Spruch:
Die Ablehnungserklärung ist nicht gerechtfertigt.
Text
Gründe:
Mit dem Urteil eines Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Korneuburg vom 18.Dezember 1984, GZ 10 Vr 949/82-570, im Schuldspruch bestätigt mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 2.Juli 1986, GZ 9 Os 76/85-27, wurde Dr.Friedrich Wilhelm K*** des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB und des Vergehens nach dem § 36 Abs 1 lit a WaffG schuldig erkannt. In einem Wiederaufnahmeantrag, der mit dem Beschluß des Kreisgerichtes Korneuburg vom 5.Mai 1987 abgewiesen wurde, machte der Verurteilte unter anderem geltend, daß der Richter Dr.R*** vom Richteramt in der Hauptverhandlung ausgeschlossen gewesen sei. Zugleich mit einer Beschwerde gegen den erwähnten Beschluß des Kreisgerichtes Korneuburg lehnte der Verurteilte den - inzwischen dem Gremium des Oberlandesgerichtes Wien angehörenden - Richter Dr.R*** als befangen ab. Der Ablehnung wurde vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien nicht Folge gegeben. In gleicher Weise erkannte ein Senat des Oberlandesgerichtes, dem auch Dr.R*** als stimmführendes Mitglied angehörte, über die Beschwerde. In einer beim Obersten Gerichtshof unter dem AZ 14 Os 189,190/87 anhängigen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wird von der Generalprokuratur die Auffassung vertreten, daß die beiden zuletzt genannten Entscheidungen das Gesetz verletzen. Nunmehr macht der Verurteilte Dr.K*** gegenüber den zur Entscheidung über diese Nichtigkeitsbeschwerde der Generalprokuratur berufenen, eingangs näher bezeichneten Mitgliedern des Obersten Gerichtshofes Befangenheit geltend, die er darin erblickt, daß die Abgelehnten jenem Senat des Obersten Gerichtshofes angehörten, der seinerzeit über die von ihm und der Staatsanwaltschaft in der Hauptsache erhobenen Rechtsmittel entschied, wobei diese Entscheidung auf eine nach Auffassung des Einschreiters Bestimmungen der MRK zuwiderlaufende Weise zustandegekommen sei. Auch auf diese Konventionsverletzungen sei der vorerwähnte Wiederaufnahmeantrag gestützt worden. Durch die Befassung mit der Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes werde nun ein die Unparteilichkeit der genannten Mitglieder des Obersten Gerichtshofes in ernste Zweifel ziehendes Naheverhältnis hergestellt, welches einem Judizieren in eigener Sache offenbar gleichwertig sei. Hätten sie doch damit über ein außerordentliches Rechtsmittel gegen einen Beschluß zu entscheiden, der einen unter anderem auf Grund ihnen vorgeworfener Rechtsverletzungen gestützten Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens abwies.
Rechtliche Beurteilung
Die Ablehnung ist nicht berechtigt.
Abgesehen vom hier nicht bedeutsamen Fall einer Ausgeschlossenheit (§§ 67 ff StPO) kann ein Mitglied des Gerichtes abgelehnt werden, wenn Gründe dargetan werden, die geeignet sind, seine volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen (§ 72 Abs 1 StPO). Das heißt, es müssen Umstände glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die Annahme ableiten läßt, der Richter werde sich bei seiner Entscheidung von anderen als bloß sachlichen Gesichtspunkten leiten lassen. Die bloß subjektive Annahme oder Besorgnis einer Partei, ein Richter könnte befangen sein, genügt allerdings nicht (vgl Foregger-Serini, StPO3 Anm I zu § 72).
Im vorliegenden Fall ist zunächst klarzustellen, daß der Oberste Gerichtshof anläßlich der Erledigung der vom Einschreiter seinerzeit erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde im Verfahren 9 Os 76/85 mit der Prüfung der Frage eines Ausschlusses bzw einer Befangenheit des Richters Dr. R*** nicht befaßt war, wurde diese Frage doch erstmals im erwähnten Wiederaufnahmeantrag vom 19.November 1986 aufgeworfen. Damit ist jedem Verdacht einer Voreingenommenheit der zur Entscheidung über die vorliegende Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes Berufenen unter diesem Gesichtspunkt der Boden entzogen. Nur darüber, ob die Mitwirkung des Richters Dr.R*** an einer Rechtsmittelentscheidung im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens zulässig war, wird nämlich von den nunmehr Abgelehnten auf Grund dieser Nichtigkeitsbeschwerde zu befinden sein. Eine Prüfung der Berechtigung des Wiederaufnahmebegehrens selbst ist damit nicht verbunden.
Die Besorgnis von der sich der Verurteilte zur Abgabe der Ablehnungserklärung bestimmen ließ, ist jedoch offenbar die, es könnten jene Mitglieder des Obersten Gerichtshofes schon deshalb für eine negative Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes eintreten, um eine nochmalige Prüfung der Berechtigung des Wiederaufnahmebegehrens unter dem Gesichtspunkt der vom Verurteilten behaupteten, im Rechtsmittelverfahren zum AZ 9 Os 76/85 des Obersten Gerichtshofes angeblich unterlaufenen Konventionsverletzungen von vornherein zu verhindern. Dieser Gedanke ist aber - auch unter Berücksichtigung der klaren Rechtslage zur Frage der Wiederaufnahmemöglichkeit eines Strafverfahrens - so weit herbeigeholt und damit so realitätsfern, daß er für sich allein (ohne Geltendmachung zusätzlicher, auf die Person des Abgelehnten bezogener Umstände, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung sein könnten) nicht geeignet ist, bei einem objektiven Beurteiler auch nur den Anschein einer Befangenheit dieser Richter zu erwecken, die im übrigen jeweils für sich selbst eine solche verneinten. Mithin war wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen, wobei auf die Eventualerklärung des Einschreiters betreffend die Person des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch nicht mehr eingegangen zu werden brauchte.
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