Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Monika A als gesetzliche Vertreterin des Angeklagten Martin Josef A wird zurückgewiesen. Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Martin Josef A wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem bekämpften Urteil wurde der am 25. November 1967 geborene Martin Josef A des Vergehens der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Nach dem Inhalt des erstgerichtlichen Urteilsspruches liegt ihm zur Last, am 3. Juni 1984 in Bregenz in der Absicht, den österreichischen Staat in seinem konkreten Recht auf Ausschluß solcher Kraftfahrzeuge von der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr, die nicht alle Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 KFG (gemeint wohl auch: § 36 lit. a KFG) erfüllen, einen Schaden zuzufügen, dadurch Beamte des Straßenaufsichtsdienstes durch Täuschung über Tatsachen zur Duldung seiner Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr zu verleiten versucht zu haben, in dem er (zu ergänzen: in) sein Mofa Marke Vespa 5 SA, Kennzeichen V 33.815, einen 100-cm 3 -Motor samt Kolben montierte und damit Fahrten auf Straßen mit öffentlichem Verkehr unternahm.
Nach Verkündung des Urteils meldeten sowohl der Angeklagte als auch dessen Mutter als gesetzliche Vertreterin Nichtigkeitsbeschwerde an. Nichtigkeitsgründe wurden dabei nicht bezeichnet.
Die Mutter des Angeklagten führte nach Urteilszustellung ihr Rechtsmittel nicht aus. Ihre Nichtigkeitsbeschwerde hätte daher bereits vom Vorsitzenden des Schöffensenates zurückgewiesen werden können (§§ 285 a Z 2 und 285 b Abs. 1 StPO). Da dies unterblieb, hat der Oberste Gerichtshof diese Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 1 StPO).
Rechtliche Beurteilung
Der auf die Ziffern 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt allerdings schon aus dem letzteren Nichtigkeitsgrund Berechtigung zu.
Zutreffend rügt nämlich der Angeklagte, daß das angefochtene Urteil überhaupt keine Feststellungen über die in § 108 Abs. 1 StGB vorausgesetzte Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB) des Angeklagten enthält. Das Jugendschöffengericht legt dem Angeklagten im Urteilstenor - insoferne anklagekonform - als Tathandlung die Montage eines Motors mit 100 cm 3 Hubraum in ein Motorfahrrad und das Fahren auf Straßen mit öffentlichem Verkehr mit diesem Fahrzeug am 3. Juni 1984 in Bregenz zur Last. In den Gründen sind - zur subjektiven Tatseite - nur Konstatierungen über das Unrechtsbewußtsein und die Wissensseite des Vorsatzes enthalten, jedoch überhaupt keine Feststellungen zur Willenskomponente. Das erstgerichtliche Urteil stellte in seiner rechtlichen Beurteilung - in der allerdings auch wieder Tatsachenfeststellungen untergebracht wurden - allein auf die Angaben des Angeklagten gegenüber den am 3. Juni 1984 einschreitenden Gendarmeriebeamten ab. An anderer Stelle des Urteils führte das Erstgericht - unangefochten - aus, nicht feststellen zu können, ob der Angeklagte zu anderen Zeitpunkten (als am 3. Juni 1984) Beamte der Straßenaufsicht täuschte (und ließ dabei die Möglichkeit eines Versuches aber wieder unerörtert), womit nach dem Inhalt des Urteilsspruches die Anklage nicht vollständig erledigt wurde, welche realkonkurrierende Tathandlungen im Zeitraum zwischen der letzten Maiwoche und dem 3. Juni 1984 in Wolfurt, Bregenz und anderen Orten in Vorarlberg inkriminiert hatte. Diese von der Staatsanwaltschaft nicht gerügte Vorgangsweise kommt daher, was im zweiten Rechtsgang zu beachten sein wird, einem - in Rechtskraft erwachsenen - (Teil-)Freispruch gleich (Mayerhofer-Rieder 2 , E Nr 19 zu § 281 Abs. 1 Z 8 StPO u. a.).
