OGH 10Os25/82

OGH10Os25/8215.6.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Juni 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Glock als Schriftführer in der Strafsache gegen Emmerich A wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach § 146, 147 Abs. 3 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 1. Dezember 1981, GZ 12 b Vr 873/81-202, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, sowie der Ausführungen des Verteidigers Dr. Thomas Schröfl und des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen Betruges und gemäß § 289 StPO auch in jenem wegen Nötigung jeweils zum Nachteil der Berta B (Punkte I. sowie II. 1 und 3) sowie ferner im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches nach § 38

StGB) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung wie Entscheidung im Umfange der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die obige Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 20. November 1909 geborene Emmerich A (I.) des Verbrechens des schweren Betruges nach § 146, 147 Abs. 3 - im Urteil (S 162/III) wird außerdem, ebenso wie in der Anklageschrift (S 145/II), ersichtlich irrtümlich auch der Abs. 1 der letzteren Gesetzesstelle, allerdings ohne sachliche oder auch nur ziffernmäßige Benennung eines dort (unter den Z 1 bis 3) umschriebenen Qualifikationsfälle und demnach inhaltslos, zitiert - sowie der Vergehen (II.) der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB und (III.) der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Inhaltlich des Schuldspruchs hat Emmerich A (zu I.) in Wien mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen zur übergabe von Geldbeträgen verleitet, wodurch sie oder Andere einen Vermögensschaden erlitten, und zwar

(1.) im Jahre 1978 Berta B durch die Vorspiegelung, es sei aus steuerlichen Gründen günstiger einen Betrag von S 105.000 auf zwei Sparbücher der C in der Alserstraße aufzuteilen, zur Ausfolgung dieser Summe; Schaden der Genannten in deren Höhe;

(2.) am 13. Juni 1979 und am 17. Juli 1979 Angestellte der X durch Verbergen hinter dem falschen Schein eines (abhebungs-)berechtigten Sparbuchinhabers, zur Auszahlung von das eine Mal S 47.000 und das andere Mal S 11.000, daher insgesamt Schaden der Sparbucheigentümerin B S 58.000;

(zu II.) folgende Personen mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zu nachstehend angeführten Handlungen genötigt:

und zwar (1.) am 17. November 1978 in Wien Berta B durch 'herrisches Auftreten und drohende Gebärden' zur Verfassung eines Briefes an die Hausverwaltung des Inhaltes, daß sie alle gegen ihn (A) erhobenen Anschuldigungen widerrufe;

(2.) am 22. Juli 1980 und am 12. August 1980 in Baden Erika J, indem er sie erfaßte und schüttelte, zur Abgabe einer Erklärung, daß sie aus Eifersucht Schlechtes über ihn (A) gesagt habe und zur übergabe einer Vollmacht zwecks Behebung von S 7.500 als Schadensgutmachung hiefür;

(3.) am 7. August 1980 in Baden die Berta B durch 'herrisches Auftreten und drohende Gebärden' zur Verfassung einer Schuldbefreiungsurkunde;

(zu III.) im Sommer 1980 in Baden die Erika J durch Anfassen und Schütteln am Körper verletzt, nämlich ihr Haematome zugefügt.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5, 8, 9 lit a, b und c sowie 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde (ON 220) neben der er eine Reihe von hierauf Bezug nehmenden umfangreichen handschriftlichen Eingaben eingebracht hat; auf letztere ist nicht einzugehen, weil das Gesetz (§ 285 Abs. 1 StPO) nur eine einzige Ausführung der Beschwerdegründe durch den Beschwerdeführer vorsieht. Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt teilweise, nämlich zu Punkt I des Schuldspruchs bereits insoferne Berechtigung zu, als sie in der durch das Erstgericht beschlossenen Abweisung (S 133/III) des vom Angeklagten bei der Hauptverhandlung (S 132/III) gestellten Antrags auf Vernehmung des Zeugen Eduard K (ua) zum Beweise dafür, daß Berta B ihm gegenüber erklärt habe, sie habe mit dem Angeklagten eine Vereinbarung getroffen, wonach dieser von ihr für Kost und Quartier (also ihre Pflege im weitesten Sinn) einen Betrag von 14.000 S (gemeint: monatlich) erhalte, einen Verfahrensmangel (Z 4) erblickt. Das Gericht versagte der Verantwortung des Angeklagten, er habe auf das von den Sparbüchern der B abgehobene Geld Anspruch gehabt, weil als Entgelt für diese Pflege 14.000 S vereinbart gewesen seien, die Genannte an ihn aber nur 7.000 S (monatlich) ausbezahlt habe (vgl S 149/

