Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (Punkt 2) unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt 1 und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches nach § 38
StGB) aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 28. Oktober 1941 geborene Fliesenleger Franz A der Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs. (1 und) 2 StGB (Punkt 1) und der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB (Punkt 2) schuldig erkannt.
Die aus der Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Sache nach (vgl auch Pkt a) des Beschwerdeantrags - S 307) nur den erstbezeichneten Schuldspruch, in welchem dem Angeklagten angelastet wird, sich im Jahre 1972 in Tirol ein ihm anvertrautes Gut in einem 5.000 S übersteigenden Wert, nämlich einen von Eduard B für den Einkauf von Fliesen bestimmten Bargeldbetrag von 10.750,40 S mit dem Vorsatz zugeeignet zu haben, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen verpflichtete sich der Angeklagte im Frühjahr 1972 dem - nach der Aktenlage für seine Ehegattin Christine B handelnden - Eduard B gegenüber, für einen Rohbau in Gerlos die Wand- sowie Bodenverfliesungsarbeiten durchzuführen und die hiefür benötigten Fliesen selbst in Italien anzukaufen. B zahlte dem Angeklagten auf Grund dieser Übereinkunft in der Zeit vom Mai bis Oktober 1972
in mehreren Teilbeträgen insgesamt 138.000 S. In der Folge wurde B beim Landesgericht Innsbruck zu 6 Cg 406/73
und 6 Cg 407/73 von zwei italienischen Fliesenfirmen auf Bezahlung von Beträgen in der Höhe von insgesamt 30.750,40 S für gelieferte Fliesen geklagt. Gestützt auf eine vom Angeklagten bei der Vernehmung durch den Untersuchungsrichter (S 107) zugegebene Äußerung gegenüber dem Ehepaar B, daß (ihm) alles bezahlt worden sei, gelangte das Erstgericht zum eingangs wiedergegebenen Schuldspruch, zumal es - bei der Frage nach der Höhe der veruntreuten Summe - durch den Angeklagten behauptete Zahlung von 20.000 S an Angelo C, einen italienischen Mittelsmann, als erwiesen annahm und dem Angeklagten daher zugute hielt, hingegen eine seinerseits ins Treffen geführte Gegenforderung wider B von mindestens 9.000 S wegen nicht honorierter Arbeitsleistungen als nicht genügend konkretisiert und unglaubwürdig ansah. Der Mängelrüge kommt schon deshalb Berechtigung zu, weil sich das Ersturteil, wie der Beschwerdeführer zutreffend darlegt, bei der Annahme, bestimmte Beträge seien ihm durch Eduard B anvertraut worden, mit der von diesem Zeugen wiederholt, zuletzt in der mit Urteil beendeten Hauptverhandlung am 19. Dezember 1979 (Seite 283) gemachten Angabe, dem Angeklagten insgesamt ca. 138.000 S für den Kauf und für die Verlegung der Fliesen gegeben zu haben (vgl ferner S 128: 'In der Summe von 100.000 S, die der Angeklagte von mir erhielt, gab es keine genaue Aufgliederung oder Zweckwidmung. Ich kaufte bei Herrn A Arbeit, Material und Transport.'), nicht befaßt.
Rechtliche Beurteilung
Eine gewissenhafte Auseinandersetzung gerade mit diesen Verfahrensergebnissen wäre aber angesichts dessen geboten gewesen, daß sie für die Frage nach dem Merkmal des 'Anvertrauens' im Sinne des § 133 StGB und damit für die rechtliche Beurteilung der Handlungsweise des Beschwerdeführers als Veruntreuung von entscheidender Bedeutung sind. Anvertraut gemäß dieser Gesetzesstelle ist ein Gut nämlich nur dann, wenn der Gewahrsam an ihm (auf Grund eines Rechtsgeschäfts oder eines vertragsähnlichen Rechtsverhältnisses) mit der Verpflichtung erlangt wird die Verfügungsgewalt über die betreffende Sache entsprechend der vereinbarten Rückstellungs- oder Verwendungspflicht nur im Sinne des Gewaltgebers zu gebrauchen, wobei die Sache wirtschaftlich weiterhin zum Vermögen des Übergebers gehört (Leukauf-Steininger, Komm2, S 898 RN 4 zu § 133 StGB).
