OGH 11Os100/81

OGH11Os100/819.9.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.September 1981

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schramm als Schriftführers in der Strafsache gegen Ariwoola A und einen anderen wegen des Verbrechens nach den §§ 15 StGB., 12 Abs 1 SuchtgiftG. und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten Erich B gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 10.März 1981, GZ. 6 a Vr 9.968/80-39, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, der Ausführungen der Verteidigerin Dr. Friedmann, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde unter anderen der am 19.November 1947 geborene Angestellte Erich B des Verbrechens (wider die Volksgesundheit) nach den §§ 15 StGB., 12 Abs 1 SuchtgiftG. schuldig erkannt, weil er am 16.Oktober 1980 zusammen mit dem Mitangeklagten Ariwoola A in Schwechat versuchte, vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte in solchen Mengen nach Österreich einzuführen und in Verkehr zu setzen, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, indem sich die beiden Angeklagten zum Flughafen begaben und die Ausfolgung einer dort aus Nigerien eingelangten, zwischen doppelten Wänden 19.200 Gramm Cannabiskraut (entsprechend ca. 7.680 Gramm Cannabiskraut mit einem THC-Gehalt von 2 %) enthaltenden Holzkiste begehrten, wobei sie beabsichtigten, diese Kiste nach ihrer Entgegennahme nach Wien zu transportieren und die darin befindliche oberwähnte Menge von Cannabiskraut dem Oladipo C zwecks Weiterverbreitung auszufolgen (Punkt II des Schuldspruches).

Ferner wurde er schuldig erkannt, dadurch das Vergehen nach dem § 16 Abs 1 Z. 2 SuchtgiftG. begangen zu haben, daß er im Mai 1980 in Wien und anderen Orten wiederholt unberechtigt Suchtgift, nämlich Heroin, erwarb und besaß (Punkt III des Schuldspruches). Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte Erich B mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 9 lit b (der Sache nach auch lit a) des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Die Ausführungen zur Mängelrüge erschöpfen sich im unzulässigen und daher unbeachtlichen Versuch einer Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffengerichtes, welches seine entscheidungswesentlichen Feststellungen ausführlich begründete und die von ihm gezogenen Schlußfolgerungen tatsächlicher Art in den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechender Weise aus einer Fülle von Einzelumständen schlüssig ableitete, die durchwegs durch die Ergebnisse des Beweisverfahrens gedeckt sind. Die vom Beschwerdeführer mehrfach aufgestellte Behauptung, daß aus konstatierten Umständen (isoliert betrachtet) auch andere Schlüsse gezogen werden könnten und jene des Urteiles nicht zwingend seien, reichen für eine wirksame Geltendmachung des angezogenen Nichtigkeitsgrundes nicht aus; genug daran, daß die vom Erstgericht aus den von ihm festgestellten Prämissen auf Grund einer Gesamtbetrachtung (§ 258 Abs 2 StPO.) gezogenen Schlußfolgerungen denkrichtig sind und allgemeiner Lebenserfahrung entsprechen (vgl. auch Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2, Nr. 70, 70 b, 70 c zu § 281 Abs 1 Z. 5 StPO.).

Entgegen dem Beschwerdevorbringen unterlief dem Erstgericht auch keine Aktenwidrigkeit, denn der Mitangeklagte A bekundete tatsächlich in der Hauptverhandlung vom 3.Februar 1981 (Verlesung in der Hauptverhandlung vom 10.März 1981 siehe S. 400 oben), daß der Beschwerdeführer den Inhalt der Kiste kannte und über ihre Ankunft sehr froh war (S. 177).

Den weiteren Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer seit Jahren in einschlägigen (Suchtgift-)Lokalen verkehrt und die Wege der Suchtgiftbeschaffung sowie die Länder, aus denen das Suchtgift nach Österreich eingeführt wird, kennt, kann schon deshalb Aktenwidrigkeit nicht anhaften, weil es sich dabei nicht um die Wiedergabe des Inhaltes von Beweisergebnissen handelt, sondern das Erstgericht insoweit logisch unbedenkliche Schlußfolgerungen aus einer Angabe des Beschwerdeführers (daß er nämlich vor acht Jahren in einem derartigen Lokal verkehrt habe, vgl. S. 170) im Zusammenhalt mit anderen durch das Beweisverfahren festgestellten Umständen ableitete.

