OGH 11Os104/78

OGH11Os104/7819.9.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. September 1978

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Goldmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef A wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach den § 15, 75 StGB als Beteiligter nach dem § 12 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 17. April 1978, GZ. 20 qu Vr 8573/77-31, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Franz Clemens Obendorfer, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 3 Jahre herabgesetzt. Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 12. März 1930 geborene Versicherungsangestellte Josef A auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen des Verbrechens des versuchten Mordes nach den § 15, 75 StGB als Beteiligter nach dem § 12 StGB (2. Fall) und des Vergehens nach dem § 36 Abs. 1 lit. a WaffenG (Punkt 1 und 2 des Urteilsspruches) schuldig erkannt. Inhaltlich des - durch die Nichtigkeitsbeschwerde allein angefochtenen - Schuldspruches wegen Verbrechens des versuchten Mordes als Beteiligter (Punkt 1. des Urteilssatzes) hat Josef A in der Zeit vom 6. Oktober 1977 bis zum 12. Oktober 1977 in Wien Heinz B dadurch zu bestimmen versucht (§ 15 StGB), die Rosa C vorsätzlich zu töten, daß er ihn zu wiederholten Malen aufforderte, die Rosa C am 13. Oktober 1977 niederzuschlagen, und ihm für den Fall ihres Todes die Bezahlung von 60.000,-- S in Aussicht stellte. Die Geschwornen hatten die auf dieses Verbrechen gerichtete Hauptfrage 1 im Verhältnis von 6 zu 2 Stimmen bejaht, die Zusatzfrage 5

nach dem Bestehen einer Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) zur Tatzeit einstimmig verneint und die Eventualfragen 2 bis 4, mit denen ihnen die Möglichkeit geboten wurde, das Verhalten des Angeklagten als Verbrechen des versuchten Totschlages nach den § 15, 76 StGB, der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach den § 15, 87 Abs. 1 StGB oder als Vergehen der versuchten schweren Körperverletzung nach den § 15, 83, 84

Abs. 1 StGB - jeweils begangen als Beteiligter im Sinne des § 12 StGB, 2. Fall - zu beurteilen, folgerichtig unbeantwortet gelassen. Der Vollständigkeit halber sei noch beigefügt, daß sie die Hauptfrage 6 nach dem Vergehen nach dem § 36 Abs. 1 lit. a WaffenG, begangen durch mehrjährigen unbefugten Besitz einer Faustfeuerwaffe (Long Rifle) samt Munition, einstimmig bejahten. Sohin erging der bereits näher umschriebene Schuldspruch, den der Angeklagte nur in seinem Punkt 1 mit einer auf die Nichtigkeitsgründe nach dem § 345 Abs. 1 Z 5, 6, 8 und 12

StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft.

Zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund behauptet der Beschwerdeführer, durch die Abweisung seines Beweisantrages auf Einvernahme der Zeugen Dr. Hans D, Gerlinde A, Friedrich E, Franz F, Friedrich G und Oswald H (S. 380 und ONr. 29) in seinen Verteidigungsrechten verletzt worden zu sein.

Diese Zeugen seien von der Verteidigung zur Feststellung des Tatmotivs, aber auch zur Aufhellung der Vorgeschichte der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten beantragt worden. Das Erstgericht habe ihre Einvernahme mit der Begründung abgelehnt, daß hiedurch zur Sachverhaltsfeststellung nichts beigetragen werden könne, dabei aber übersehen, daß Feststellungen über das Tatmotiv und den ihm zugrundeliegenden Vorsatz des Täters für die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes ausschlaggebend seien. Die Abweisung der Anträge bedeute eine unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung, denn es sollte jeder Beweis aufgenommen werden, dem nicht von vornherein die Beweiskraft abgesprochen werden und der der Aufklärung des Sachverhaltes und der Feststellung des Tatmotivs, also des Vorsatzes des Angeklagten, dienen könnte.

Rechtliche Beurteilung

Das Vorbringen schlägt jedoch nicht durch.