Aber auch zum Vorgang vom 3. Juni 1984 finden sich keine begründeten Feststellungen zur subjektiven Tatseite, insbesondere auch nicht darüber, ob es dem Angeklagten bei seinen Behauptungen an diesem Tag, die ihm das Erstgericht als Täuschungshandlungen anlastete (S 49), und die - nach der Aktenlage - offenbar nicht mehr als ein 'kurzes Leugnen' (vgl. S 11) darstellten, ausschließlich darum ging, sich dem staatlichen ius puniendi in Bezug auf ein bereits verübtes Verwaltungsdelikt, bei dem er nach den erstgerichtlichen Feststellungen betreten worden war ('Beanstandungsfall' - S 50), zu entziehen oder ob seine Absicht auch auf eine darüber hinausgehende Beeinträchtigung des konkreten staatlichen Rechtes auf Ausschluß vom Straßenverkehr ging (siehe ÖJZ-LSK 1985/43). Die Ausführung im Rahmen der rechtlichen Beurteilung, dem Angeklagten sei es darum gegangen, über den konkreten Beanstandungsfall hinaus das 'aufgebohrte' (richtig wohl: durch Austausch des Motors veränderte) Fahrzeug auch künftig als 'Motorfahrrad' (ersichtlich gemeint: Motorrad i.S. des § 2 Z 15 KFG; vgl. Dittrich-Veit, Österreichisches Straßenverkehrsrecht, vorletzte Anm. zu § 2 Z 14 KFG mit Judikaturzitaten) im öffentlichen Verkehr unbeanstandet benützen zu können (S 50), entbehrt wieder einer auf Verfahrensergebnisse gestützten Begründung. Auch aus dem im Urteil angeführten Geständnis des Angeklagten in der Hauptverhandlung läßt sich hiezu nichts gewinnen, da dieses - der vom Erstgericht vertretenen Ansicht zuwider - keineswegs 'umfassend' (S 49), sondern im Gegenteil völlig unsubstantiiert ist ('Ich gestehe, daß ich die in der Anklage erwähnte Tat begangen habe'; S 41), was sich auch schon daraus ergibt, daß es sich auch auf Taten erstreckt, bezüglich welcher, wie schon erwähnt, ein teilweiser defacto-Freispruch erging. Zur Frage der gezielten Absichtlichkeit (§ 5 Abs. 2 StGB), wie sie im § 108 Abs. 1 StGB mit Beziehung auf das geschützte Rechtsgut gefordert wird, läßt sich daraus jedenfalls nicht der geringste Anhaltspunkt gewinnen.
Im übrigen scheint das Erstgericht auch die von ihm zitierte Entscheidung ZVR 1978/125 mißverstanden zu haben, die auf eine spezifische Täuschungshandlung (den ausdrücklichen Hinweis gegenüber dem Straßenaufsichtsorgan auf eine - nicht mehr zutreffende - Hubraumangabe am Zylinder des Fahrzeuges) abstellt. Bereits aus den angeführten Gründen war daher das angefochtene Urteil zu kassieren und dem Erstgericht die Verfahrenserneuerung aufzutragen, weshalb sich ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdeausführungen erübrigt.
Im gegebenen Zusammenhang ist noch darauf zu verweisen, daß zwar bloße Parteienbehauptungen im Verwaltungsverfahren als taugliche Täuschungshandlung durchaus in Betracht kommen können, jedoch nur dann, wenn sie einer Entscheidung unüberprüft zugrunde gelegt werden müssen (vgl. Leukauf-Steininger StGB 2 RN 26, 27 zu § 146 und RN 2 zu § 108 sowie die dort zitierte Judikatur); Feststellungen hiezu fehlen jedoch. Bei der nach dem (bisherigen) Akteninhalt gegebenen Sachlage, bei welcher dem Angeklagten bei seiner Betretung durch die Gendarmeriebeamten unter Hinweis auf die überhöhte Geschwindigkeit sogleich vorgehalten wurde, daß er einen stärkeren Motor in sein Motorfahrrad eingebaut haben müsse (S 11), welche Vorhalte er 'nach kurzem Leugnen' als richtig zugab und hiezu sogleich ein umfassendes Geständnis ablegte, wird sich das Erstgericht auch eingehend damit auseinanderzusetzen haben, inwiefern über eine bloße unwahre, im Rahmen der Verteidigung an sich straffreie Parteienbehauptung hinaus ein tatbildliches Verhalten im Sinne des § 108 StGB objektiv überhaupt vorgelegen war und wird sich bejahendenfalls auch eingehend mit der subjektiven Tatseite zu befassen haben. Mit Beziehung auf die vom Erstgericht des weiteren zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 19. Juni 1984, AZ 9 Os 53/84, ist darauf zu verweisen, daß in dieser Entscheidung, der ein im wesentlichen gleichgelagerter Sachverhalt zugrunde lag, die Frage zu prüfen war, ob ein derartiges Verhalten, wie es auch dem Angeklagten in diesem Verfahren angelastet wird, nämlich das Fahren auf öffentlichen Straßen mit einem Fahrzeug, das zufolge eigenmächtiger Veränderungen nach den oben zitierten Bestimmungen des KFG nicht mehr als Motorfahrrad, sondern als Motorrad galt, nebst der Subsumierung unter die Norm des § 108 Abs. 1 StGB (in der Erscheinungsform des Versuches nach § 15 StGB) außerdem in Ansehung der Veränderung nach Anbringung einer Begutachtungsplakette als Vergehen der Fälschung öffentlicher Beglaubigungszeichen nach § 225 Abs. 2 StGB zu beurteilen sei. Der Oberste Gerichtshof hat in dieser Entscheidung unter Hinweis auf die Subsidiaritätsbestimmung im § 108 StGB eine Idealkonkurrenz abgelehnt.
Im vorliegenden Fall fehlt es zu einer allfälligen Beurteilung in Richtung der Bestimmung des § 225 Abs. 2 StGB an jeglichem Sachverhaltssubstrat (siehe S 15). Auf das Verbot der reformatio in peius und die hiezu ergangene Judikatur (vgl. insb. Mayerhofer-Rieder 2 , E Nr 24 ff zu § 293 StPO) wird in diesem Zusammenhang verwiesen.
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