III), mit umfangreicher Argumentation den Glauben. Es negierte dabei die behauptete übereinkunft und leitete gerade daraus, daß er keine auf einer solchen beruhende Forderung gegen sie hatte, seinen Bereicherungsvorsatz ab (S 160 f/III). Die Vernehmung des Zeugen K zum Nachweis eben dieses Anspruchs lehnte es aber gleichzeitig - mit der dazu im Widerspruch stehenden und außerdem nur aus dem Beratungsprotokoll ersichtlichen - Begründung ab, die Frage, wieviel die Zeugin B dem Angeklagten zu bezahlen hatte, sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Unter diesen Umständen kann jedenfalls nicht gesagt werden, daß von der begehrten Beweisaufnahme seitens des Erstgerichts, das sich mit der Frage nach der Höhe der Zahlungen, welche die genannte Zeugin an den Angeklagten monatlich zu leisten hatte, im Urteil eingehend auseinandersetzt, ohne Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Angeklagten abgesehen worden ist. Da das (angestrebte) Beweisergebnis geeignet ist, außer (unmittelbar) auf die Sachverhaltsfeststellungen zum Faktum I (im besonderen) auch auf die Beantwortung der Frage nach der Glaubwürdigkeit wie Verläßlichkeit der Zeugenaussage B (im allgemeinen), also deren Beweiskraft schlechthin, und damit auf die Konstatierungen zu den - ebenfalls diese Zeugin betreffenden -

Fakten II 1 und 3 (zumindestens mittelbar) Einfluß zu üben besteht insofern ein untrennbarer Zusammenhang (§ 289 StPO). Das angefochtene Urteil war daher in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde in den angeführten Schuldsprüchen (Punkte I sowie II 1 und 3) und demgemäß ferner auch im Strafausspruch (ohne weiteres Eingehen auf die übrigen gegen diese Abschnitte der erstgerichtlichen Entscheidung gerichteten Beschwerdeeinwände) aufzuheben sowie in dem Umfange eine Verfahrenserneuerung anzuordnen.

Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht hinsichtlich der Fakten II 1 und 3 zu beachten haben, daß das Tatbild der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB als Mittel zur Herbeiführung eines verpönten (rechtswidrigen) Erfolgs einerseits Gewalt und andererseits gefährliche Drohung nennt, wobei für letztere - nach der Legaldefinition des § 74 Z 5 StGB - die Ankündigung einer Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre oder Vermögen, begriffswesentlich ist, welche die objektive Eignung besitzt, dem Bedrohten (mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Gewichtigkeit des angedrohten übels begründete Besorgnisse einzuflößen. Allgemein gehaltene (nichtssagende) Floskeln jener Art, wie sie im aufgehobenen Teil des Ersturteils insoweit durch die bloße Anführung eines 'herrischen Auftretens' und 'drohender Gebärden' enthalten waren und die kaum über das Nötigungsmittel, geschweige denn über eine Drohung mit einem der im § 74 Z 5 StGB genannte übel Aufschluß geben sowie (auch unabhängig davon) eine überprüfung der Rechtsfrage nach der obbezeichneten Eignung nicht gestatten, genügen für die erforderliche Konstatierung der Tatbildmerkmale in tatsachenmäßiger Beziehung in keiner Weise; es werden daher entsprechend substantiierte Feststellungen zu treffen bzw, sofern die Verfahrensergebnisse solche nicht zulassen, die daraus folgenden Konsequenzen zu ziehen sein (§ 259 Z 3 StPO).