Zur Behauptung, der mitangeklagte Nigerianer Ariwoola A, auf dessen den Beschwerdeführer belastende Angaben (vgl. S. 177) das Erstgericht seine rechtlich relevanten Feststellungen ebenfalls stützte, habe trotz der Beiziehung eines Dolmetscher für die englische Sprache unter Verständigungs- oder Ausdrucksschwierigkeiten gelitten, sei der Beschwerdeführer darauf verwiesen, daß die Hauptverhandlung vom 3.Februar 1981 eben zur Beiziehung eines Dolmetscher für 'Johuba' (richtig: Yoruba) - einer der in Nigerien gebräuchlichen Stammessprachen, die die Muttersprache des Angeklagten A ist (S. 180) - vertagt wurde und der Angeklagte A in der Hauptverhandlung vom 10.März 1981, zu der ein solcher Dolmetsch beigezogen wurde und in der seine Angaben vom 3. Februar 1981

verlesen wurden, letztere (Angaben) aufrechterhielt (vgl. S. 399, 400).

Die Mängelrüge des Beschwerdeführers versagt daher. Formell noch im Rahmen seiner Ausführungen zur Mängelrüge, damit der Sache nach aber den Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO. relevierend, nimmt der Beschwerdeführer hinsichtlich des Urteilsfaktums III den bedingt temporären sachlichen Strafausschließungsgrund des § 19 (in Verbindung mit § 17 Abs 1 bis 3) SuchtgiftG.

für sich in Anspruch, weil seiner Ansicht nach der Schuldspruch wegen des Verbrechens nach den §§ 15 StGB., 12

Abs 1 SuchtgiftG. wegzufallen habe. Da dies aber nicht zutrifft, kommt auch ein Vorgehen nach dem § 19 SuchtgiftG.

mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 17 Abs 1 SuchtgiftG. (Anzeige ausschließlich wegen unberechtigten Erwerbes oder Besitzes eines Suchtgiftes) nicht in Betracht. Unter ziffernmäßiger Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z. 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO. - damit aber inhaltlich jenen der Z. 9 lit a der genannten Gesetzesstelle zur Darstellung bringend - beruft sich der Beschwerdeführer schließlich auf das Vorliegen eines 'untauglichen' (gemeint ersichtlich: absolut untauglichen) Versuches, weil die das Suchtgift enthaltende Kiste zum Zeitpunkt des Abholversuches bereits behördlich sichergestellt und ihre Ausfolgung untersagt worden war, weshalb die Abholung unmöglich gewesen sei.

Damit verkennt der Beschwerdeführer - wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt - jedoch den Rechtsbegriff des Straflosigkeit bewirkenden sogenannten absolut untauglichen Versuches (§ 15 Abs 3 StGB.), der nur dann vorliegt, wenn die Verwirklichung des Deliktstypus auf die vorgesehene Art auch bei einer generalisierenden Betrachtung geradezu undenkbar erscheint, somit unter keinen wie immer gearteten Umständen erwartet werden kann. Hingegen ist ein bloß relativ untauglicher - sohin den Erfordernissen des § 15 Abs 3 StGB. nicht entsprechender und daher strafbarer - Versuch dann gegeben, wenn er nur wegen der zufälligen Umstände des Einzelfalles scheiterte, das Mittel der Tat oder deren Objekt also für die Herbeiführung des den Tatplan entsprechenden verpänten Erfolges zwar in abstracto durchaus geeignet ist, die Herbeiführung aber in concreto nicht möglich war (vgl. die bei Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB.2, RN. 30, 35 und 38 zu § 15 zitierte Judikatur). Angewendet auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß es sich bei der dem Beschwerdeführer zu Punkt II des Schuldspruches angelasteten Tat um einen (bloß) relativ untauglichen Versuch handelte, weil es im allgemeinen mit Blickrichtung auf den Erhalt und die anschließende Weiterverbreitung von Suchtgift, das in einer unbedenkliche Waren enthaltenden, aber mit doppelten Wänden versehenen Holzkiste versteckt war, durchaus zielführend ist, sich zum Aufbewahrungsort dieses Behältnisses zu begeben und dort dessen Herausgabe - der nach Abwicklung der üblichen Zollformalitäten für die scheinbar allein in der Kiste befindliche unbedenkliche Ware nichts entgegengestanden wäre - zu begehren, dies aber im vorliegenden Falle bloß wegen der spezifischen Umstände des konkreten Falles - daß nämlich mittlerweile das verborgene Suchtgift von der Behörde entdeckt und das Behältnis mit dem Gift vor dem weiteren Zugriff der Täter gesichert worden war - nicht glückte.

