Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 16. August 1942 geborene, zuletzt beschäftigungslose Josef A des an seinen beiden zur Tatzeit noch unmündigen Stieftöchtern, der am 15. August 1965 geborenen Susanne B und der am 25. Juli 1964 geborenen Karin B, verübten Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB und des - in Idealkonkurrenz begangenen - Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hatte er die Mädchen an den Brüsten betastet und sie veranlaßt, sein entblößtes erigiertes Glied in die Hand zu nehmen. Während er diese Taten an Susanne B im November/Dezember 1976 nur jeweils einmal beging, verübte er sie an Karin B im Herbst 1976 jeweils fünfmal. Die Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 4 und 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Eine den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund verwirklichende Verletzung von Verteidigungsrechten erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung der von der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge, denen der Verteidiger beigetreten ist. Zunächst war die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens 'über die Aussageehrlichkeit der Zeuginnen Susanne und Karin B sowie über pseudologistische Tendenzen' beantragt worden.
Rechtliche Beurteilung
Insoweit versagt die Verfahrensrüge schon deswegen, weil hiefür überhaupt keine Gründe angegeben wurden.
Die Würdigung der Aussagen dieser - im Zeitpunkt der Vernehmung durch das erkennende Gericht bereits 13- bzw. 14-jährigen - Zeuginnen hatte gemäß § 258 Abs. 2 StPO in freier richterlicher Beweiswürdigung zu erfolgen. Die Untersuchung eines Zeugen auf seinen Geisteszustand ist zwar im österreichischen Strafverfahrensrecht nicht vorgesehen, kann aber nach der Rechtsprechung der letzten Jahrzehnte ausnahmsweise stattfinden, wenn besondere Gründe dafür vorliegen (SSt 27/38; EvBl. 1958/174 u. a.). Die Reifung der sittlichen Persönlichkeit ist, vom wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen, beim normal entwickelten Menschen im allgemeinen schon vor Erreichen des Strafmündigkeitsalters, nämlich bereits um das 11. bzw. 12. Lebensjahr weitgehend eingetreten (Spiel, Tiefenpsychologische Gesichtspunkte in der Rechtsprechung, RZ 1977 S. 186). Da die Zeugin Karin B im Zeitpunkt ihrer Vernehmung bereits strafmündig war und Susanne B hiezu nur mehr einige Monate fehlten, hätte es, abgesehen von der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters, einer eingehenden Darlegung der Gründe für die gegenständliche Antragstellung bedurft. Dies umso mehr, als vorliegend weder abwegige Veranlagungen in psychischer oder charakterlicher Hinsicht behauptet wurden noch irgendein Hinweis auf Entwicklungsverzögerungen oder sonstige ins Gewicht fallende Defekte der beiden Mädchen (vgl. in diesem Zusammenhang LSK 1978/392; 1976/151; SSt 29/85; EvBl. 1959/276) aktenkundig ist. Die bloße hypothetische Möglichkeit einer Falschaussage genügt nicht (LSK 1977/138).
Die Vorgangsweise der Verteidigung läuft somit auf die bloß abstrakte Möglichkeit einer Förderung der Wahrheitsfindung und daher auf einen reinen Erkundungsbeweis hinaus;
die Abweisung dieses Beweisantrags könnte daher eine Schmälerung der Verteidigungsrechte grundsätzlich nicht bewirken (vgl. hiezu SSt 31/121 u.a.).
Aber auch der weitere Antrag 'auf Ladung und Vernehmung der Zeugin N. C, sowie Ausforschung und Vernehmung jener Person, welche der Zeugin C davon Mitteilung gemacht hat, daß der Angeklagte zumindest in einem Fall bei der Vornahme der unsittlichen Handlungen beobachtet wurde', verfiel mit Recht der Ablehnung, weil er zumindest bei der Zeugin N. C der Angabe eines konkreten Beweisthemas entbehrt und im übrigen gleichfalls nicht erkennen läßt, aus welchen Gründen die primär vom Anklagevertreter zur überführung des Angeklagten begehrten Beweisaufnahmen auch zur Unterstützung der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers beitragen sollten.
Der behauptete Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 4 StPO liegt somit nicht vor.
Auch formale Mängel im Sinne der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO haften dem Urteil nicht an.
Aus welchen Gründen das Schöffengericht - das sich hiebei ausdrücklich auf die diesbezügliche Beurteilung durch die vernehmende Polizeibeamtin und die Untersuchungsrichterin bezog - den belastenden Angaben der Zeuginnen Susanne und Karin B Glauben schenkte und die jede Unzuchtshandlung leugnende Verantwortung des einschlägig vorbestraften Beschwerdeführers als widerlegt ansah, hat es denkfolgerichtig, im Einklang mit der allgemeinen Lebenserfahrung und - entgegen der Beschwerde - auch unter Bezugnahme auf die nach den Tatzeitpunkten von Susanne B an den in Haft befindlichen Angeklagten gerichteten 'freundschaftlichen' Briefe sowie unter ausdrücklicher Erörterung der Gründe, welche die Mädchen davon abhielten, von den Vorfällen Mitteilung zu machen, mängelfrei dargelegt. Das Erstgericht war entgegen der offensichtlichen Meinung des Beschwerdeführers nicht verpflichtet, sämtliche Verfahrensergebnisse im Detail zu erörtern und sich bei der Würdigung von Aussagen oder sonstigen Beweisergebnissen mit allen möglichen, erst nachträglich ins Treffen geführten Gesichtspunkten zu befassen.
Für die Entscheidung wesentliche Verfahrensergebnisse, bei deren Berücksichtigung eine andere Lösung der Schuldfrage denkbar gewesen wäre und die das Erstgericht mit Stillschweigen übergangen oder ungewürdigt gelassen hätte, werden von der Beschwerde nicht aufgezeigt.
Auch Begründungsmängel des Urteils in der im § 281 Abs. 1 Z 5 StPO bezeichneten Bedeutung hat der Angeklagte sohin mit seiner im wesentlichen bloß einen im Verfahren über Nichtigkeitsbeschwerden nicht zulässigen und daher unbeachtlichen Angriff gegen die schöffengerichtliche Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung darstellenden AAusführungen nicht dargetan. Die offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
Gemäß § 296 Abs. 3 StPO wird über die Berufung des Angeklagten bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.
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