Im übrigen, nämlich in Ansehung der Fakten II 2 und III (betreffend Erika J) ist die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch nicht begründet. Der Antrag auf Beiziehung eines psychiatrischen Sachverständigen zum Nachweis der psychischen Erkrankung der Zeugin J, derentwegen (auch) ihren Aussagen kein Glauben geschenkt werden könne (Band III, S 133), konnte schon deshalb ohne Verletzung des Angeklagten (als Antragsteller) in seinen Verteidigungsrechten abgewiesen werden, weil, worauf im Urteil (S 149, 158 f/III) wiederholt und ausführlich Bezug genommen wird, ohnedies bereits ein einschlägiges (negatives) Gutachten vorliegt (Band II, ON 76), wonach - übrigens in übereinstimmung mit dem persönlichen Eindruck, den das erkennende Gericht von dieser Zeugin gewinnen konnte - objektive Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung der Zeugin fehlen. Was bei der Wertung ihrer Aussage zu beurteilen verblieb, fiel ausschließlich in den Rahmen der Beweiswürdigung. Ein Verfahrensmangel (Z 4) ist sohin in diesem Punkt nicht gegeben.

Wenn der Beschwerdeführer in Ausführung des weiters geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z 5

StPO 'Urteilsfeststellungen' als aktenwidrig bezeichnet, verkennt er grundsätzlich das Wesen dieser Art von Begründungsmängeln, die darin bestehen, daß in den Entscheidungsgründen der Inhalt einer Urkunde oder Aussage unrichtig wiedergegeben wird und deren Geltendmachung daher nicht auf die Behauptung gestützt werden kann, daß zwischen den getroffenen Feststellungen und dem diesen zugrundegelegten Beweismaterial ein Widerspruch bestehe (vgl insbesondere Mayerhofer-Rieder, Nr 185 ff, vor allem Nr 191 zu § 281 Abs. 1 Z 5 StPO ua). Sollte er aber mit seinen Einwendungen die Relevierung einer unzureichenden oder unvollständigen Urteilsbegründung in bezug auf die angesprochenen Konstatierungen im Auge haben, so schlägt die Mängelrüge (ebenfalls) nicht durch. Der unter diesem Aspekt betrachtete Beschwerdeeinwand zum Faktum II 2, die Feststellung, der Angeklagte habe Erika J am 22. Juli 1980 und am 12. August 1980 zur Unterfertigung von Erklärungen durch einen (von drohenden Gebärden, Ergreifen und Schütteln begleiteten) 'Wutausbruch' gebracht (Band III, S 148), finde in der Aussage der Zeugin keine Deckung, weil sie nur von einem 'leichten Zornausbruch' (Band I, S 365) gesprochen habe, zeigt lediglich eine die Intensität des Nötigungsmittels (das jedenfalls das Opfer auch bei der von ihm hievon gegebenen Schilderung entsprechend beeindrucken konnte und tatsächlich beeindruckt hat) berührende - nicht (im Sinne der Z 5 des § 281 Abs. 1

StPO) entscheidende - sprachliche Abweichung (ohne rechtliliche Relevanz) auf.