Ohne Rechtsirrtum erkannte das Erstgericht folglich den Angeklagten Erich B (auch) des Verbrechens nach den §§ 15 StGB., 12 Abs 1 SuchtgiftG. schuldig.

Die im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung vorgetragene zusätzliche Argumentation, es mangle für die Annahme eines Inverkehrsetzens des Suchtgiftes vorliegend an einer Übertragung der Verfügungsgewalt über das Suchtgift von einem Verfügungsberechtigten an einen anderen, übersieht, daß das Delikt im vorliegenden Fall in der Erscheinungsform des Versuchs verblieb.

Auch die Rechtsrüge des Beschwerdeführers vermag sohin nicht durchzuschlagen.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Erich B war demnach zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten B nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG. unter Bedachtnahme auf § 28 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die große Menge des Suchtgiftes und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, als mildernd, daß der Angeklagte bisher einen ordentlichen Lebenswandel führte und die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stand, daß es zum Teil beim Versuch blieb, daß er an der strafbaren Handlung (zum Urteilsfaktum II) bloß in untergeordneter Weise teilnahm sowie sein reumütiges Geständnis (zum Urteilsfaktum III).

Es berücksichtigte aber auch, daß der Angeklagte B trotz seiner untergeordneten Beteiligung bei der versuchten Einfuhr des Suchtgiftes laut dem weiteren Tatplan nach dem Gelingen der Einfuhr eine wesentliche Rolle spielen sollte.

Der Angeklagte B strebt mit seiner Berufung eine wesentliche Herabsetzung des Strafausmaßes (nach dem Ziel der Berufungsanträge die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung) und die Gewährung bedingter Strafnachsicht an.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Alle von der Berufung für eine Strafmilderung ins Treffen geführten Umstände wurden vom Erstgericht ohnedies ausdrücklich als Milderungsgründe berücksichtigt.

Zusätzliche, vom Erstgericht übergangene Milderungsgründe vermag die Berufung nicht aufzuzeigen. Die im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens ausgemessene Freiheitsstrafe entspricht nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes durchaus dem Unrechtsgehalt der Tat und dem Verschulden des Täters. Für eine außerordentliche Strafmilderung bleibt schon angesichts der großen Suchtgiftmenge kein Raum.

Für die Gewährung einer bedingten Strafnachsicht fehlt es an der Voraussetzung des § 43 Abs 2 StGB., wonach aus besonderen Gründen Gewähr dafür geboten sein müßte, daß der Angeklagte keine weiteren strafbaren Handlungen mehr begehen werde. Davon kann nach dem im erstgerichtlichen Urteil festgestellten jahrelangen Umgang des Berufungswerbers in der Suchtgiftszene keine Rede sein, selbst wenn der Kontakt mit den Mittätern des im vorliegenden Verfahren abgeurteilten Verbrechens nicht mehr bestehen sollte. Abgesehen davon sprechen bei einem raffiniert angelegten Schmuggel einer großen Suchtgiftmenge auch generalpräventive Erwägungen gegen eine bedingte Strafnachsicht. Angesichts der in besonderem Maß im Ansteigen begriffenen Suchtgiftkriminalität und der besonders schädlichen Folgen dieser Kriminalität bedarf es des Einsatzes entsprechender Mittel der Strafenpraxis, um der Begehung ähnlicher strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken und somit den Suchtgifthandel zu bekämpfen, was den von der Republik Österreich übernommenen internationalen Verpflichtungen (so insbesondere Art. 36

der Einzigen Suchtgiftkonvention, BGBl. 1978/531) entspricht. Der Berufung war somit Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung ist in der im Spruch genannten Gesetzesstelle verankert.

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