Zutreffend hat der Schwurgerichtshof die Abweisung des Beweisantrages damit begründet, daß bei seiner Durchführung nichts für die Sachverhaltsfeststellung zu erwarten wäre (S. 380). Auch nach dem Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde sollten die Beweise nur der (weiteren) Klärung des Tatmotivs dienen; nun sind aber das Tatmotiv und die Frage, welche Schuldform dem Täter zur Last fällt, zwei voneinander streng zu trennende Komplexe. Nur die Schuldform ist für die Sachentscheidung von Bedeutung. Das Motiv des Täters ist hingegen die Summe der zur Tat führenden inneren Beweggründe, die seinen Tatentschluß heranreifen ließen; sie sind vorliegend durch die Verantwortung des Beschwerdeführers ohnehin zureichend geklärt und haben Bedeutung nur für die Frage der Strafzumessung. Sämtliche vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen waren keine unmittelbaren Tatzeugen. Sie hätten daher - wie dies auch in der Nichtigkeitsbeschwerde zum Ausdruck gebracht wird - nur über den Charakter des Beschwerdeführers und seine die Tat auslösenden inneren Beweggründe Aufschluß geben können. Nichts hätten sie hingegen mangels entsprechender, auch vom Beschwerdeführer nicht behaupteter Wahrnehmungen oder Fachkenntnisse über die Schuldform aussagen können, mit der die Tat begangen wurde, und ob sich der Angeklagte in einer allgemein begreiflichen, heftigen Gemütsbewegung zur Tat hinreißen ließ, welche Alternative die Geschwornen, wie sich aus der Fragebeantwortung ergibt, verneinten.

Da somit der Beweisantrag, wie das Erstgericht erkannte, für die Sachentscheidung bedeutungslos war, ist er mit Recht der Ablehnung verfallen.

Unter Berufung auf den Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 6 StPO rügt der Beschwerdeführer die Fragestellung und meint, seiner Verantwortung, er habe der Rosa C nur einen 'Denkzettel' verpassen lassen wollen, hätte durch eine (weitere) Eventualfrage in Richtung des Vergehens der versuchten gefährlichen Drohung nach den § 15, 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB (begangen als Beteiligter nach dem § 12, 2. Fall StGB) Rechnung getragen werden müssen.

Auch diese Rüge ist nicht begründet, denn Eventualfragen sind unter anderem dann zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht werden, nach denen - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist als das in der Anklageschrift angeführte (§ 314 Abs. 1 StPO). Voraussetzung für die Stellung solcher Fragen ist also ein Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung; gerade daran aber gebricht es vorliegend. Denn der Beschwerdeführer hat sich - insoweit übrigens gleichartig wie im Vorverfahren - dahin verantwortet, daß es ihm darauf angekommen sei, der Zeugin C einen 'Denkzettel' zu verschaffen und sie krankenhausreif prügeln zu lassen (S. 322, 323, 325, 327, 328, 329, 336, 338, 339; 93) und - in diesem Umfang teilweise abweichend von seiner im Vorverfahren vorgebrachten Verantwortung (S. 27, 29) - lediglich bestritten, auch die Tötung der Zeugin ernstlich erwogen und billigend in Kauf genommen zu haben. Eine derartige Vorstellung vom Ablauf der Tat - daß nämlich die Zeugin C (schwer) verletzt würde, deckt sich übrigens auch mit der landläufigen Bedeutung des vom Beschwerdeführer gewählten Wortes 'Denkzettel'. Demgegenüber besteht das Vergehen der gefährlichen Drohung nach dem § 107 StGB darin, daß dem Opfer die Verwirklichung eines in der Zukunft liegenden übels in Aussicht gestellt wird, um es in Furcht und Unruhe zu versetzen. Daß er bloß Derartiges in den Kreis seiner Erwägungen aufgenommen hat, wurde vom Beschwerdeführer weder im Vorverfahren noch in der Hauptverhandlung behauptet, noch haben sich hiefür sonst Anhaltspunkte im Beweisverfahren ergeben. Eine auf das Vergehen der versuchten gefährlichen Drohung in der Erscheinungsform der Beteiligung nach den § 12, 15, 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB war daher mangels entsprechenden Vorbringens in der Hauptverhandlung nicht indiziert und wurde, wie der Vollständigkeit halber beizufügen ist, von der Verteidigung, die in einem anderen Punkt erfolgreich die Ergänzung der Fragestellung begehrte (S. 384 f.), auch gar nicht moniert.

Es haftet daher der Fragestellung kein Mangel an, der Nichtigkeitsgrund nach dem § 345 Abs. 1 Z 6 StPO liegt nicht vor. Mit dem zum Nichtigkeitsgrund nach dem § 345 Abs. 1 Z 8 StPO erstatteten Vorbringen versucht der Beschwerdeführer die Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung darzutun, weil sie seiner Meinung nach - und damit knüpft er an seine Ausführungen zur Z 6 des § 345 Abs. 1 StPO an - zum Ausdruck hätte bringen müssen, daß die auf eine Tötung der Rosa C Bezug habenden öußerungen des Beschwerdeführers auch als Beteiligung am Vergehen der versuchten gefährlichen Drohung nach den § 12 (2. Fall), 15 und 107 StGB hätten beurteilt werden können.