Bei einem Werkvertrag (im Sinne der §§ 1165 ff ABGB), für dessen Abschluß im konkreten Fall die obigen Bekundungen Bs sprechen, liegt ein Anvertrauen (nach § 133 StGB) von Geld regelmäßig nur dann vor, wenn dieses - was jedoch weder im Urteil konstatiert wird, noch der in Rede stehenden Zeugenaussage zu entnehmen ist - ausschließlich zum Ankauf von Material übergeben wurde. Vorschüsse, die der Besteller einer Sache oder eines Werks dem Hersteller gibt und welche hier (entsprechend der Darstellung des Eduard B) jedenfalls nicht ausscheiden, gehen demgegenüber auch wirtschaftlich in das Vermögen des Herstellers über. Sie sind (mangels einer Zweckwidmung) kein anvertrautes Gut und es scheidet eine Veruntreuung daher (schon begrifflich) aus. Dem Empfänger einer Vorauszahlung kann wegen deren Verbrauchs schon objektiv eine strafbare Handlung gemäß § 133 StGB nicht angelastet werden (Leukauf-Steininger, aaO S 899 RN 11 zu § 133 StGB mit dort zitierter Judikatur; vgl auch Kienapfel, Grundriß, RN 22, 23 zur selben Gesetzesstelle).
Schon auf Grund dieser Erwägungen war gemäß § 285 e StPO (in der Fassung BGBl 1980 Nr 28) nach Anhörung der Generalprokuratur bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde mit einer Aufhebung des Ersturteils im angefochtenen Punkt 1 des Schuldspruches sowie im Strafausspruch und der Anordnung einer Verfahrenserneuerung (bei gleichzeitiger Verweisung des Angeklagten mit seiner Berufung auf diese Entscheidung) vorzugehen.
Gegebenenfalls wird im 2. Rechtsgang - wie bloß der Vollständigkeit halber zum sonstigen Beschwerdevorbringen bemerkt sei - bei der Beantwortung der Frage nach der Höhe des durch den Angeklagten von Eduard B in Empfang genommenen Betrages (von angeblich insgesamt 138.000 S Bargeld) nicht außer Acht gelassen werden dürfen, daß sowohl der Anzeiger B als auch der Angeklagte selbst wiederholt unterschiedliche Angaben über die bezahlten bzw erhaltenen Summen im einzelnen sowie insgesamt und über die hiefür erbrachten Leistungen machten. Noch weniger geklärt ist (naturgemäß), welche Teile der Gelder für den Materialankauf einerseits und für die Abgeltung von Arbeitsleistungen andererseits Verwendung fanden. Unverwertet blieben in diesem Zusammenhang bisher auch zwei vom Ehepaar B dem Buchsachverständigen Andreas D übergebene, im Akt zu den Seiten 143 und 145 in Ablichtung erliegende, teils in italienischer Sprache verfaßte (und nicht übersetzte) Auftragsscheine, aus welchen sich Endsummen von 88.958 und 43.516 ergeben, die jedoch nicht einmal mit einer Währungsbezeichnung versehen sind und vom Angeklagten in der Nichtigkeitsbeschwerde einmal als Lirebeträge, wenige Zeilen später aber - nunmehr unter Berufung auf das Gutachten des Sachverständigen D (S 141) - wiederum als Schillingbeträge bezeichnet werden (vgl S 303), wobei der Beschwerdeführer aus diesen beiden Urkunden (allerdings im Widerspruch zu seiner früheren Verantwortung - vgl etwa S 107, wonach seines Wissens der Preis des gesamten Materials nicht 30.000 S ausgemacht habe) eine Gesamtmateriallieferung in Höhe von 132.474 S ableitet.
Zu beachten wäre ferner das vom Sachverständigen Josef E in ON 30 erstattete und in der Hauptverhandlung am 19. Dezember 1979 (S 284) ergänzte Gutachten, demzufolge die gegenständlichen Fliesenarbeiten (ohne Material) im Zeitpunkt ihrer Durchführung einen Wert von 42.000 bis 45.000 S dargestellt hätten.
Eine Verwertung der Ergebnisse des Zivilverfahrens 6 Cg 406/73 des Landesgerichtes Innsbruck - zur gemeinsamen Verhandlung verbunden mit 6 Cg 407/73 - wird schließlich im erneuerten Verfahren nur unter der (im ersten Rechtsgang mißachteten) Voraussetzung Platz greifen können, daß ihr Inhalt durch Verlesung gemäß § 258 Abs. 1 StPO zum Gegenstand der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung gemacht wird.
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