OGH 11Os100/11g

OGH11Os100/11g25.8.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. August 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bilinska als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Friedrich K***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Geschworenengericht vom 19. Mai 2011, GZ 16 Hv 24/11z-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - Urteil wurde Friedrich K***** des Verbrechens des (versuchten) Mordes nach §§ 15, 75 StGB (I A), des Verbrechens der (versuchten) vorsätzlichen Gefährdung durch Sprengmittel nach §§ 15, 173 Abs 1 StGB (I B) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (II) schuldig erkannt.

Danach hat er

I) am 15. Dezember 2010 in H***** versucht,

A) Kurt E***** dadurch vorsätzlich zu töten, dass er eine selbst gebaute Sprengvorrichtung, bestehend aus einer Zündkapsel mit Sprengstoff umgeben von elf Einwegfeuerzeugen und versehen mit einer Zeitzündschnur, unmittelbar vor diesem zur Explosion bringen wollte, indem er die Zündschnur entzündete, wobei sie jedoch erlosch, bevor das Feuer die Zündkapsel erreichte;

B) durch die zu A) beschriebene Tat vorsätzlich einen Sprengstoff als Sprengmittel zur Explosion zu bringen und dadurch eine Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) des Kurt E***** herbeizuführen;

II) seit einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis 15. Dezember 2010 in W*****, wenn auch nur fahrlässig, einen Revolver Marke Olympic 6 cal. 22, zwei Luftdruckgewehre, fünf selbst gebaute, nicht funktionsfähige Gewehre, sechs Schrotpatronen und elf Wehrmachtskarabiner-Patronen sowie ca zweihundert Stück Kleinkaliberpatronen, mithin Waffen und Munition besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war.

Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 345 Abs 1 Z 10a und 11 lit a StPO.

Rechtliche Beurteilung

Der formelle Nichtigkeitsgrund der Z 10a des § 345 Abs 1 StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, maW intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht. Die Tatsachenermittlung im kollegialgerichtlichen Verfahren bleibt den Richtern erster Instanz vorbehalten, die unter dem Eindruck der unmittelbaren, mündlichen und kontradiktorischen Beweiserhebung entscheiden. Beweiswürdigende Detailerwägungen diesseits der Schwelle erheblicher Bedenklichkeit - wie in Erledigung einer Berufung wegen Schuld - sind dem Obersten Gerichtshof somit verwehrt und auch in einer Tatsachenrüge nicht statthaft (RIS-Justiz RS0118780, RS0119583).

Der Beschwerdeführer verweist auf seine - erstmals in der Hauptverhandlung gewählte - Einlassung, er habe die Zündschnur der Sprengvorrichtung in Wasser getaucht (ON 32 S 9), und will damit erhebliche Bedenken gegen die Feststellungen seines tatbestandsmäßigen Verhaltens zur Schuldspruchgruppe I erwecken.

Im Hinblick auf die Gesamtheit seiner Verantwortung, vor allem jener vor der Polizei (ON 2 S 25) und dem Haft- und Rechtsschutzrichter (ON 6) - „vermutlich wäre er [der Sozialarbeiter] tot gewesen“, „das wäre mir egal gewesen“, „sowas muss man in Kauf nehmen“ - gelingt ihm dies nicht.

Auch durch den Hinweis auf herausgelöste Details in der Aussage des sachverständigen Zeugen KI R***** („Zeitzünderschnur aus welchem Grund immer stehen geblieben“ - ON 32 S 15 f) werden beim Obersten Gerichtshof keine Bedenken im Sinne der Z 10a des § 345 Abs 1 StPO hervorgerufen. Der Zeuge (der die Sprengvorrichtung untersucht hatte) deponierte nämlich überdies, dass nach der Bauweise das Gerät zur tatsächlichen Explosion bestimmt war und auch einwandfrei zündete (ON 32 S 35), das bloße Nassmachen der Zündschnur zwecks Verhinderung der Umsetzung sei - weil enorm risikoreich - „unsinnig“ (ON 32 S 41).

Die Rechtsrüge (Z 11a) zielt auf einen absolut untauglichen Versuch (§ 15 Abs 3 StGB) ab, vermag den materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund mangels strikter Orientierung am Wahrspruch der Geschworenen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 613 und 636; Hager-Massauer in WK² §§ 15, 16 Rz 244, 253) allerdings nicht zur prozessordnungsgemäßen Darstellung zu bringen.

Der Vollständigkeit halber sei bemerkt (§§ 290 Abs 1 Satz 2 erster Fall, 344 StPO), dass fallaktuell von einer Denkunmöglichkeit der Tatbestandsverwirklichung bei der Schuldspruchgruppe I keine Rede sein kann (RIS-Justiz RS0115363).

Die Nichtigkeitsbeschwerde - die im Übrigen trotz Antrags auf Totalaufhebung des Urteils keinerlei Vorbringen zum Schuldspruch II erstattet - war somit bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der unter einem erhobenen Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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