Auch hierin kann dem Beschwerdeführer nicht gefolgt werden. Es bestand schon deshalb kein Anlaß, Ausführungen über das Wesen und den Begriff des Vergehens der gefährlichen Drohung in die Rechtsbelehrung aufzunehmen, weil eine diesbezügliche Frage - nach den vorstehenden Ausführungen begründetermaßen - an die Geschwornen nicht gerichtet wurde. Ausführungen über einen Tatbestand, der im Fragenschema nicht aufscheint, sind aber in die Rechtsbelehrung nicht aufzunehmen; sie wären nur dazu angetan, die Geschwornen zu verwirren. Es ist daher kein Mangel der Rechtsbelehrung, wenn sie keine Ausführungen zu dem vorliegend keine Rolle spielenden Vergehenstatbestand der gefährlichen Drohung enthält; der behauptete Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO liegt somit nicht vor.

Wenn der Beschwerdeführer schließlich unter Berufung auf den Nichtigkeitsgrund nach dem § 345 Abs. 1 Z 12 StPO, unrichtige rechtliche Beurteilung relevierend, meint, der Wahrspruch der Geschwornen hätte unter Berücksichtigung der Ergebnisse des gesamten Beweisverfahrens richtig nur die Grundlage für einen Schuldspruch wegen Vergehens der versuchten schweren Körperverletzung nach den § 15, 83, 84 Abs. 1 StGB in Konkurrenz mit dem Vergehen der versuchten gefährlichen Drohung nach den § 15, 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB, jeweils begangen als Beteiligter nach dem § 12 (2. Fall) StGB, bilden können, so kann ihm auch hierin nicht gefolgt werden.

Eine Rechtsrüge nach dem § 345 Abs. 1 Z 12 StPO ist aus dem Wahrspruch der Geschwornen selbst herzuleiten; hiebei ist zur Objektivierung der Bedeutung des Wahrspruches eine Berücksichtigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens und des Inhaltes der Anklageschrift zulässig (EvBl. 1975/251). Nun haben die Geschwornen vorliegend durch ihre Fragebeantwortung feststellend zum Ausdruck gebracht, daß der Beschwerdeführer als Bestimmungstäter die Rosa C niederschlagen lassen wollte, wobei er ihren Tod (zumindest) ernstlich erwog und sich mit diesem Erfolg abfand. Der Schwurgerichtshof hat diesen Wahrspruch dem Urteil zugrunde gelegt und den Beschwerdeführer rechtsrichtig des Verbrechens nach den § 12 (2. Fall), 15 und 75 StGB schuldig erkannt.

Dem Erstgericht ist somit auch kein Subsumtionsirrtum unterlaufen, weswegen die Nichtigkeitskeitsbeschwerde zu verwerfen war. Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 75 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB und unter Anwendung des § 41 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Delikten und die Beharrlichkeit, mit der der Angeklagte vorging, als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten, dessen teilweises Geständnis, eine zweifellos nicht unbeträchtliche seelische Zwangslage, in der er sich befand, sowie den Umstand, daß die unter Punkt 1 des Schuldspruches bezeichnete Tat beim Versuch blieb.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der über

ihn verhängten Freiheitsstrafe an.

Der Berufung kommt Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe zwar im wesentlichen richtig angeführt, aber ihrer Bedeutung nach nicht entsprechend gewürdigt. Aus den konkreten Tatumständen ergibt sich nämlich, daß es sich hier um einen besonders gelagerten Fall schon deshalb handelt, weil der Angeklagte in einer seelischen Zwangslage, in die er - schuldlos - durch die öußerungen und Handlungen seiner (von ihm nicht erkannt - S. 382) unter Wahnvorstellungen leidenden (geisteskranken) Ehegattin geriet, den Tatentschluß faßte, nachdem eine Reihe von Versuchen, auf legale Weise eine önderung der - von ihm als unerträglich empfundenen - Situation herbeizuführen, erfolglos geblieben war. Dieser im krassen Gegensatz zu seinem - ein Leben lang an den Tag gelegten - ordentlichen Wandel stehende Fehltritt in die Kriminalität vermindert seine die Grundlage für die Strafzumessung bildende Schuld in außerordentlicher Weise, zumal dem Angeklagten auch nur bedingter Vorsatz zur Last fällt. Dazu kommt, daß die Tat letztlich ohne nachteilige Folgen blieb. Alle diese Erwägungen rechtfertigen eine noch weitergehende außerordentliche Strafmilderung und lassen die Verhängung einer dreijährigen Freiheitsstrafe als ausreichend erscheinen. Somit war wie im Spruche zu erkennen.

Die Entscheidung über den Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die angeführte Gesetzesstelle.

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