OGH 11Os105/24m

OGH11Os105/24m21.1.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Jänner 2025 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Müller BSc als Schriftführerin in der Strafsache gegen * B* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 30. April 2024, GZ 19 Hv 35/23k‑16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0110OS00105.24M.0121.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Einziehungserkenntnis unberührt bleibt, im Übrigen aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und es wird die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht Feldkirch verwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * B* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, teils iVm § 12 dritter Fall StGB (1/ und 2/) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften „nach § 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter, fünfter und sechster Fall, Abs 2 SMG“ (3/; vgl aber RIS‑Justiz RS0114037 [T1, T2, T5, T10]: nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG sowie nach § 27 Abs 1 Z 1 fünfter und sechster Fall, Abs 2 SMG) schuldig erkannt.

 

[2] Danach hat er

1/ im Zeitraum von September 2022 „bis Jänner 2023“ (US 4: bis zumindest Ende des Jahres 2022) kausal zum Suchtgifthandel des abgesondert verfolgten * K*, welcher vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 500 Gramm Kokain (mit einem Reinheitsgehalt von 66,35 %) durch Verkäufe und Übergaben an großteils namentlich bekannte Dritte überließ, beigetragen, indem er * K* insgesamt zumindest 50 Mal mit seinem PKW nach F* fuhr, wo dieser das Kokain für den Weiterverkauf an Dritte bezog, und ihn sohin bei der Beschaffung und beim Transport von zumindest 500 Gramm Kokain sowie weiters bei der Portionierung und Verpackung dieses Suchtgifts unterstützte;

2/ (US 4 f: im Zeitraum von September 2022 bis zumindest Ende des Jahres 2022) selbst als unmittelbarer Täter vorschriftswidrig zumindest 250 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 66,35 % im Auftrag des * K* an Dritte überlassen;

3/ im Zeitraum von Juni 2022 bis Juni 2023 vorschriftswidrig Suchtgift erworben, besessen, eingeführt und ausgeführt, wobei er die Straftaten ausschließlich zum persönlichen Gebrauch beging, und zwar geringe Mengen Kokain aus der Schweiz nach Vorarlberg aus‑ und eingeführt, sowie nicht mehr näher feststellbare Mengen Kokain zum Teil aus Inlandsbezügen erworben (und bis zum Eigenkonsum besessen).

Rechtliche Beurteilung

 

[3] Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5 und 10a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Mit sich selbst im Widerspruch im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 dritter Fall StPO ist der Ausspruch des Gerichts über entscheidende Tatsachen, wenn zwischen Feststellungen und deren zusammenfassender Wiedergabe im Urteilsspruch oder zwischen zwei oder mehreren Feststellungen oder zwischen Feststellungen und den dazu in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen oder zwischen in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen ein Widerspruch – im Sinn einer logischen Unvereinbarkeit – besteht (RIS‑Justiz RS0119089).

[5] Hinreichend deutlich kritisiert die Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) zu Recht, dass die Urteilsaussagen zu entscheidenden Tatsachen widersprüchlich sind. Denn einerseits stellte das Erstgericht zu 1/ fest, * K* habe das mit Unterstützung des Beschwerdeführers in F* erworbene und von diesem portioniert abgepackte Kokain im – (US 4, 8) nach Abzug der noch vor dem Portionieren für den Eigenkonsum von K* und B* herausgenommen Menge verbleibenden – Ausmaß von 500 Gramm (zur Gänze selbst) an unterschiedliche Abnehmer („Dritte“) verkauft und übergeben (vgl US 4: „den verbleibenden Teil“; US 9: „unmittelbare Tatausführung durch K*). Anderseits konstatierte es zu 2/, dass K* – um nicht hinsichtlich sämtlicher Suchtgiftabnehmer als Verkäufer des angekauften Kokains aufzutreten und aus Bequemlichkeit – den Beschwerdeführer beauftragte, „das Kokain“ an diverse Abnehmer zu überlassen, woraufhin der Angeklagte insgesamt 250 Gramm des (mit seiner Unterstützung in F*) angekauften Kokains im Auftrag des Genannten an Dritte übergab (US 5, 8).

[6] Diese Urteilspassagen – aus denen sich einerseits eine Übergabe der (mit Hilfe des Beschwerdeführers in F* erstandenen und von diesem portioniert abgepackten) 500 Gramm Kokain durch * K* alleine „an Dritte“, anderseits die Veräußerung derselben 500 Gramm Kokain zur Hälfte durch den Angeklagten ergibt – lassen sich nach Maßgabe von Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungssätzen nicht in Einklang bringen (RIS‑Justiz RS0117402).

[7] Die Frage, ob das dem Beschwerdeführer zu 2/ in unmittelbarer Täterschaft angelastete Überlassen an Dritte dasselbe Suchtgift betrifft, hinsichtlich dessen ihm zu 1/ ein Tatbeitrag zum (durch Überlassen an Dritte begangenen) Suchtgifthandel des * K* zur Last gelegt wird, ist fallkonkret auch entscheidend. Bejahendenfalls hätte er nämlich insgesamt (zu 1/ und 2/) nicht 750 Gramm, sondern bloß 500 Gramm Kokain (mit einem Wirkstoffgehalt an Cocain‑Base von 66,35 %) anderen (teils als unmittelbarer Täter, teils als Beitragstäter) überlassen, welche Suchtgiftquantität – im Gegensatz zur vorgenannten – das Fünfundzwanzigfache der für diesen Wirkstoff festgelegten Grenzmenge nicht übersteigt (sodass die Qualifikation nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG nicht erfüllt wäre).

[8] Der aufgezeigte Begründungsmangel erfordert die Aufhebung des gesamten Schuldspruchs zu 1/ und 2/. Denn im Hinblick auf den Umstand, dass nach dem Urteilssachverhalt bei den jeweiligen Übergaben für sich genommen bloß „kleine Mengen“ tatverfangen waren, sowie aufgrund des untrennbaren beweismäßigen Zusammenhangs (insbesondere zur subjektiven Tatseite) ist es untunlich, den Schuldspruch zu 1/ und 2/ auch nur in Ansehung des Grundtatbestands nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG bestehen zu lassen (§ 289 StPO). Für den Fall einer Erledigung des wegen des Überlassens von Suchtgift erhobenen Anklagevorwurfs auf andere Weise als durch Schuldspruch ist mit Blick auf die Bestimmungen der §§ 35 und 37 SMG (RIS‑Justiz RS0119278; Ratz, WK‑StPO § 289 Rz 4) zudem die Aufhebung des Schuldspruchs zu 3/ wegen Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 und Abs 2 SMG angebracht (§ 289 StPO).

[9] Ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen erübrigt sich daher.

[10] Das angefochtene Urteil, das im Einziehungserkenntnis unberührt zu bleiben hatte (RIS‑Justiz RS0088115), war daher in Übereinstimmung mit der Generalprokuratur im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben (§ 285e StPO), eine neue Hauptverhandlung anzuordnen und es war die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht zu verweisen.

[11] Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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