Maria S***** und Bianca Carmen S***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 30. Mai 2007, GZ 28 Hv 90/07i-81, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Mag. Wachberger, sowie der Angeklagten und ihrer Verteidiger Mag. Kosesnik-Wehrle und Dr. Fassl zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Eva Maria S***** wird verworfen. In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Bianca Carmen S***** und aus Anlass der vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil - das im Übrigen unberührt bleibt - in den Schuldsprüchen der Angeklagten Eva Maria S***** und Bianca Carmen S***** zu I 10 sowie der Angeklagten Eva Maria S***** zu II 14 und demgemäß auch in den beide Angeklagte betreffenden Strafaussprüchen - mit Ausnahme der Vorhaftanrechnung - aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Eva Maria S***** und Bianca Carmen S***** werden von der wider sie erhobenen Anklage, sie haben zwischen 16. und 18. August 2006 in Kitzbühel mit auf unrechtmäßige Bereicherung und auf Schädigung gerichtetem Vorsatz Verantwortliche der Wiener Städtischen Versicherungs AG durch Täuschung über ihre Zahlungsfähigkeit und -willigkeit

a) als Mittäterinnen zum Abschluss von Versicherungsverträgen betreffend eine Kfz-Versicherung, eine Eigenheimversicherung und eine Rechtsschutzversicherung sowie

b) Eva Maria S***** allein zum Abschluss einer Krankenversicherung veranlasst, wobei der Schaden unerhoben blieb,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für die aufrecht bleibenden Schuldsprüche wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB werden die beiden Angeklagten zu Freiheitsstrafen, und zwar Eva Maria S***** in der Höhe von viereinhalb Jahren und Bianca Carmen S***** in der Höhe von dreieinhalb Jahren verurteilt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Bianca Carmen S***** wird im Übrigen verworfen.

Mit ihren Berufungen werden die beiden Angeklagten auf die Strafneubemessung verwiesen.

Die weitere Vorhaftanrechnung wird dem Erstgericht vorbehalten. Gemäß § 390a Abs 1 StPO haben die Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Eva Maria S***** und Bianca Carmen S***** des teils im Versuchsstadium verbliebenen Verbrechen des (richtig:) gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall und § 15 StGB schuldig erkannt. Danach haben Eva Maria S***** vom 22. Dezember 2005 und Bianca S***** vom 10. Juli 2006 jeweils bis zum 24. August 2006 in zahlreichen Angriffen teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäterinnen, teils alleine mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung von schwerem Betrug eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Verfügungsberechtigte im Einzelnen bezeichneter Unternehmen sowie Privatpersonen durch Täuschung über ihre Zahlungsfähigkeit und -willigkeit zur Ausfolgung einer Vielzahl von Waren, zur Bereitstellung bzw zum Verkauf von Wohnstätten und Fahrzeugen und zur Erbringung sonstiger Leistungen veranlasst oder zu veranlassen versucht, welche die Unternehmen und Privatpersonen im Gesamtbetrag von über 50.000 EUR schädigten oder schädigen sollten, und zwar, soweit angefochten und unter dem Aspekt amtswegiger Wahrnehmung von Bedeutung,

„I. Eva Maria S***** und Bianca Carmen S***** ...

4. am 3. August 2006 in Kitzbühel Manfred und Ursula H***** zur notariellen Unterfertigung eines Kaufvertrages betreffend die Liegenschaft EZ 372, GB 82111 Reith bei Kitzbühel, im Wert von 1,550.000 EUR, wobei die Tat beim Versuch blieb;

10. in der Zeit zwischen 16. und 18. August 2006 in Kitzbühel Verantwortliche der Wiener Städtischen Versicherungs AG zum Abschluss von Versicherungsverträgen betreffend eine Kfz-Versicherung, eine Eigenheimversicherung und eine Rechtsschutzversicherung, wobei der Schaden unerhoben blieb;

II. Eva Maria S***** allein

14. zwischen dem 16. und 18. August 2006 in Kitzbühel Verantwortliche der Wiener Städtischen Versicherungs AG zum Abschluss einer Krankenversicherung, wobei der Schaden unerhoben blieb."

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpfen beide Angeklagte mit jeweils auf Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde, wobei nur jener der Angeklagten Bianca Carmen S***** teilweise Berechtigung zukommt.

Zum Schuldspruchpunkt I 4 behaupten beide Beschwerdeführerinnnen im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) die absolute Untauglichkeit des Versuches, weil die Betrauung eines Rechtsanwaltes mit der treuhändigen Abwicklung des Liegenschaftsverkaufes eine Intabulation des Eigentumsrechtes vor Bezahlung des Kaufpreises verhindert hätte, zumal dafür die Ausstellung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung durch das Finanzamt nach der - den Angeklagten auf Grund ihrer finanziellen Lage nicht möglichen - Zahlung der Grunderwerbssteuer, die entsprechende Erklärung der Grundverkehrskommission und die - die Hinterlegung des Kaufpreises voraussetzende - Lastenfreistellung erforderlich gewesen wären.

