Spruch:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Mit dem angefochtenen Beschluß stellte das Oberlandesgericht Wien gemäß § 6 Abs 1 StEG fest, daß den Antragsteller A für die vermögensrechtlichen Nachteile, die ihm durch seine Anhaltung (in Strafhaft) vom 18. August 1969, 21,40 Uhr bis zum 18. November 1969, 21,40 Uhr, in dem beim Landesgericht für Strafsachen Wien zum AZ 1 d E Vr 5281/68-Hv 600/68, durchgeführten Strafverfahren (auf Grund des Urteils vom 26. September 1980, mit welchen über den Genannten eine Freiheitsstrafe von 3 Monaten verhängt wurde) entstanden, ein Ersatzanspruch nach § 2 Abs 1 lit a StEG nicht zustehe.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Angeklagten gegen diesen Beschluß erhobenen Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Der geltendgemachte Ersatzanspruch bestünde nach Lage des Falles nur unter der Voraussetzung zu Recht, daß die verhängte Strafe auf Grund der Amnestie 1968, BGBl 1968 Nr 385, nachgesehen war, der (spätere) Strafvollzug demnach zu Unrecht eingeleitet und diese Anhaltung somit (im Sinne des § 2 Abs 1 lit a StEG) gesetzwidrig angeordnet worden wäre.
Gemäß § 1 Abs 1 der - mit 12. November 1968 in Kraft getretenen - Amnestie 1968 waren allen Personen, die vor diesem Zeitpunkt zu einer Freiheitsstrafe, zu einer Geldstrafe oder zu einer Freiheitsund einer Geldstrafe verurteilt worden waren, diese Strafen nachgesehen, sofern die verhängte Freiheitsstrafe oder Ersatzfreiheitsstrafe oder die Summen dieser Strafen drei Monate nicht überstieg. Waren gegen den Verurteilten mehrere Straferkenntnisse ergangen, so griff nach § 1 Abs 3 der Amnestie die Strafnachsicht dann Platz, wenn die Summe der darin ausgesprochenen und weder zur Gänze vollstreckten, noch vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes nachgesehenen Freiheits- und Ersatzfreiheitsstrafen mehr als 3 Monate ausmachte. Die Nachsicht trat dabei kraft Gesetzes ein.
Der durch § 6 Abs 1 Amnestie 1968 angeordneten Fassung des Feststellungsbeschlusses hierüber durch das Gericht, welches in erster Instanz erkannt hatte, kam daher (grundsätzlich) nur deklarative Wirkung zu (vgl EvBl 1965/464 ua).
Gegenständlichenfalls lagen am 12.11.1968 zwei nicht vollstreckte oder nachgesehene Strafen des Beschwerdeführers vor, nämlich außer der bereits erwähnten dreimonatigen Freiheitsstrafe im Verfahren 1 d E Vr 5281/68 eine mit Urteil des Strafbezirksgerichts Wien vom 15. Dezember 1967, GZ 18 U 1163/67-11, (für den Fall der Uneinbringlichkeit der primär verhängten Geldstrafe von 300 S) ausgesprochene dreitägige Ersatzfreiheitsstrafe, zumal die Behauptung der Beschwerde, die Geldstrafe sei damals bezahlt gewesen, aktenwidrig ist.
Die Voraussetzungen der angeführten Amnestie waren daher in keinem der beiden Verfahren erfüllt. Trotzdem stellte das Strafbezirksgericht Wien am 22. Jänner 1969, GZ 18 U 1163/67-15, (in Unkenntnis der Verurteilung vom 26. September 1968, GZ 1 d E Vr 5281/68-19) beschlußmäßig fest, daß die fragliche Strafe nach § 1 Amnestie 1968 nachgesehen sei. Dieser Beschluß erging demnach zwar zu Unrecht, erwuchs jedoch mangels Anfechtung in formelle wie auch materielle Rechtskraft (vgl SSt 31/55), die eine Bindung des Gerichts und der Parteien an die Entscheidung bewirkte, welche eine Sperrwirkung dahin entfaltete, daß über die Frage einer Strafnachsicht nach § 1 Amnestie 1968 nicht nochmals (in einem anderen Sinn) abgesprochen werden konnte (SSt 4/37), die Strafe vielmehr ab Rechtskraft des Beschlusses mit der Wirkung nachgesehen war, daß sie als am 12. November 1968 verbüßt galt. Eine vor diesem Zeitpunkt zum Tragen gekommene Strafnachsicht, wie sie § 1 Abs 3 Amnestie 1968 für unvollstreckte Strafen fordert, damit sie bei der Summierung solcher Strafen aus mehreren gegen den Verurteilten ergangenen Erkenntnissen unberücksichtigt bleiben, war demzufolge insofern nicht gegeben. Selbst wenn dem Beschluß des Strafbezirksgerichts Wien vom 22. Jänner 1969, GZ 18 U 1163/67-15, eine über dieses bezirksgerichtliche Verfahren hinausgehende Rechtswirkung zuerkannt und davon ausgegangen würde, daß die erwähnte Nachsicht im Verfahren 1 d E Vr 5281/68 des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Tatsachen zu beachten und die bezügliche Vorfrage dadurch bindend beantwortet war, waren sohin (auch) dort die Voraussetzungen für die Anwendung der Amnestie 1968 nicht erfüllt. Sie wurden mit dem - auf Antrag des Angeklagten, der die Anwendung begehrte, ergangenen - Beschluß vom 25. Juli 1969, GZ 1 d E Vr 5281/68-38, darum im Ergebnis zutreffend verneint, mag auch die hiefür mit dem (der Sache nach auf die fristenmäßig allein in Betracht kommende einschlägige Verurteilung vom 11.7.1968, AZ 5 U 255/68
des Strafbezirksgerichts Wien - wegen § 461/183 StG - abstellenden) Hinweis auf einen Ausschluß der Begünstigung gemäß § 5 lit a der Amnestie 1968 gewählte Begründung (angesichts dessen, daß die beiden in Rede stehenden Urteile im Verhältnis des § 265 StPO stehen und daher insoweit nur als eine einzige Verurteilung zählen) unrichtig sein.
Die Anordnung der Anhaltung des Beschwerdeführers (in Strafhaft) zur Verbüßung der mit Urteil vom 26. September 1968, GZ 1 d E Vr 5281/68-19, verhängten Freiheitsstrafe erfolgte mithin durchaus gesetzmäßig.
Der spätere Beschluß, womit das Landesgericht für Strafsachen Wien nach diesem Strafvollzug am 7. Jänner 1970
zur GZ 1 d E Vr 5181/68-47 - im Widerspruch zur Beschlußfassung vom 25. Juli 1969 - die Erfüllung der Erfordernisse der Amnestie 1968 über neuerlichen Antrag des Beschwerdeführers nunmehr bejahte, vermochte an der Rechtmäßigkeit der Anhaltung zur Strafvollstreckung nichts mehr zu ändern.
Er war außerdem nicht nur inhaltlich falsch, sondern setzte sich außerdem über die materielle Rechtskraft des Beschlusses vom 25. Juli 1969 (ON 38) hinweg.
Der unbegründeten Beschwerde war sohin ein Erfolg zu versagen.
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