OGH 10Os45/87

OGH10Os45/8731.3.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.März 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Hörburger, Dr. Reisenleitner und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schopper als Schriftführer in der Strafsache gegen Jose Enrique M*** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105, 106 Abs. 1 Z 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wr.Neustadt als Schöffengericht vom 8. Jänner 1987, GZ 10 Vr 1166/86-29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das erstgerichtliche Urteil, das im Schuldspruch zu II. als unangefochten unberührt bleibt, im Schuldspruch zu I. sowie demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Strafsache - zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung - an das Erstgericht zurückverwiesen.

Darauf wird der Angeklagte mit seiner Berufung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde der Angeklagte Jose Enrique M*** (zu I.) des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105, 106 Abs. 1 Z 1 StGB und (zu II.) des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Nach dem - allein angefochtenen - Punkt I. des erstgerichtlichen Urteils liegt ihm zur Last, am 1.Dezember 1985 in Wiener Neustadt Heidemarie B*** durch die Äußerung "schau her, was ich da habe, jetzt bringe ich dich um", wobei er ihr ein spitzes Küchenmesser am Hals ansetzte, durch gefährliche Drohung mit dem Tode zu einer Handlung, nämlich zur Unterfertigung einer Wohnbestätigung beziehungsweise Duldung der Weiterbenützung ihrer Wohnung, zu nötigen versucht zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Schuldspruch gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt Berechtigung zu, soweit er einen materiellrechtliche Nichtigkeit begründenden Feststellungsmangel geltend macht.

Das Schöffengericht stellte in den Entscheidungsgründen fest, daß der Angeklagte seine Lebensgefährtin Heidemarie B*** durch die Drohung und das Ansetzen des Messers in Furcht und Unruhe versetzen wollte, "um sie zur Unterschriftsleistung zu bewegen" und sie dadurch tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt wurde; allerdings führte es weiters aus, daß die Genannte darauf auf den Angeklagten einsprach und ihn in der Folge "beruhigen" konnte. Ob es zur erstrebten Unterschriftsleistung gekommen ist und welchem Zweck sie dienen sollte, wird in den Entscheidungsgründen nicht ausgeführt. Desgleichen fehlen Feststellungen zu einer allenfalls angestrebten "Duldung der Weiterbenützung der Wohnung der Heidemarie B***", deren nur im Urteilstenor Erwähnung geschieht, wobei auch hier angesichts der Verwendung des wahldeutigen Wortes "bzw.", offenbleibt, ob das Erstgericht damit ein alternatives oder ein kumulatives Begehren des Angeklagten im Auge hatte. Durchaus zutreffend rügt der Beschwerdeführer (Z 9 lit b, der Sache nach jedoch Z 10) einen Feststellungsmangel darüber, was ihn zur Abstandnahme von seinem Vorhaben, die Zeugin B*** zu einer (rechtserheblichen) Leistung zu nötigen, veranlaßte. Nötigung nach § 105 StGB ist ein echtes Erfolgsdelikt, dessen Vollendung daher voraussetzt, daß der Täter sein Ziel, einen anderen zu einem Verhalten zu zwingen, auch tatsächlich erreicht (Leukauf-Steininger, StGB 2 , RN 22 zu § 105; Kienapfel BT I 2 , RN 79 zu § 105). Da das Erstgericht trotz Fehlens ausdrücklicher Feststellungen über einen Erfolgseintritt oder das Ausbleiben desselben ersichtlich - wie aus der rechtlichen Beurteilung als Versuchstat zu erschließen ist - vom Unterbleiben eines Erfolges ausging, hätte es aber auch Feststellungen zur Frage eines möglichen Rücktrittes vom Versuch (§ 16 StGB) treffen müssen. Die dafür geforderte Freiwilligkeit des Entschlusses des Handelnden, die Tatausführung aufzugeben, wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß das Abstehen von der Vollendung der Tat durch Bitten oder Zureden des Opfers ausgelöst wurde, sofern nur beim Täter gleichwohl die Vorstellung erhalten bleibt, daß eine seinem Tatplan entsprechende Tatvollendung noch möglich wäre (Leukauf-Steininger, StGB 2 , RN 2 zu § 16; Kienapfel, AT Seite 86).

Demnach genügt die Urteilskonstatierung, daß die Zeugin B*** den Angeklagten dadurch, daß sie auf ihn "einsprach", "beruhigen" konnte und "dann" das Messer an sich nehmen konnte, keineswegs, um die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktrittes vom Versuch von vornherein auszuschließen. Schon wegen dieses, eine abschließende Beurteilung des Tatgeschehens hindernden Feststellungsmangels war eine Aufhebung des Urteils im angefochtenen Umfang und insoweit die Anordnung einer Verfahrenserneuerung unumgänglich, ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen sowie darauf bedurfte, ob das Schöffengericht in seiner Beweiswürdigung mit der wiederkehrenden Verwendung des Wortes "offensichtlich" eine stringente Überzeugung darlegen oder bloßen für die Begründung eines Schuldspruches unzulänglichen Vermutungen (Mayerhofer/Rieder, StPO 2 , E 116 zu § 281 Abs. 1 Z 5) Raum geben wollte. Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde sofort bei der nichtöffentlichen Beratung Folge zu geben (§ 285 e StPO), und der Angeklagte mit seiner überdies erhobenen Berufung auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Im erneuerten Verfahren wird gegebenenfalls zu beachten sein, daß selbst bei Annahme der Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch einer Nötigung eine als Mittel der Nötigung eingesetzte und demgemäß gegenüber der Nötigung materiell subsidiäre gefährliche Drohung strafbar sein könnte (Leukauf-Steininger, StGB 2 , RN 74 zu § 28).

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