Wenn der Beschwerdeführer ferner meint, es sei angesichts dessen, daß er vor der Einvernahme der Zeugin J aus dem Gerichtssaal entfernt und deren Befragung in seiner Abwesenheit vorgenommen worden war, für den erkennenden Senat 'vollkommen unmöglich' gewesen, in der Hauptverhandlung - so wie er dies im Urteil zum Ausdruck bringe - festzustellen, daß J noch immer Angst vor ihm (dem Beschwerdeführer) hatte (Band III, S 151), so geht dieser (in Wahrheit neuerlich keinen Begründungsmangel dartuende) Vorwurf ersichtlich von der irrigen Prämisse aus, Äußerung von Furcht vor einer bestimmten Person setze deren Anwesenheit dabei voraus. Nicht zielführend ist auch das Vorbringen (zum Punkt III des Schuldspruchs), die vom Gericht für glaubhaft erachtete Darstellung der Zeugin J decke sich - den Urteilsausführungen zuwider - mit der Aussage der Zeugin L vor der Gendarmerie nicht, habe doch letztere angegeben, daß der Angeklagte auf J eingeschlagen hätte, während in der Wiedergabe des Tatgeschehens durch erstere lediglich von einem Erfassen an den Oberarmen und Schütteln die Rede sei, beruft sich doch das Urteil erkennbar bloß insofern auf eine übereinstimmung der Angaben der beiden Zeuginnen als sie (wirklich konform) bekundeten, daß die Tätlichkeiten des Angeklagten keine Reaktion auf einen vorangegangenen Anfall der J gewesen sind.

Unberechtigt ist schließlich die Behauptung einer 'Undeutlichkeit und Unvollständigkeit' der Urteilsbegründung sowohl in Ansehung des Punktes II 2' darüber, ob die Nötigung mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung (iS d § 74 Z 5 StGB) erfolgte, als auch bezüglich der subjektiven Tatseite zum Faktum III 'darüber, worin sein böser Vorsatz bestanden habe. Zum einen wird nämlich dem Angeklagten in bezug auf die J unmißverständlich als Nötigungsmittel ausschließlich 'Gewalt' angelastet, zum anderen im Zusammenhang mit der Körperverletzung tatsachenmäßig eindeutig bedingter Verletzungsvorsatz festgestellt (S 162/III).

Die Rechtsrügen vermögen ebenfalls nicht durchzuschlagen. Die auf Z 9 lit a gestützte bloße Negierung einer 'Herstellung des Tatbestands hinsichtlich des Vergehens der Nötigung' (unter Pkt 6 des betreffenden Abschnitts der Rechtsmittelschrift) entbehrt jedweder Substantiierung und ist darum einer sachlichen Erwiderung unzugänglich. (Herrisches Auftreten und drohende Gebärden, denen in den folgenden Punkten 8 und 9 der Rechtsmittelschrift der rechtliche Charakter 'gefährlicher Drohungen' abgesprochen wird, liegen dem Angeklagten der Zeugin J gegenüber - wie der Vollständigkeit halber festgehalten sei - nicht zur Last).

Inwiefern aber, was der Beschwerdeführer sowohl zur Z 9 lit a (unter Punkt 10) als auch (sachlich richtig) unter Anrufung der Z 9 lit b des § 281 Abs. 1 StPO ins Treffen führt, die urteilsmäßig festgestellte Anwendung von Gewalt als Mittel zu dem angestrebten Zweck nicht den guten Sitten widerstreiten solle, ist seinen Ausführungen in keiner Weise zu entnehmen, wobei es angesichts jener Urteilsfeststellungen (an denen bei gesetzmäßiger Darstellung der Rechtsrüge festgehalten werden muß), wonach der Angeklagte auf das von J geforderte Verhalten kein Recht hatte, auch gar nicht möglich wäre, das Vorliegen der (rechtfertigenden) Voraussetzungen des § 105 Abs. 2 StGB im konkreten Fall zu begründen.

Die letztlich in Ansehung des Faktums III aus der Z 9 lit a erhobene Rechtsrüge, das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB sei deshalb nicht verwirklicht, weil er Erika J nicht in 'Verletzungsabsicht' (gemeint ersichtlich: mit Verletzungsvorsatz) geschüttelt habe, ist wiederum nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie sich über die - nach dem früher Gesagten im Urteil enthaltene - Konstatierung eines solchen Vorsatzes (in der Form des - zur Tatbestandserfüllung ausreichenden - dolus eventualis) hinwegsetzt. Soweit sie die zum Nachteil der Erika J verübten strafbaren Handungen (Pkt II 2 des Urteils) betrifft, mußte daher die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde verworfen und insgesamt über die Rechtsmittel des Angeklagten sohin spruchgemäß entschieden werden.

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