Sie sind damit jedoch nicht im Recht. Absolut untauglich im Sinn des § 15 Abs 3 StGB ist ein Versuch nur dann, wenn die Verwirklichung des durch die Tathandlung angestrebten schädigenden Erfolges auf die vorgesehene Art bei generalisierender Betrachtung, somit losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalles, aus der ex-ante-Sicht eines über den Tatplan informierten verständigen Beobachters geradezu ausgeschlossen erscheint und demzufolge unter keinen wie immer gearteten Umständen erwartet werden kann (Hager/Massauer in WK2 § 15 Rz 78, 82). Ein bloß relativ untauglicher, strafbarer Versuch ist dagegen anzunehmen, wenn die Tatvollendung nur infolge der zufälligen Modalitäten des konkreten Einzelfalles gescheitert ist. Dies bedeutet, dass in einem solchen Fall die Handlung zwar die für die Herbeiführung des verpönten Erfolges erforderliche Eignung in abstracto besaß, die Herbeiführung in concreto aber nicht gelungen ist (Leukauf/Steininger Komm3 § 15 RN 35; RIS-Justiz RS0090148 und RS00115363, zuletzt 15 Os 28/07t). Scheitert die Tatausführung etwa an der besonderen Vorsicht des Opfers, liegt kein absolut untauglicher Versuch vor (12 Os 30/97, 15 Os 72/00). Fallbezogen folgt daraus, dass unbeschadet der Vertragspflichten des Treuhänders und der Amtspflichten der befassten Beamten - vor allem wegen der Möglichkeit des Übersehens von Eintragungshindernissen - eine dem Tatbestand entsprechende Sachverhaltsverwirklichung nicht von vornherein denkunmöglich war. Die geringe Erfolgsaussicht vermag daran nichts zu ändern, dass der Betrugsversuch nicht absolut, sondern nur relativ untauglich und damit strafbar war. Der Beschwerde der Angeklagten Eva Maria S***** zuwider waren demnach Feststellungen zu Hinweisen auf vertragsbrüchiges Verhalten des Rechtsanwaltes Dr. W***** bzw auf amtsmissbräuchliches Vorgehen der Finanz- und Grundbuchsbeamten zur Bejahung der Tauglichkeit des Versuchs nicht erforderlich.

Hingegen wendet sich die Beschwerdeführerin Bianca Carmen S***** im Ergebnis zutreffend aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gegen den Schuldspruch I 10. Denn Betrug als Selbstschädigungsdelikt verlangt, dass der Getäuschte jene Vermögensverfügung trifft (oder treffen soll), durch die er (oder ein Dritter) an seinem Vermögen einen effektiven (und nicht nur fiktiven) Schaden erleiden soll. In der Übernahme eines Versicherungsrisikos allein liegt aber - ebenso wie bei einer Bürgschaftsübernahme - noch keine das Vermögen des Versicherers unmittelbar schädigende Verfügung, weil der Schaden erst dann tatsächlich eintritt, wenn die Versicherung auf Grund des „betrügerisch veranlassten" Vertrages Leistungen erbringen muss (RIS-Justiz RS0094309; Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 146 Rz 106). Der gegenständliche Abschluss von Kfz-, Eigenheim- und Rechtsschutzversicherungen ist sohin nicht tatbestandsmäßig nach §§ 146 ff StGB.

Der Schuldspruch I 10 war daher, weil sich die aufgezeigte Nichtigkeit auch zum Nachteil der Angeklagten Eva Maria S***** auswirkt, welche diesen Nichtigkeitsgrund nicht releviert hat, gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO in Ansehung beider Angeklagter aufzuheben.

Aus denselben Erwägungen war auch der auf den Abschluss einer Krankenversicherung bezogene Schuldspruch II 14 der Eva Maria S***** zu kassieren und es waren die beiden Angeklagten im Umfang der Aufhebung freizusprechen.

Bei der demnach erforderlichen Neubemessung der Strafe für die aufrecht gebliebenen Schuldsprüche, welche gemäß § 147 dritter Strafsatz StGB innerhalb eines Strafrahmens von einem bis zu zehn Jahren auszumessen war, wurde als erschwerend bei beiden Angeklagten die einschlägige Vorstrafenbelastung gewertet, welche bei der Angeklagten Eva Maria S***** sogar die Rückfallsvoraussetzungen nach § 39 StGB erfüllen, ferner die zweifache Qualifikation als schwerer und als Urkundenbetrug, bei Bianca Carmen S***** zudem der rasche Rückfall nach Verbüßung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe, als mildernd hingegen bei beiden Angeklagten deren verminderte Zurechnungsfähigkeit, das Geständnis und der Umstand, dass die die Qualifikation nach § 147 Abs 3 StGB verwirklichenden Straftaten großteils beim Versuch blieben sowie die, wenngleich geringe, teilweise Schadensgutmachung. Bei Abwägung dieser Strafbemessungstatsachen und im Hinblick darauf, dass die Erstangeklagte eine wesentlich höhere Zahl (vollendeter) Betrugstaten als Alleintäterin zu verantworten hat, war über Eva Maria S***** eine Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren, über Bianca Carmen S***** eine solche von dreieinhalb Jahren zu verhängen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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